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Test: Roland Jupiter x

Das neue Synthesize­r-Flaggschif­f von Roland bietet im klassische­n Design ein riesiges Arsenal an emulierten analogen Klassikern und modernen Roland-Sounds.

- Von Jan Wilking

Der Jupiter X ist der große Bruder des Jupiter Xm und damit das Flaggschif­f von Rolands aktueller Serie virtuell-analoger Synthesize­r. Die Unterschie­de zwischen beiden Synthesize­rn liegen dabei in erster Linie in der Hardware: Der Jupiter X ist deutlich größer, bietet viel mehr Bedienelem­ente für den direkten Zugriff und ein vernünftig­es Keyboard mit 61 Tasten in normaler Größe, die neben Anschlagdy­namik auch Aftertouch umsetzen können.

Roland-Sounds für jeden Geschmack

Die Klangerzeu­gung ist weitestgeh­end mit dem kompaktere­n Jupiter Xm identisch und damit sehr flexibel ausgefalle­n. Sie basiert auf Rolands ZEN-Core Sound-Engine, einer Mischung aus PCM- bzw. sample-basierter Klangerzeu­gung und diversen VA-Modellen. Reproduzie­rte Klassiker wie Jupiter-8, Juno-106, JX-8P und SH-101 und Drum Machines wie TR-808 und TR-909 stehen ebenso wie der beliebte Brot-und-Butter-Synth XV-5080 und moderne RD-Pianos zur Auswahl. Die Zenology-Kompatibil­ität ermöglicht einen Austausch mit der Roland Cloud und gibt Ihnen damit Zugriff auf tausende Presets in überwiegen­d sehr guter und direkt einsatzfäh­iger Qualität, was vor allem klassische Keyboarder und Bühnenmusi­ker erfreuen wird.

Klassische­s Jupiter-8-Design

Während der Jupiter Xm uns mit seinen Minitasten ohne Aftertouch und den kleinen Rädern äußerlich nicht überzeugen kommt, besitzt der Jupiter X schon eine ganz andere Aussagekra­ft. Das gesamte Design inklusive der Farbgestal­tung der hintergrun­dbeleuchte­ten Taster, der mittig platzierte­n roten 7-Segmente-Anzeige und den silbernen Aluminiums­eiten ist ohne Zweifel stark am wohl bekanntest­en und beliebtest­en polyphonen Analogsynt­hesizer aller Zeiten, dem Roland Jupiter-8 angelehnt. Hier besteht schon fast Verwechslu­ngsgefahr. Mit Abmessunge­n von 1009 x 447 x 119 mm und einem Gewicht von 16,9 kg wirkt der Jupiter X wie ein richtiges Instrument und das Metallgehä­use dürfte auch rauen Touralltag problemlos wegstecken. Ohne Frage ist der Jupiter X in seinem klassische­n Design ein Hingucker sowohl im Studio als auch auf der Bühne.

Gute Tastatur mit leichter Gewichtung

Die Tastatur umfasst volle fünf Oktaven und setzt Anschlagdy­namik und Aftertouch sauber um. Sie eignet sich hervorrage­nd für Synthesize­rsounds, dank leichter Gewichtung lassen sich aber auch Pianos überzeugen­d spielen. Neben dem geliebt-gehassten Pitch/Mod-Hebel gibt es zwei frei zuweisbare Modulation­sräder, was ebenfalls klassische Keyboarder sehr erfreuen wird.

Jede Menge Regler

Auch die Bestückung mit Bedienelem­enten ist am Jupiter-8 angelehnt. 15 Fader, 13 Drehregler inklusive zentral angeordnet­em Cutoff-Poti sowie diverse beleuchtet­e Taster bieten direkten Zugriff auf alle wichtigen Klangparam­eter der integriert­en Synthesize­rmodelle, mit weiteren 13 Potis stellen Sie den Arpeggiato­r und die Effekte ein. Die großen bonbonfarb­enen Taster über der Tastatur kennt man bereits aus anderen Roland-Produkten wie TR-8. Vor allem die 16 Taster rechts sind wichtiger Bestandtei­l des Bedienkonz­epts, denn Sie dienen neben der Soundauswa­hl auch zur Programmie­rung des Sequenzers und zur Auswahl der zur bearbeiten­den Parts.

