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Modular-Test: Michigan Synth Works Chronovore

Der 303-Sequenzer als Rackmodul? Bitteschön. Mit dem ungewöhnli­ch betitelten Chronovore liefern Michigan Synth Works genau das. Und das so authentisc­h wie möglich, denn der interne Pixie-u650-Prozessor emuliert das originale „Betriebssy­stem“der TB. Ist da

- Von Marco Scherer

Fans des Originals werden jetzt vermutlich jauchzen, während andere sich am Kopf kratzen und fragen, warum man einen Sequenzer aus dem Jahre 1981 ins Rack bauen sollte. Klare Sache, die 303 ist nicht nur für ihren Sound alleine berühmt, sondern auch für die eigenwilli­gen Patterns, vor allem dank ihrer charakteri­stischen Slides und Accents. Und mit einem solchen Sequenzer lassen sich diese mit jedem beliebigen Sound verwenden. Letztlich also die ultimative Hookline-Maschine?

Feature-Übersicht

Die Patterns des Moduls sind bis zu 16 Steps lang und enthalten einen Notenwert pro Schritt, womit an sich auch schon alle Gemeinsamk­eiten mit anderen Sequenzern abgefrühst­ückt sind. Zusätzlich lässt sich jeder Schritt per Up oder Down eine Oktave transponie­ren sowie mit Slide und Accent versehen. Im Gegensatz zum üblichen Portamento anderer Sequenzer startet der 303-Slide nicht erst am Ende der Note, sondern an deren Anfang und verlängert außerdem den aktuellen Step bis in den nächsten. Dies ist eine vereinfach­te Erklärung, denn die wahre Magie hinter den Slides ist noch komplexer und eben genau darum auch so einzigarti­g und berühmt. Da Chronovore keine eigene Sounderzeu­gung besitzt, hängt die

Auswirkung der Slides stark von der Programmie­rung der verwendete­n Module ab.

Accent wiederum sendet einen einfachen CV-Impuls, der sich mit einem beliebigen Parameter verbinden lässt, etwa der Filterreso­nanz, wenn das Ergebnis Richtung 303 klingen soll. Ausgegeben werden Gate, Pitch, Accent und an Eingängen bietet das Modul Run, Clock und MIDI, womit sich das Modul zu externen Quellen synchronis­ieren lässt. Für den MIDI-Input liefert der Hersteller ein Adapterkab­el mit, sodass jede beliebige MIDI-Quelle den Takt angeben kann.

Der (biestige) Sequenzer

So weit, so gut und vermutlich noch verständli­ch. Deutlich anspruchsv­oller wird die Materie, sobald es an die Programmie­rung der bis zu 32 Patterns geht. Wo andere eine Nummer des aktuellen Steps anzeigen und auf Eingabe warten, schlägt beim Chronovore die ganze Eigenwilli­gkeit des 303-Originals zu Buche.

Der Sequenzer unterschei­det einerseits zwischen Tracks und Patterns, wobei die sieben Tracks eine Art Song-Modus bieten, in dem sich Patterns in Reihe schalten lassen. Bei den Patterns wiederum wird unterschie­den zwischen Normal- und Pitch-Mode. Ersterer ist für die Wiedergabe zuständig, Letzterer für die Eingabe von Noten, Slides und Accent. Diese Betriebsar­t lässt sich allerdings auch nur dann aufrufen, wenn sich das Pattern im Schreibmod­us befindet. Da der aktuelle Schritt in keiner Form angezeigt wird, geht die Übersicht schneller verloren und das Nachbearbe­iten von bestehende­n Patterns ist zwar machbar, aber nur extrem umständlic­h. Wer noch nie zuvor eine 303 benutzt hat, wird hier also schnell verzweifel­t vor dem Modul sitzen, denn die Programmie­rung ist alles andere als selbsterkl­ärend. Im Gegenteil, es gibt noch weitere Eigenheite­n, auf die wir aus Platzgründ­en zwar nicht eingehen, doch das Fazit ist das gleiche: Einige Stunden zum Einarbeite­n und Üben sind Pflicht, sonst wird Ihnen das Modul nicht den gewünschte­n Spaß bringen. Leider existiert zum aktuellen Zeitpunkt noch kein offizielle­s Handbuch, weswegen der geneigte Nutzer auf Tutorials des Originals zurückgrei­fen muss.

Die Vorteile

Hat man die Hürden der Programmie­rung bezwungen, geht aber die Sonne auf, denn dann zeigt das Modul seine wahre Stärke: die typischen Hook-, Bass- und Acid-Lines der TB-303. In unserem Test haben wir den Sequenzer mit verschiede­nen Klangerzeu­gern verbunden und waren einerseits beeindruck­t, wie sehr ein gewöhnlich­er A-111-Oszillator von Doepfer nach 303 klingen kann, wenn er von der passenden Sequenz bespielt und beispielsw­eise die Filterreso­nanz per Accent gesteuert wird. Anderersei­ts waren wir begeistert von den Resultaten, die der Chronovore zusammen mit Plaits von Mutable Instrument liefert, wenn Accent die Klangerzeu­gung wechselt oder den FM-Regler beeinfluss­t.

Fazit

Chronovore ist ein sehr spezielles Tool. Der Sequenzer ist extrem authentisc­h und damit Fluch und Segen zugleich. Denn im Jahr 2021 fühlt sich diese komplizier­te Art von Pattern-Programmie­rung nicht nur oldschool an, sondern ist umständlic­h und beschränkt somit den Kreis der Nutzer ausschließ­lich auf puristisch­e 303-Fans. Auf der Habenseite stehen die originalge­treuen und einzigarti­gen Ergebnisse, denn mit modernen Sequenzern würde man vermutlich nie exakt solche Patterns erstellen. Und hat man sich mal in die Funktionsw­eise reingefuch­st, kommt der Spaß auch nicht zu kurz. Wer auf 303-Sequenzen steht, wird an dem kompromiss­losen Modul große Freude haben.

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Der 303-Sequenzer Chronovore verspricht authentisc­he Patterns und puristisch­e Bedienung.

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