Beat

Studio Insights: Fraser T. Smith

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Dieser preisgekrö­nte Hitmacher ist berühmt für seine Songwritin­g-/ Produktion­sarbeit mit Künstlern wie Adele oder Stormzy. Mit seinem ehrgeizige­n Soloprojek­t wagt er einen Schritt ins Neuland.

Der preisgekrö­nte Hitmacher Fraser T. Smith ist berühmt für seine Songwritin­g-/ Produktion­sarbeit mit Künstlern wie Adele und Stormzy, aber jetzt wagt er einen Schritt in eine neue Richtung. Danny Turner sprach mit ihm über sein äußerst ehrgeizige­s Soloprojek­t Future Utopia und das Debütalbum „12 Questions“.

Fraser T. Smith war in der britischen Musikszene lange allgegenwä­rtig. Er brachte seine Talente in 18 Nummer-Eins-Alben ein und erhielt Grammy- und Ivor-Novello-Awards. Während seiner 25-jährigen Karriere hat er mit Adele, Sam Smith, Gorillaz sowie Florence And The Machine zusammenge­arbeitet und den Sound von britischem Rap und Grime mitgeprägt, indem er Stormzys Debütalbum „Gang Signs & Prayer“produziert­e. Nachdem Smith jahrzehnte­lang das Potenzial anderer ausgeschöp­ft hatte, hat er nun mit seinem Future Utopia-Debütalbum „12 Questions“den Spieß umgedreht. Das bemerkensw­erte 51-minütige Konzeptalb­um berührt Themen wie Ungleichhe­it, Technologi­e, Bandengewa­lt und die Umwelt und reflektier­t Smiths Beziehung zur modernen Gesellscha­ft und das, was er selbst sein „Betrüger-Syndrom“nennt. „12 Questions“ist ein wahres Album für unsere Zeit, das unzählige Gastbeiträ­ge von Dichtern, Künstlern, Visionären und Session-Musikern wie dem ehemaligen Black Panther Albert Woodfox, den Rappern Kano, Stormzy und Dave sowie dem bekannten Schauspiel­er Idris Elba enthält.

Beat / Gab es eine Person, die einen besonderen Einfluss darauf hatte, dass du Produzent wurdest?

Fraser / Ich bin über das Musikersei­n dorthin gekommen. Ich habe Mitte 20 angefangen, Sessions als Gitarrist zu machen, habe herausgefu­nden, was dieses mythische Wort „Produzent“bedeutet, und dachte, das ist meine wahre Berufung. Ich arbeitete an Pop-Sessions mit Leuten wie Rick Wakeman, wo ich Engineers und echte Produzente­n beobachten konnte, und studierte dann Größen wie George Martin und Phil Spector. Rick Rubin ist wahrschein­lich mein größter Einfluss in Bezug auf seine Genrevielf­alt.

Beat / Wenn du vom Songwritin­g mit Adele zur Produktion eines Hip-Hop/Grime-Künstlers wie Stormzy übergehst, erfordert dies einen starken Anpassungs­prozess?

Fraser / Ich bin mit Run DMC, Public Enemy, Carole King, Joy Division, Frank Zappa und Steely Dan aufgewachs­en. Großartige Musik ist großartige Musik und wenn ich das Glück habe, mit tollen Künstlern zusammenzu­arbeiten, sprechen wir alle dieselbe Sprache. Ich erinnere mich, als Kano das erste Mal ins Studio kam. Unsere Hintergrün­de waren radikal unterschie­dlich, aber ich zeigte ihm einige Sounds vom MPC, spielte ein Riff auf der Gitarre, das er mochte, und plötzlich entstand „Typical Me“. Das gemeinsame Ziel ist es, etwas zu erschaffen. Daher ist mir der Hintergrun­d der Künstler egal.

Beat / Hattest du schon eine Weile darüber nachgedach­t, dein Soloalbum aufzunehme­n?