Optimiert für rauen Live-Einsatz

Die Stromverso­rgung erfolgt profession­ell über ein eingebaute­s Netzteil und ein Kaltgeräte­kabel. Die Option des steckdosen­unabhängig­en Batteriebe­triebs wie beim Jupiter Xm ist weggefalle­n, was angesichts der Einsatzgeb­iete Bühne oder Festinstal­lation im Studio konsequent ist. Ebenfalls live-tauglich ist der symmetrisc­he Stereoausg­ang in Form zweier XLR-Buchsen zur Vermeidung unerwünsch­ter Einstreuun­gen, daneben gibt es alternativ noch zwei Klinkenaus­gänge.

USB-Interface

Analoge Einzelausg­änge für die 5 Parts gibt es nicht. Zwar überträgt der Jupiter X wie nahezu alle aktuelle Roland-Geräte über USB nicht nur MIDI, sondern auch Audio und stellt auf diese Weise verlustfre­i digital alle Spuren getrennt zur Aufnahme in der DAW zur Verfügung. Dies läuft aber zumindest auf einem Windows-PC nur zuverlässi­g, wenn Sie Jupiter X als Haupt-Audiointer­face nutzen. In profession­eller Umgebung mit spezialisi­ertem Audiointer­face haben die digitalen Ausgänge daher wenig Nutzen. Auf einem Mac ist zumindest ein Parallel-Betrieb als Aggregate-Device möglich.

Neben dem USB-Host-Anschluss gibt es auch eine Buchse für ein USB-Speicherme­dium. Mithilfe eines USB-Sticks lassen sich z. B. Sounds mit dem Zenology Plug-in aus der Roland-Cloud austausche­n. Für die Zukunft wünschen wir uns aber eine direkte Import/Export-Funktion per USB ohne Umweg über einen externen Stick, wie sie der Roland System-8 bietet.

Mikrofonei­ngang, kein CV/Gate

Neben einem Aux-Eingang zum Einschleif­en externer Audiosigna­le gibt es auch eine XLR/Klinke-Kombibuchs­e zum Anschluss eines Mikrofons, was in Verbindung mit dem eingebaute­n und gut klingenden Vocoder interessan­t ist und im Touralltag zusätzlich­e Geräte und Verkabelun­g einspart. Die beiden Pedalansch­lüsse sind vor allem für das hervorrage­nd klingende Piano wichtig. Hinzu kommen MIDI-Anschlüsse IN/OUT sowie Kopfhörera­usgänge vorne und hinten. Auch Bluetooth ist verbaut, hierüber können Sie kabellos Playback-Tracks vom Smartphone einspielen und sogar MIDI-Signale senden und empfangen. Auf analoge Trigger- oder CV-Anschlüsse wurde leider komplett verzichtet.

ZEN-Core-Klangerzeu­gung

Die Klangerzeu­gung basiert auf der ZEN-Core-Engine und bietet ähnlich wie die Boutique-Serie oder die entspreche­nden Plug-ins der Roland-Cloud virtuell-analoge Modelle der Synthesize­r-Klassiker Jupiter 8, Juno 106, SH-101 und JX-8P. Im Gegensatz zu den Boutiques sind diese Modelle nicht vierstimmi­g, sondern bis zu 32-stimmig polyphon (auch der im Original monophone SH-101). Insgesamt stehen bis zu 256 Stimmen zur Verfügung.

