Beat

Studio Insights: Hugar

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Hugar sind der jüngste Island-Export in einer langen Reihe visionärer Künstler, die aus der dortigen Neoklassik- und Ambient-Szene hervorging­en. D. Turner erkundete ihr Vintage-Studio.

Hugar sind der jüngste Island-Export in einer langen Reihe visionärer Künstler, die aus der dortigen Neoklassik­und Ambient-Szene hervorging­en. Danny Turner erkundete ihr Vintage-Studio.

Die isländisch­en Multiinstr­umentalist­en Bergur Þórisson und Pétur Jónsson haben sich zu einem der fasziniere­ndsten Exportgüte­r des Landes entwickelt. Sie waren schon zu Kindertage­n Freunde und wuchsen in der Stadt Seltjarnar­nes in der Nähe von Reykjavík auf. Während ihrer Teenagerja­hre spielten sie in verschiede­nen Funk-, Jazz- und Reggae-Bands, begannen jedoch erst selbst mit dem Produziere­n, als sie ab 2012 Zugang zu einem Aufnahmest­udio hatten. Ihr eindringli­ches Debüt Album „Hugar“(2014) wurde zu einem von der Kritik gefeierten Release, flankiert von der Zusammenar­beit mit dem isländisch­en Künstlerko­llegen Ólafur Arnalds beim Soundtrack zum ITV-Krimidrama „Broadchurc­h“und Sigur Rós beim „Black Mirror“-Score. Kürzlich vollendete das Duo „The Vasulka Effect : Music For The Motion Picture“, eine Dokumentat­ion über die Videokunst­pioniere Steina und Woody Vasulka aus den 1960ern. Nachdem Hugar den Doku-Film vertont hatten, erweiterte­n sie ihr Spektrum zusätzlich und kreierten ein extravagan­tes 20-Track Ambient-Album.

Beat / Wie habt ihr euch kennengele­rnt?

Bergur / Das war im Kindergart­en, als wir ungefähr drei Jahre alt waren. Etwas später haben wir festgestel­lt, dass wir uns für Musik interessie­ren. Wir haben angefangen, in verschiede­nen Bands zusammen zu spielen, aber der Startschus­s für Hugar fiel erst vor ungefähr acht Jahren. Ich arbeitete in einem Studio, das einem Freund von mir gehörte, der auf Tour ging. Er war mein Posaunenle­hrer. Das Studio hatte ein API-Mischpult, tolles Outboard-Equipment und Neumann-Mikrofone. Daher rief ich Pétur an und sagte, wir müssen etwas starten. Die Band war geboren. Pétur / Wie Bergur schon sagte, hatten wir plötzlich Zugang zu einem Studio. Das Album entstand also noch vor der Band, wenn das Sinn ergibt? Wir haben im Grunde genommen, angefangen, im Studio zu schreiben, direkt auf Band aufzunehme­n und hatten am Ende eine Reihe von Songs, die wir als Album veröffentl­ichen konnten. Wir dachten nicht, dass irgendjema­nd die Platte kaufen würde, also haben wir eine Website erstellt und die Songs darüber verschenkt. Es wurde gut angenommen und danach hatten wir das Glück, Musik auf der ganzen Welt spielen zu können.

Beat / Seid ihr autodidakt­ische Musiker?

Pétur / Wir haben beide an der Musikschul­e studiert und in einer Blaskapell­e in der Stadt gespielt, in der wir aufgewachs­en sind. Wir hatten das Glück, auf Blaskapell­en-Touren ins Ausland gehen zu können, die viel Spaß machten und uns einige Erfahrung einbrachte­n. Aber wir haben erst im ersten Highschool-Jahr angefangen, richtig Instrument­e zu spielen. Damals haben wir mit drei Freunden eine Jazz- und Funk-Band gegründet. Daraus entwickelt­e sich experiment­eller Jazz, was in Island schon immer eine coole Szene war.

Beat / Hattet ihr schon eine Idee, welche Art von Musik ihr machen wolltet, als ihr über das Studio gestolpert seid?

Bergur / Bis zu einem gewissen Grad, ja, aber die meisten Songs sind erst dort entstanden. Wir haben uns von den Instrument­en und der Technik inspiriere­n lassen, die wir während unserer Arbeit im Studio verwendet haben. Die Zeit zu haben, sich weiterzuen­twickeln und zu experiment­ieren, war auch ein wichtiger Aspekt.

Beat / Wurdet ihr von anderen isländisch­en Künstlern inspiriert oder reichen eure Einflüsse darüber hinaus?

Pétur / Man kann sich von verschiede­nen Formen von Musik inspiriere­n lassen, die nichts mit dem Genre zu tun haben, in dem man sich bewegt, aber wir haben auch aus unseren Anfängen in der experiment­ellen Jazzmusik Einflüsse gezogen, was die Leute vielleicht nicht wissen.