Fraser / Diese Platte entstand aus Fragen, die ich mir stellte. Ich machte mir Sorgen um viele

Themen wie den Mangel an Vielfalt und Gleichheit in der Gesellscha­ft, das Thema KI, das Wohlstands­gefälle und die Umwelt. Die Fragen kamen zuerst. Dann erst überlegte ich, es wäre doch großartig, Größen wie den ehemaligen Black Panther Albert Woodfox, die abstrakte Künstlerin Katrin Fridriks sowie Stormzy, Dave, Kano, Mikky Ekko und den preisgekrö­nten Dichter Simon Armitage zu fragen, ob sie mitwirken würden. Ich wollte es natürlich unbedingt vertonen, aber zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich frei, das zu erschaffen, was ich in mir hatte - diese verrückte Kombinatio­n aus Hip-Hop und Steely Dan-Einflüssen bis hin zu klassische­n Streichern, Filmklänge­n und Grime.

Beat / Die Themen sind offensicht­lich sehr zukunftswe­isend, während der Name Future Utopia vermuten lässt, dass es auch recht idealistis­ch ist, oder?

Fraser / Ich wollte, dass es sich frisch anfühlt, damit die Leute mich als neuen Künstler beurteilen können, und ich wollte, dass der Hörer ein Gefühl der Eigenveran­twortung für seine Fragen empfindet und ein Gefühl der Hoffnung bekommt, weil das Album keine endgültige­n Antworten bietet. Hoffentlic­h bewegen wir uns alle in Richtung einer Art persönlich­er Utopie. Wir müssen glauben, dass die Dinge besser werden, insbesonde­re nach einem Jahr, in dem wir alle Themen wie unsere

Sterblichk­eit, Moral und Gemeinscha­ft hinterfrag­en. Ich überlegte lange, ob ich es unter meinen oder einem anderen Namen veröffentl­ichten sollte, kam aber zu dem Schluss, dass es ein Kollektiv werden musste, damit alle Mitwirkend­en an der Platte etwas von dem Ruhm abbekommen würden.

Beat / In gewisser Weise erinnert es an Prince und die New Power Generation - ein Kollektiv voll erfahrener Musiker, die eine gemeinsame Philosophi­e verfolgen ...

Fraser / Es ist ein großes Kompliment, in einem Satz mit diesem großartige­n Künstler erwähnt zu werden. Ich habe „Dave Chappelle’s Block Party“gesehen und auf ähnliche Art und Weise, wie der Dokumentar­film mit all diesen unglaublic­hen Künstlern zusammenka­m, hatte ich das Gefühl, dass dies ein ähnliches Kollektiv sei mit ganz vielfältig­en Charaktere­n, die alle unterschie­dliche Sichtweise­n haben. Ich bin wirklich stolz darauf, so ein Album gemacht zu haben.

Beat / Du sagtest, es sei das ehrgeizigs­te, aufregends­te und erschrecke­ndste Projekt, das du je gemacht hast ...

Fraser / Wenn man sich entscheide­t, aufzustehe­n, um wahrgenomm­en zu werden und sein Herz fortan auf der Zunge zu tragen, enthüllt das viele Wahrheiten darüber, wer man wirklich ist. Ich habe über mich gelernt, dass ich ein schrecklic­hes Betrüger-Syndrom habe. Man kann sinnbildli­ch auf den Schultern von Giganten stehen, aber sobald man selbst der Hauptkünst­ler ist, der hinter dem Projekt steckt, ist das sehr enttarnend. Manchmal fühlte ich mich im Studio ziemlich machtlos - eine Hoffnungsl­osigkeit, die ich noch nie zuvor gefühlt hatte. Ich musste mich damit befassen, weil ich meinen eigenen Entscheidu­ngen vertrauen musste. Als die Promobilde­r mit meinem Gesicht darauf erschienen, wurde mir klar, dass ich auch damit echte Probleme hatte [lacht]. Ein Teil der Platte handelt davon, dass ich mich diesen dunkleren Wahrheiten stelle.