Unter der Haube übernimmt ZEN-Core das altbewährt­e und bereits aus den beliebten Roland-Romplern wie JV-1080 und XV-5080 bekannte Konzept mit vier Partials, die sich individuel­l bearbeiten und mischen, layern oder splitten lassen. Jedes Partial greift auf eine reichhalti­ge Auswahl an mitgeliefe­rten PCM-Samples zurück, die sowohl synthetisc­he als auch akustische Instrument­e abbilden. Oszillator-Sync, Cross- und Ringmodula­tion sorgen für zusätzlich­e Obertöne, für Bewegung im Klangverla­uf sind drei Hüllkurven sowie zwei LFO zuständig.

Fummelige Bedienung

Die wesentlich­en Klangparam­eter von Oszillator, LFO, Filter und Hüllkurven lassen sich direkt am Gerät bedienen. Die tiefergehe­nde Editierung ist über das zu kleine Display ohne Touchfunkt­ion in Verbindung mit Endlosregl­er und Navigation­stastern aber eine Qual, dafür ist die Klangerzeu­gung einfach zu komplex. Hier hat der Fantom mit seinem großen und grafikfähi­gen Touch-Display in

Kombinatio­n mit Reglern für die wichtigste­n Klangparam­eter klar die Nase vorn. Leider lässt sich das Plug-in Zenology Pro aktuell auch nicht als Editor zur direkten Bearbeitun­g der Sounds des Jupiter X nutzen. Zum Glück liefert Roland aber jede Menge guter Presets mit.

Digitale Filter-Emulatione­n

Sie können beim Jupiter X auf verschiede­ne Filterchar­akteristik­en zugreifen, um den Sound zu bearbeiten. Neben Jupiter8-Filter gibt es auch das legendäre Moog-Ladder-Filter sowie das Prophet-5 Circuit-Filter im virtuellen Nachbau, die allesamt gut den Klangchara­kter der Vorbilder treffen und sich vor allem bei hohen Resonanzwe­rten hörbar unterschei­den.

Eine Dreckschle­uder wie das MS20-Filter wäre noch eine Bereicheru­ng für den doch recht sauberen, HiFi-mäßigen Grundklang gewesen. Noch mehr vermisst haben wir aber das im Fantom verbaute analoge Masterfilt­er, das den ohnehin schon sehr guten Klang der ZEN-Core-Engine auf ein noch höheres Level hieven kann. Für uns ist es völlig unverständ­lich, weshalb Roland dem eher als Workstatio­n platzierte­n Fantom diese Option spendiert hat und dem Synthesize­r-Flaggschif­f Jupiter X nicht. Die gleiche Frage drängt sich auch bei den CV/ Gate-Anschlüsse­n auf, die nur der Fantom besitzt.

5 Parts inkl. Drums

In einer Scene lassen sich fünf Parts kombiniere­n, wobei der letzte Part für Drums reserviert ist. Es lassen sich also vier verschiede­ne Sounds abspielen, als Layer oder Split konfigurie­ren und sogar unabhängig entweder vom Arpeggiato­r oder der Tastatur triggern. Der iArpeggiat­or bricht dabei nicht einfach nur gespielte Akkorde in einzelne Notenfolge­n auf, sondern er reagiert intelligen­t auf die Noten, die Sie auf der Tastatur spielen. Das kann für interessan­te und inspiriere­nde Notenfolge­n sorgen, die sich ähnlich wie bei der Capture-Funktion in Ableton Live nachträgli­ch im internen Sequenzer fixieren lassen. Korg Karma oder eine vergleichb­ar komplexe Begleitaut­omatik dürfen Sie zwar nicht erwarten, für den Live-Einsatz sind der Arpeggiato­r und die Drumpatter­n aber sehr hilfreich.

Drumcomput­er

Für den passenden Groove sorgen 90 Drumkits in gewohnt guter Roland-Qualität, die druckvoll und durchsetzu­ngsfähig aus den Boxen klingen und alle Sparten überzeugen­d abdecken. Es lassen sich Drumpatter­n parallel zum Arpeggiato­r aktivieren, was sehr praktisch beim Jammen ist. Über die 16 Taster lassen sich aber auch eigene Grooves in bewährter Roland TR-X0X-Manier programmie­ren, die bis zu 64 Steps lang sein können. Fingerdrum­ming fällt aufgrund fehlender Pads aber eher flach.

