Test: Waldorf Iridium
Iridium ist mehr als nur eine abgespeckte Desktop-Version des Quantum, sondern bietet auch einige Vorteile gegenüber dem digitalen Ausnahmesynthesizer.
Iridium bietet die komplexe Synth-Engine von Waldorfs Flaggschiff Quantum im kompakten Format, verzichtet dabei aber auf das analoge Filter. Die fünf Synthesemodelle umfassen Wavetables, virtuell-analoge Wellenformen und Experimentelles wie den Kernel-Mode. Neben dem Touchscreen sollen jede Menge Encoder für eine unkomplizierte Bedienung sorgen. Vier CV-Eingänge sowie Gate und Trigger In ermöglichen den Anschluss von Eurorack-Modulen.
Praktisches Desktop-Modell
Das robuste Metallgehäuse entspricht dem Kyra aus gleichem Hause, statt cremefarben-weiß-grau ist es aber im edlen schwarz-grau gestaltet. Iridium ist für den Desktop gedacht und erfüllt damit den Wunsch vieler Quantum-Liebhaber nach einer kompakteren tastaturlosen Version dieses Ausnahmesynthesizers.
Das Gehäuse ist benutzerfreundlich angeschrägt, braucht mit Abmessungen von 440 x 305 x 85 mm bei einem ordentlichen Gewicht von knapp 6 kg aber schon etwas Platz. Theoretisch ist auch ein Rackeinbau möglich, falls Waldorf noch passende Rackwinkel herausbringen sollte. Noch praktischer ist aber die integrierte VESA-Wandhalterung. Damit können Sie den Synthesizer auf einen Standard-Monitorständer schrauben, die es ja auch als bewegliche Arme gibt. So lässt sich Iridium bei Bedarf einfach in den Sweetspot drehen und anschließend wieder platzsparend verstauen, praktisch bei begrenztem Studioraum.
Massig Regler
Trotz der großzügigen Maße ist der Abstand zwischen den 48 (!) Reglern, die im unteren Bereich für den direkten Zugriff auf die Klangerzeugung zuständig sind, für unseren Geschmack teilweise zu gering. Die Hüllkurven lassen sich nur mit sehr spitzen Fingern bedienen und das Schrauben an mehreren Parametern ist in diesem Bereich fast unmöglich. Die engen Platzverhältnisse rühren daher, dass die obere Hälfte für den großen Touchscreen und die 16 Pads benötigt wird.
Der farbige Touchscreen entspricht in der Größe dem im Quantum verbauten Display, die Auflösung ist allerdings etwas niedriger. Flankiert wird er von jeweils drei Reglern links und rechts sowie den sechs Tastern zur Auswahl der Hauptseiten für LFO, Oszillatoren, Filter, Hüllkurven, Modulationsmatrix und Effekte.
Diese Taster waren bei unserem Testgerät nicht ganz sauber eingearbeitet und standen schnell ein wenig schräg zueinander, was optisch einen etwas billigen Eindruck hinterließ. Der ordnungsgemäßen Funktion hat dies aber nicht geschadet. Der große zentrale Bedienknopf (beim Quantum noch unterhalb des Displays angeordnet) ist gemeinsam mit den zugehörigen Bedientasten nach rechts gewandert.
16 Performance-Pads
Rechts daneben findet sich eine Neuheit gegenüber dem Quantum in Form einer 4x4 Padmatrix. Auch wenn diese Anordnung eigentlich typisch für Grooveboxen wie MPC und Maschine ist, handelt es sich nicht um klassische Drumpads.
Vielmehr dienen die Pads als Tastaturersatz mit Extras und ermöglichen ein Spielen des Synthesizers und ein Programmieren des Sequenzers auch ohne angeschlossenes Keyboard. Jedes Pad kann eine Note spielen, mehrere Pads lassen sich gleichzeitig für polyphones Spiel triggern. Jedem Pad lässt sich individuell eine Note zuordnen, sodass Sie sich bei Bedarf eigene Tonskalen bauen oder die Pads nur mit den für einen Song passenden Noten belegen können, um bei der Live-Performance Spielfehler zu vermeiden. Im Scale-Modus stehen auch vorgegebene Tonleitern wie Dur, Moll etc. zur Verfügung. Im Chord-Modus triggert jedes Pad einen anderen Akkord, inklusive Inversion und anderen Variationen. Im Trigger-Modus liegen verschiedene rhythmische Muster für Arpeggiator und Sequenzer auf den einzelnen Pads, ebenfalls ein interessantes Performance-Tool für Bühne und Jam-Session.
