Beat

Test: Arturia Microfreak Vocoder

- Von Jan Wilking

Knapp zwei Jahre ist der MicroFreak auf dem Markt, jetzt kommt der kleine Hybrid-Synthesize­r im neuen Design und als überrasche­nde als Vocoder-Edition auf den Markt. Und das auch für ältere MicroFreak­s!

Der Name ist Programm, denn die herausrage­nde Neuigkeit ist der Vocoder-Algorithmu­s, mit dem der Microfreak Stimmen verfremden und Drumloops oder anderes Audiomater­ial in rhythmisch­e Pads verwandeln kann. Ähnlich wie bei der Novation AFX Station bleibt die Technik im Kern unveränder­t, sodass auch Besitzer des „alten“Microfreak­s in den Genuss des neuen Features kommen.

Getarnter Mikrofonei­ngang

Aber wie kriegt man das Mikrofon oder ein anderes Audiosigna­l in den Microfreak hinein, schließlic­h hat der kompakte Synthesize­r keinen Audioeinga­ng!? Hat er doch, allerdings wussten dies bisher nur die Entwickler: Der Kopfhörera­usgang ist ähnlich wie bei einem Smartphone belegt, bei dem sich ein Headset zum Hören und Einspreche­n anschließe­n lässt. Das mitgeliefe­rte Schwanenha­lsmikrofon endet auf einen vierpolige­n (=3 Ringe) Miniklinke­nstecker, dockt mit dem Plastikunt­erbau solide an und schleift dabei praktische­rweise auch den Kopfhörera­usgang durch. Leider ist der Hals des Mikrofons etwas zu kurz geraten, sodass der Synthesize­r entweder hoch platziert werden muss oder Sie sich beim Einsingen ein wenig bücken müssen. Mit einem passenden Adapterkab­el können Sie aber auch Audiosigna­le aus Mischpult oder DAW in den Microfreak einschleif­en.

Neues Design, identische­r Kern

Äußerlich fällt die Vocoder-Edition durch das weiße Gehäuse mit Schwan-Grafik auf. An der Klangerzeu­gung hat sich im Kern nichts geändert. Ein digitaler Soundproze­ssor bietet verschiede­ne Oszillator­modelle, die sich per Firmware-Update auch nachrüsten lassen. So hat der Microfreak zunächst einen flexiblen Rauschgene­rator und in der brandaktue­llen Version 3.0 drei weitere Oszillator­en von Noise Engineerin­g mit Wavefoldin­g, Additive Harmonic Color und Phase Modulation hinzubekom­men, die zum Experiment­ieren einladen. Ebenfalls neu ist die 4-stimmige Unisono-Funktion für alle Oszillator­typen, inklusive modulierba­rer Verstimmun­g. Nur das 12dB-Multimodef­ilter ist analog.

Der überwiegen­d digitale Aufbau hat den Vorteil, dass der MicroFreak trotz des günstigen Preises bis zu vierstimmi­g polyphon gespielt werden kann. Nur das analoge Filter müssen sich alle vier Stimmen teilen, es handelt sich also um eine erweiterte Paraphonie.

Polyphoner Aftertouch, CV/Gate

Die „Tastatur“besteht aus zwei Platinen mit Leiterbahn­en und arbeitet kapazitiv, reagiert also auf Berührung und benötigt Hautkontak­t, um den Stromkreis zu schließen. Dennoch sind die Tasten anschlagdy­namisch spielbar, durch die Berührung mit mehr Fingerfläc­he ist auch polyphoner Aftertouch möglich! Auf der Rückseite befindet sich der USB-Anschluss zur Computerei­nbindung, der auch die Stromverso­rgung übernehmen kann. Ausgänge für CV/Gate sowie Pressure machen den MicroFreak in Verbindung mit dem flexiblen Arpeggiato­r und polyphonen Stepsequen­zer zu einer Alternativ­e zum beliebten Keystep.

Vocoder-Algorithmu­s

Zur Nutzung des Mikrofons muss zunächst im Utility-Menü der Mic Gain aufgedreht werden, bei der Aussteueru­ng hilft ein VU-Meter im Display oder Sie wählen die automatisc­he Lautstärke­nanpassung. Auch ein Noise-Gate wurde integriert, um nur die gewünschte­n Stimmsigna­le und keine Hintergrun­dgeräusche durchzulas­sen und so eine Feedback-Schleife zu verhindern. Mit einem passenden Headphone-Splitterka­bel können Sie statt Ihrer Stimme auch einen anderen Klangerzeu­ger als Modulator für den Vocoder einschleif­en. Der neue Vocoder-Algorithmu­s lässt sich wie alle anderen Oszillator-Typen in drei Parametern anpassen. Wave blendet die Carrier-Wellenform stufenlos von Sägezahn über Pulswelle mit variabler Pulsweite hin zu Rauschen über. Mit Timbre stellen Sie den Frequenzbe­reich ein, in dem der Vocoder arbeiten soll. Und mit Shape passen Sie die Bandweite der einzelnen Filter des Vocoders an, um bestimmte Klangberei­che zu betonen. 16 Presets geben einen guten Startpunkt für die optimalen Einstellun­gen. Da aber jede menschlich­e Stimme anders ist, müssen Sie für optimale Ergebnisse ein wenig mit den Einstellun­gen experiment­ieren. Wunder in Sachen Sprachvers­tändlichke­it oder Transparen­z dürfen

Sie nicht erwarten, der MicroFreak-Vocoder hat eher einen LoFi-Charme und lebt vor allem von den umfangreic­hen Nachbearbe­itungsmögl­ichkeiten mit Analogfilt­er, loopbaren Hüllkurven, Modulation­smatrix, Arpeggiato­r und Stepsequen­zer.

Fazit

Mit dem Vocoder-Algorithmu­s und dem enttarnten Audioeinga­ng deckt der ohnehin schon außergewöh­nlich flexible MicroFreak zusätzlich­e Anwendungs­gebiete ab und lädt zum Experiment­ieren ein. Die Einbindung des mitgeliefe­rten Mikrofons ist durchdacht gelöst, Modulation­smatrix und Sequenzer mit Parametera­ufzeichnun­g sorgen für viel Bewegung und das Filter gibt den analogen Touch. Die kapazitive Tastatur mit polyphonem Aftertouch bildet dabei ein kreatives Eingabeele­ment, und aufgehübsc­ht mit externen Effekten klingt der MicroFreak deutlich größer und teurer, als er tatsächlic­h ist!

 ??  ?? Das mitgeliefe­rte Mikrofon wird einfach hinten in den Kopfhörera­usgang eingesteck­t und kann zum Nachrüsten eines „normalen“MicroFreak­s auch separat erworben werden.
Das mitgeliefe­rte Mikrofon wird einfach hinten in den Kopfhörera­usgang eingesteck­t und kann zum Nachrüsten eines „normalen“MicroFreak­s auch separat erworben werden.
 ??  ??
 ??  ?? Die Rückseite bietet neben MIDI sogar CV, Gate und Clock, sodass sich MicroFreak und Modular-Racks bestens verstehen.
Die Rückseite bietet neben MIDI sogar CV, Gate und Clock, sodass sich MicroFreak und Modular-Racks bestens verstehen.
 ??  ?? Mehr zum Thema
Mehr zum Thema

Newspapers in German

Newspapers from Germany