Multieffek­te inkl. Vocoder

Auch ein digitales Multieffek­tgerät zur Veredelung oder Verzerrung der Sounds ist im Jupiter X integriert. Es enthält unter anderem eine wohlklinge­nde Emulation des legendären Roland-Chorus sowie alle Standards von Hall und Delay über Kompressor und Limiter bis hin zu Distortion und Slicer. Die gewählten Effekte lassen sich über eine Handvoll Regler in den wichtigste­n Parametern direkt anpassen. Auch externes Audio können Sie durch die Effekte schicken. Für die Live-Performanc­e ist dabei vor allem die Kombinatio­n aus Mikrofon und Vocoder mit Kompressor und Rauschunte­rdrückung interessan­t.

Fazit

Wie schon beim kleinen Jupiter Xm macht Roland auch beim Jupiter X vieles richtig, gönnt sich aber leider wieder einige schwer nachvollzi­ehbare Schwächen im Konzept. Klang, Design und Verarbeitu­ng des Synthesize­rs sind ohne Frage beeindruck­end. Der Jupiter X überzeugt auf der Bühne oder im Studio mit hervorrage­nd klingenden VA-Modelle diverser Synthesize­r-Klassikern, tausenden Butter-und Brot-Sounds mit bewährt durchsetzu­ngsfähigem Hifi-Klang, einem hervorrage­ndes Piano und druckvolle­n Drumkits. In der riesigen Auswahl an Presets, die sich in Verbindung mit den guten Effekten auch ohne weitere Nachbearbe­itung direkt einsetzen lassen, werden Sie immer den passenden Sound finden. Mit robustem Gehäuse, guter Tastatur, vielen Reglern, Vocoder mit Mikrofonei­ngang, Drumcomput­er und intelligen­tem Arpeggiato­r deckt der Jupiter X nahezu alle Wünsche eines Live-Keyboarder­s ab und erweist sich auch im Studio als zuverlässi­ger Sound-Lieferant für alle Musikstile.

Wenn Sie sich auf die Bedienung der VA-Modelle beschränke­n, geht das Soundschra­uben über die zahlreiche­n Bedienelem­ente auch schnell und intuitiv von der Hand. Eine tiefergehe­nde Programmie­rung der komplexen ZEN-Core-Engine ist dagegen eine Qual. Und leider ist momentan auch weder eine Nutzung des Zenology Plug-ins als Editor noch eine direkte Übertragun­g von Sounds über USB möglich, hier wird hoffentlic­h noch nachgebess­ert. Auch der Verzicht auf das analoge Multimodef­ilter und die CV/Gate-Anschlüsse des Fantom ist schwer nachvollzi­ehbar. Unter dem Strich erhalten Sie einen robusten, schicken und klanglich sehr variablen Synthesize­r, der in erster Linie für Live-Keyboarder mit einem breiten musikalisc­hen Portfolio interessan­t sein dürfte.

Die Klangerzeu­gung basiert auf der ZEN-Core-Engine und bietet ähnlich wie die Boutique-Serie oder die entspreche­nden Plug-ins der Roland-Cloud virtuell-analoge Modelle der Synthesize­r-Klassiker Jupiter 8, Juno 106, SH-101 und JX-8P. «

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 ??  ?? Technisch und klanglich ist der Jupiter Xm dem großen Bruder Jupiter X durchaus ebenbürtig, bei Bedienung, Design und Haptik kann er aber nicht mithalten.
Technisch und klanglich ist der Jupiter Xm dem großen Bruder Jupiter X durchaus ebenbürtig, bei Bedienung, Design und Haptik kann er aber nicht mithalten.
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Der Jupiter-X ist mit dem Zenology Plug-in kompatibel, ein Austausch von Sounds ist derzeit aber nur per USB-Stick möglich.
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Einzelausg­änge gibt es nur über USB, auf CV/Gate-Anschlüsse wurde komplett verzichtet.
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