4 CV-Eingänge
Auf der Rückseite gibt es einen Stereoeingang sowie einen Stereoausgang, der zweite Stereoausgang des Quantum wurde leider gestrichen. Dafür darf sich die Modularfraktion freuen, denn der frei gewordene Platz wurde mit 4 CV-Inputs sowie Gate In, Trigger In, Clock In und Clock Out ausgefüllt. Die CV-Eingänge sind als Quellen in der Modulationsmatrix verfügbar, was eine komplexe Einbindung des Iridiums in ein analoges Modularsystem ermöglicht. In Verbindung mit der komplexen Klangerzeugung des Waldorf-Synthesizers tut
Die Klangerzeugung entspricht im Prinzip dem Quantum, weshalb Iridium auch soundkompatibel zu dem Waldorf-Flaggschiff ist. «
sich hier eine große Spielwiese für experimentelle Musiker auf. Für konventionelle Einbindung gibt es das klassische MIDI-Trio sowie einen USB-Anschluss, der allerdings nur MIDI-Signale und nicht wie bei Kyra auch Audio überträgt. Sie bleiben bei der Abnahme des Audiosignals, also auf den analogen Stereoausgang bzw. den Kopfhörerausgang beschränkt. Praktisch ist der USB-Host-Anschluss, über den Sie ein USB-Keyboard oder einen anderen Controller ohne Umwege direkt an den Synthesizer anschließen können. Einen MicroSD-Slot zum Datenaustausch gibt es ebenfalls.
Kein analoges Filter
Die Klangerzeugung entspricht im Prinzip dem Quantum, weshalb Iridium auch soundkompatibel zu dem Waldorf-Flaggschiff ist. Zwei wesentliche Unterschiede gibt es aber: Iridium ist komplett digital aufgebaut, verzichtet also auf das analoge Filter des Quantum. Da uns persönlich dieses Analogfilter nicht so hundertprozentig überzeugt hat, können wir dies verschmerzen und uns auf die Vorteile konzentrieren: Kein analoges Filter bedeutet, dass der Signalweg im Iridium nicht vor dem Filter auf mono konvertiert werden muss, da die digitalen Filter stereo arbeiten können.
Doppelte Stimmenanzahl
Iridium kann außerdem aufgrund des Verzichts auf kostenträchtige analoge Bauteile (Quantum benötigte ja ein Filter je Stimme) trotz günstigeren Preises doppelt so viel Stimmen erzeugen, namentlich 16 statt 8! Und jede dieser Stimme hat es in sich bei dieser mächtigen Klangerzeugung. Drei Oszillatoren stehen jeweils zur Verfügung, und für jeden Oszillator kann individuell aus einer der folgenden
Syntheseformen gewählt werden: Neben Waldorfs Aushängeschild Wavetable gibt es virtuell-analoge Synthese (Waveform), Sampling nebst Granularsynthese (Particle), Resonator und eine FM-Synthese mit bis zu 6 Suboszillatoren namens Kernel. Kernel kann DX7 Sounds über Sysex laden, was Zugriff auf abertausende Presets gibt, die als Basis für eigene Soundkreationen dienen können.
Auch Sound-Bänke von Waldorfs Wavetable-Plug-in Nave können in Iridium importiert werden, auch wenn das Ergebnis nicht 1:1 dem Original entspricht. Hinzu kommt, dass Iridium auch zwei Sounds gleichzeitig als Layer oder Split abspielen und damit die klanglichen Möglichkeiten noch verdoppeln kann. Da geht also eine ganze Menge!
Digitale Dualfilter
Das digitale Dual-Filter zeigt sich ebenfalls sehr flexibel, zur Auswahl stehen die Filtertypen Nave, Largo, PPG, Quantum und State-Variable als Tief-, Hoch oder Bandpass mit 12 oder 24 dB Flankensteilheit. Praktisch dabei ist der Analyzer, der den Frequenzgang in Echtzeit auf dem Display visualisiert. So sieht man direkt die Auswirkungen des gewählten Filters. Hinzu kommt der Digital-Former, der bei Iridium auf 30 Filtermodelle zugreifen und zusammen mit dem Komplex-Modulator den Klang umfangreich formen kann.
Mit der 4x4 Padmatrix und Autoplay-Funktionen besitzt Iridium spannende neue Performance- Features. «
Ohnehin mangelt es bei Iridium nicht an Modulationsquellen, allein sechs Hüllkurven und sechs LFO stehen Ihnen zur Verfügung. Über die Modulationsmatrix mit 40 Slots routen Sie die Quellen auf knapp 200 mögliche Ziele.