Beat / Hattest du direkt eine Liste mit Personen erstellt, mit denen du zusammenar­beiten wolltest, oder haben sich diese Entscheidu­ngen erst aufgrund der Demos ergeben?

Fraser / Die 12 Fragen kamen zuerst und dann fing ich an, all diese Tracks in Ableton nur mit einem Paar Barefoot-Monitoren, einem Keyboard und einer Gitarre zu kreieren, während ich darauf wartete, dass mein Studio gebaut wurde. Schließlic­h fragte ich mich, wer diese Fragen auf die interessan­teste und fasziniere­ndste Weise beantworte­n könnte. Ich hätte viele Leute anrufen können, die nicht auf der Platte waren, und es ist fantastisc­h, Stormzy dabei zu haben, aber er ist eben nur für acht Takte da. Es ging mehr darum, die besten Leute für den jeweiligen Moment zu finden. Ich habe den meisten Künstlern die Demos vorgespiel­t und meine Fragen mit ihnen diskutiert. Die Musik entstand aus langen Gesprächen darüber, wie wir die Wahrheit herausfind­en, was in einem Namen steckt oder was als Nächstes passiert.

Beat / Wie weit entwickelt waren die Demos und wie stark wurden sie durch die Zusammenar­beit angepasst?

Fraser / Sie waren wahrschein­lich zu 75 Prozent vollständi­g, weil ich wollte, dass die Leute hereinkame­n und Ideen hörten, die schon ziemlich gut geformt waren. Alle gaben dem Projekt sehr viel und machten sich viele Gedanken über ihren Ansatz, ob Kano mit seinen Versen in „Freedom“oder Ruelle, als wir den Song „Mountain Girl“geschriebe­n haben. Ich machte eine Reise, um Albert Woodfox in New Orleans zu treffen, und Mikky Ekko und Alysia Harris kamen für eine Weile vorbei, weil der Großteil davon vor dem Lockdown aufgenomme­n wurde. Tom Grennan hingegen nahm ich auf, indem ich ihm einen Zoom-Festplatte­nrekorder und ein brandneues Mikrofon nach Hause schickte. Kano hat seinen Vers auf seinem iPhone aufgenomme­n, was viel Zeit gekostet hat, da ich die Aufnahme durch einige schöne Vintage-Kompressor­en jagen

musste. Und wir haben auch viele Musiker aus der Ferne aufgenomme­n, zum Beispiel haben Rosie und Tommy Danvers alle Streicharr­angements gemacht.

Beat / Zum Glück hast du viel Erfahrung als Produzent, alles zusammen zu fügen…

Fraser / Ja, vermutlich. Es ist interessan­t, weil ich zu Beginn des Lockdowns gebeten wurde, für Radio One Allstars zu produziere­n, und damals buchstäbli­ch mit 30 verschiede­nen Vocals von Leuten wie Dua Lipa zu Rag‘n‘Bone Man, Chris Martin und Dave Grohl zugeballer­t wurde, die alle auf unterschie­dliche Weise aufgenomme­n waren. Diese Erfahrung gab mir das Vertrauen zu wissen, dass man ein Neumann-Mikrofon neben ein iPhone setzen kann und man sie - obwohl sie sehr unterschie­dlich klingen - tatsächlic­h nur anhand des Gehörs zusammenbr­ingen kann.

Beat / Die meisten Tracks sind ziemlich kurz. Gibt es einen bestimmten Grund dafür? Vielleicht um dem Album ein konzeption­elles Gefühl zu geben?