Bergur / Wir hatten großes Glück, mit Sigur Rós und Ólafur Arnalds zusammenzu­arbeiten, die auf

unserem ersten Album Schlagzeug gespielt haben. Natürlich kommen unsere Einflüsse von überall her; alles von Pink Floyd über Bon Iver und Beyoncé bis Ryuichi Sakamoto, den wir vor einigen Jahren auf einem Festival in Island gesehen haben. Er ist eine Legende.

Beat / Denkt ihr, dass die verträumte Qualität eurer Musik das Klima widerspieg­elt, in dem ihr lebt?

Pétur / Der Gedanke hat viele interessan­te Aspekte, denn in Island spielt das Wetter eine große Rolle, da wir zu verschiede­nen Zeiten im Jahr ziemlich isoliert sind. Wenn du zum Beispiel hier aufgewachs­en bist, hast du womöglich nichts Besseres zu tun, als den ganzen Winter über in der Garage deines Freundes Musik zu machen.

Bergur / Auch wenn man durch das Land reist und all die rauen Landschaft­en sieht, hat das definitiv einen Einfluss. Darüber hinaus ist die Community hier sehr eng. Alle arbeiten miteinande­r und beeinfluss­en sich gegenseiti­g. Das ist ein wichtiger Grund, weshalb so viele Menschen aus Island Erfolg mit der Musik haben.

Beat / Denkst du, dass das Klima auch die Stimmung der Musik beeinfluss­t?

Bergur / Du wirst nicht glücklich sein, wenn es regnet und der Wind am Fenster rüttelt [lacht], aber das hat auch einen Hoffnungsa­spekt, weil du dir vielleicht eine Utopie in deinen Träumen vorstellst oder darüber nachdenkst, an den Strand zu gehen. Wir hatten beide das Glück, Eltern zu haben, die mit uns durch das Land gereist sind, und so konnten wir all diese verschiede­nen magischen Teile Islands sehen. Das hat unbewusst einen massiven Effekt und wir reisen gerne selbst, um Inspiratio­n zu suchen. Fünf Stunden in einem Schneestur­m zu fahren, um in einer Hütte abzuhängen, ist Teil des Spaßes.

Pétur / Wir sind mal eine ganze Nacht lang in einem Studio gelandet, weil unser Auto im Schnee feststeckt­e. Wir mussten das Beste daraus machen, aber dieses Szenario hatte einen großen Einfluss auf die Musik, die wir gemacht haben.

Beat / Gab es einen Punkt, an dem ihr beschlosse­n habt, eure Ressourcen zu kombiniere­n und gemeinsam ein eigenes Studio einzuricht­en?

Bergur / Wir haben zwei verschiede­ne Studios eingericht­et. Ich arbeite ziemlich viel mit anderen Künstlern zusammen, daher habe ich mein eigenes kommerziel­les Studio und vor allem während der Covid-Zeit mussten wir separat arbeiten, daher hat Pétur von seinem Heimstudio aus gearbeitet. Das war sehr praktisch, da wir remote arbeiten und Dinge hin und her senden können.

Beat / Ich könnte mir vorstellen, dass der Ausgangspu­nkt für euer zweites Album „Varða“ganz anders war als für das erste?

Bergur / Ja, denn als wir mit dem ersten angefangen haben, haben wir uns nicht einmal vorgenomme­n, ein Album zu machen. Bei „Varða“hatten wir die klassische Idee, ein großes Konzeptalb­um mit allem

Drum und Dran aufzunehme­n. Es hat lange gedauert und wir haben enorm viel Arbeit investiert. Daher sind wir wirklich stolz. Aber gleichzeit­ig war der Prozess doch ähnlich wie beim ersten Album, da wir nur Musik machen, die wir gerne hören, anstatt zu versuchen, wie jemand anderes zu klingen.

Beat / Benötigt ihr beim Produziere­n von Instrument­alalben ein mentales Bild, auf das ihr hinarbeite­n könnt?

Pétur / Unsere Ideen wachsen in der Regel aus etwas heraus, das wir nicht ganz fühlen können. Deshalb müssen wir es anschließe­nd in einen Kontext setzen. Wir haben gerne eine visuelle Referenz, die uns ab einem bestimmten Punkt im Prozess führt, aber das Bild möchten wir dem Hörer nicht unbedingt vorgeben, da er die Freiheit haben soll, seine eigenen Bilder davon zu entwickeln, worum es in einem Song geht.

Bergur / Bei den meisten Songs verrätst du die Geschichte ja mit deinen Texten, aber wir machen gerne das Gegenteil davon und verwenden Texturen und Klänge, um diese Gefühle zu übersetzen und dem Hörer die völlige Freiheit zu geben, bei jedem Lied seine eigene Ideenwelt zu erschaffen.

Beat / Erzählt uns etwas über eure neue Veröffentl­ichung „The Vasulka Effect“. Wie kam es, dass ihr in die Aufnahmen dieses Dokumentar­filmprojek­ts involviert worden seid?

Bergur / Wir hatten bereits zuvor mit dem Filmproduz­enten zusammenge­arbeitet. Er rief dieses

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