Performance-Features
Auch die Performance-Optionen wurde ordentlich ausgebaut. Hier finden Sie neben einem X/Y-Pad auch den Bereich Autoplay, hinter dem sich Arpeggiator und Sequenzer verbergen. Notensequenzen lassen sich wie oben beschrieben per angeschlossenem Keyboard oder die Pads im Notenmodus einspielen, aber auch grafisch über den Touchscreen editieren. Mit den bis zu acht Parameter-Sequenzern pro Layer bringen Sie Bewegung in Pads oder modulieren Basslinien und Arpeggios rhythmisch in Filterfrequenz und anderen Klangparametern.
5 Effekte gleichzeitig
Fünf Effekt-Slots stehen zur Veredelung des erstellten Sounds zur Verfügung, neben Reverb, Chorus und Delay gibt es jede Menge weitere Algorithmen. Die wichtigsten Effektparameter können Sie direkt per Regler editieren. Vermisst haben wir einen Schalter, um die gesamten Effekte mit einem Druck ausschalten zu können, da einige der zahlreichen Presets etwas zu rege davon Gebrauch machen.
Durchdachte Bedienung
So viele Möglichkeiten müssen erst einmal beherrscht werden, und ein bisschen Einarbeitungszeit sollten Sie auf jeden Fall einplanen. Hat man das Bedienkonzept aber erst einmal durchschaut und sich mit der Kombination aus Touchscreen, unterstützenden Reglern und Tastern sowie dem Parameter-Direktzugriff im unteren Bereich angefreundet, geht die Programmierung eigener Sounds doch recht flüssig von der Hand.
Hier hat Waldorf ein besseres Händchen bewiesen als beim Iridium, und es haben dabei bestimmt auch die Erfahrungen mit hineingespielt, die mit dem zwei Jahre früher veröffentlichten Quantum gemacht wurden.
Spezieller Waldorf-Sound
Klanglich deckt Iridium nahezu alles ab, was das digitale Herz begehrt. Der Synthesizer versucht nicht auf Teufel komm raus analog zu klingen, sondern bringt den typischen Waldorf-Sound auf den aktuellen Level. Warm und fett finden Sie woanders, komplexe und bisher ungehörte Soundgebilde mit dem typischen unterkühlten Waldorf-Klang kann Iridium dagegen wie kaum ein anderer Synthesizer. Schneidende Leads und trockene Bässe sind ebenso machbar wie fiese verzerrte Sounds und sich über Minuten verändernde organische Drones. Wie schon beim Quantum gilt: Entweder liebt man diesen Sound, oder man wird damit überhaupt nicht warm – dann hilft auch die umfangreiche Klangerzeugung nicht wirklich weiter.
Digitale Alternativen
Es gibt mittlerweile durchaus interessante Alternativen für außergewöhnliche digitale Sounds. Yamaha MODX und Montage bieten mit der erweiterten FM-Synthese und der neu hinzugekommenen Morph-Funktion vergleichbar komplexe Soundvariationen. Hydrasynth besitzt ebenfalls flexible Oszillator-Modulator-Modelle und viele Filtertypen, lässt sich durch die Pads/Keyboard mit polyphonem Aftertouch sehr organisch spielen und ist in der Desktop-Version ein gutes Stück günstiger. An den Bedienkomfort des Iridium mit Touchscreen und über 50 Reglern kommen diese Synthesizer aber nicht heran.
Fazit
Wer schon immer ein Auge auf den derzeit wohl außergewöhnlichsten Digitalsynthesizer Quantum geworfen hat und von einem Erwerb aus finanziellen und/oder Platzgründen bisher abgesehen hat, kann beim Iridium bedenkenlos zugreifen. Die fehlenden Analogfilter werden durch die neuen Stereomöglichkeiten sowie die doppelte Stimmenanzahl gut ausgeglichen, die Kombination aus Touchscreen und jeder Menge Regler zum direkten Schrauben machen die komplexen Synthesemöglichkeiten auch recht gut beherrschbar. Mit der 4x4 Padmatrix und Autoplay-Funktionen besitzt Iridium auch spannende Performance-Features. Im Endeffekt ist aber entscheidend, ob man den speziellen und charakteristischen Waldorf-Klang mag – ist dies der Fall, garantiert Ihnen Iridium Soundwelten und Experimentiermöglichkeiten wie kaum ein anderer Synthesizer.