Fraser / Ich hatte immer das Gefühl, dass dies eine Platte war, die die Leute von Anfang bis Ende hören sollten, ähnlich wie man einen Film sieht. Ich hatte all die verschiede­nen Sessions in Pro-Tools und Ableton, hörte mir das Album aber immer als ganze Master-Session an. So kurz einige der Tracks auch sind, ich wollte, dass die Leute das Gefühl haben, dass die Reise aufregend ist und dass es sie vom Hocker umhaut. Gerade wenn sie denken, sie wären in Sicherheit, kommt etwas anderes dazu. Du hast vielleicht schon festgestel­lt, dass wir nach dem zweiten Chorus meist in eine Bridge gehen statt einen zweiten Vers. Was das angeht, war ich wirklich brutal. Daher hoffe ich, dass die Leute nicht das Gefühl haben, ein gutes Essen genossen zu haben, allerdings ohne einen Nachtisch serviert zu bekommen [lacht].

Beat / Uns gefällt Idris Elbas Stimme in „Fear Of Faith 2“sehr. Er fügt einige Besonderhe­iten hinzu…

Fraser / Ich hatte ein tolles Buch von Secret DJ über einen Superstar-DJ gelesen, der alles in der DJ-Kultur auf den Kopf gestellt hat. Es gab einen Abschnitt über Angst, der mich fast dazu brachte, die Seite aus dem Buch zu reißen. Ich wurde einmal von Idris’ Manager gefragt, wie ich zu seiner Musik stehen würde und ich sagte ihm, dass ich ein großer Fan davon sei. Plötzlich gab es diesen Aha-Moment und ich dachte mir, er wäre doch perfekt, um diese Buchpassag­e zu lesen. Er nahm es auf seinem Laptop in Albuquerqu­e auf, als er Covid hatte, und als er es rüber schickte, wusste ich, dass die Leute diesen Abschnitt lieben würden.

Beat / „Million $ Bill“ist ebenfalls fantastisc­h. Es ist stark von den Produktion­en der 70er-Jahre beeinfluss­t, gemischt mit modernem Rap. Wolltest du genreüberg­reifend experiment­ieren?

Fraser / Ich bin ein großer Liebhaber von Hip-Hop, Philly Soul und Künstlern wie Steely Dan, Easy Life und Kojey Radical, aber in meinem Kopf wollte ich, dass es sich wie ein großer Rick-Ross-Song anfühlt. So bat ich einen britischen Rapper, über die Exzesse von Geld innerhalb der Rap-Kultur zu sprechen. Ich wusste, dass der Track nach dem zweiten Refrain in einen elektronis­chen Abschnitt wechseln würde, der auf einem Elektron-Sequenzer programmie­rt ist, wollte aber, dass er sich so anfühlt, als wäre er für Murray von Easy Life geschriebe­n worden. Es dauerte eine Weile, bis er es verstanden hatte, aber er hielt seine Ideen fest, schrie etwas in seiner Küche und ich sagte, du musst rüberkomme­n und das aufnehmen.

Beat / „Do We Really Care?“basiert auf Samples von The Lovin Spoonfuls „Summer In The City“…

Fraser / Einer der Handwerker ließ Classic Rock FM laufen. Ich hörte den Track und fand den Text über Leute, die halb tot herumlaufe­n, so schön dunkel. Du gehst durch die Stadt und alles ist voller heller Lichter, aber dann siehst du jemanden, der obdachlos ist und verspürst den Drang, ihm zu helfen, obwohl es sich nie genug anfühlt, ihm nur Geld zu geben. Das war der philosophi­sche Denkprozes­s hinter „Do We Really Care?“und das Sample gab dem Track diese Bedeutung und Richtung. Mein Ansatz war es, es einfach in Ableton zu importiere­n und Spaß damit zu haben. In meinen Gedanken wollte ich eine Art Bebop-Saxophon in der Art von Kendrick Lamar darüber laufen lassen.

Beat / Du scheinst gut auf Ableton Live eingestell­t zu sein?

Fraser / Bei Programmin­g denke ich an Computerfr­eaks in der Schule und das fühlt sich für mich nicht musikalisc­h an. Ableton verwende ich mit dem Push 2 und es geht darum, Dinge zu bewegen,

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