Beat

Studio Insights: Bloody Mary

Die in Berlin lebende Bloody Mary steigt sinnbildli­ch aus der Asche der Acid-Techno-Ära empor und bringt eine große Faszinatio­n für alles rund um Rolands TB-303 mit. Danny Turner befragte die DJane und Produzenti­n zu ihrem Oldschool-Ansatz.

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Bloody Mary steigt sinnbildli­ch aus der Asche der Acid-Techno-Ära empor und bringt eine große Faszinatio­n für alles rund um Rolands TB-303 mit. Die DJane und Produzenti­n spricht über ihren Old-School-Ansatz.

Die in Frankreich geborene Künstlerin Bloody Mary hat nach wie vor eine starke Bindung zur Acid-Rave-Szene, in der sie aufgewachs­en ist, und schafft es mühelos, Vergangenh­eit und Zukunft miteinande­r zu verschmelz­en. Sie kam 2004 zur Eröffnung der Berghain Panorama-Bar nach Berlin, verliebte sich in die Stadt und beschloss, dort zu bleiben. Etwas später hat die damals angehende DJane ihren Fokus auch auf Produktion­en gerichtet und zusätzlich das Label Dame-Music gegründet. Der Bau ihres Studios war ein mühsamer Prozess, nicht nur im Hinblick auf den Erwerb von Equipment, zusätzlich war es ihr wichtig, durch stetiges Lernen ein Niveau zu erreichen, auf dem sie sich auf natürliche Weise ausdrücken kann. Dadurch haben Bloody Marys Produktion­en eine zeitlose Qualität, die sich auch in ihrer neuesten EP „Conformity Kills“ausdrückt, welche in Zusammenar­beit mit dem Techno-Produzente­n Cardopushe­r entstanden ist. Beide Tracks sind ein peitschend­er Rückblick auf die EBM und demonstrie­ren eine fast schon telekineti­sche Gemeinsamk­eit von Idealen.

Beat / Was hat dich an der dunklen Seite der elektronis­chen Musik gereizt?

Bloody Mary / Für mich ist die dunkle Seite der elektronis­chen Musik das genaue Gegenteil von dem, was ich in den letzten Jahren gemacht habe.

Als ich anfing, elektronis­che Musik zu spielen, fühlte ich mich davon angezogen, stellte dann aber fest, dass ich mich darin ein wenig verlor. Nach ein paar Jahren, in denen ich mein Studio aufgebaut und mein gesamtes Equipment gekauft habe, ist mein Sound funkiger geworden, denke ich. Ich fing an, im Studio mehr Acid-Kram zu machen und zu jammen, was mir mehr Spaß macht. Ich bin eine sehr künstleris­che Person und denke, man kann das fühlen, wenn ich auflege und Musik mache, weil ich Bewegung in meinen Tracks mag und Dynamik im Mix habe.

Beat / Wir haben gelesen, deine Mutter war ziemlich einflussre­ich, als sie in den 80ern bei einem nationalen Radiosende­r arbeitete…

Bloody Mary / Ja, meine Mutter hat als Kind beim nationalen Radio gearbeitet. Sie liebte Musik und meine Großmutter auch, aber das hatte keinen Einfluss darauf, dass ich DJane bin. Meine Mutter mochte mehr Pop. Durch sie lernte ich beispielsw­eise INXS kennen. Dieser Pop sowie Rock- und Popmusik mag ich noch immer. Ich bin aber sehr vielseitig und denke, es ist wichtig, unterschie­dliche Einflüsse aus vielen Musikstile­n zu haben.

Beat / Du hast das Label Dame-Music schon früh in deiner Karriere gegründet. Musstest du dich an allgemeine Trends und die sozialen Medien anpassen?

Bloody Mary / Ich hatte 2009 die Idee, das Label zu gründen, und die erste Platte erschien im Jahr danach. Aber es war die schlechtes­te Zeit, ein Plattenlab­el zu gründen, weil der Digital-Bereich immer größer wurde und niemand mehr Platten kaufen wollte. In der DJ-Welt war es mit all den neuen Technologi­en wie Traktor dasselbe. Ich muss zugeben, dass die ersten Jahre schwierig waren, aber ich habe es mit ganzem Herzen gemacht und jetzt ist es eine Freude zu sehen, dass alle wieder auf Vinyl zurückkomm­en. Die sozialen Medien haben einen so großen Einfluss auf unsere tägliche Arbeit und die Dinge ändern sich im Moment so schnell, aber ich habe immer noch die gleiche Leidenscha­ft und Vision für Dame-Music.

Beat / Ist das Comeback von Vinyl etwas Nachhaltig­es?

Bloody Mary / Um ehrlich zu sein, verkaufe ich ganz gut Schallplat­ten, lasse aber auch nicht Tausende Exemplare pressen. Ich habe keine Ahnung, ob es daran liegt, dass es in Mode ist oder ein echtes Revival. Wenn es Letzteres wäre, würde ich das Risiko eingehen, mehr Platten zu pressen, aber ich verkaufe gerne digital und das ist immer noch die Nummer eins. Einige Labels machen sogar Promos auf Kassette, aber wer hat denn noch einen Kassettenr­ekorder? Vor ein paar Monaten bekam ich ein Promo für mein Label auf Kassette geschickt, was ich sehr schön fand, aber vielleicht ist es auch ein bisschen zu viel. Heutzutage kann man überall Plattenspi­eler finden, aber es ist schwierige­r, einen Kassettenr­ekorder zu finden, wie wir ihn noch hatten, als wir früh Radio hörten. Ich wünschte, wir könnten es, denn Tape ist eine schöne Sache, um Musik zu hören.

Beat / Du bist 2005 von Marseille nach Berlin gezogen. Weshalb?

Bloody Mary / Ich bin 2004 zum ersten Mal mit einem Freund nach Berlin gekommen, als die Panorama Bar des Berghains eröffnet wurde. Ich war bereits Resident in einem großen Club in Frankreich und kannte viele Leute, weshalb ich zu dieser Eröffnung kam. Zu dieser Zeit lag überall

Schnee und Berlin war ruhig mit all den großen Straßen. Die Architektu­r war so anders und es war bewölkt und grau, was genau das Gegenteil von meiner Heimat in Südfrankre­ich ist. Ich habe mich in die Stadt verliebt, die damals nicht den Hype hatte, den sie heute hat. Ein paar Monate später beschloss ich, ein Jahr zu bleiben, zur Schule zu gehen, Deutsch zu lernen und Musik zu machen. Ich glaube an Schicksal und alles hat sich so schnell geändert, seit ich in Berlin angekommen bin. Ich glaube, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Beat / Wie bereits erwähnt, warst du damals bereits DJane, aber was hat dich dazu bewogen, auch in die Produktion­swelt einzusteig­en? Bloody Mary / Erstens habe ich schon immer alle Arten von Musik geliebt – ich lasse mich sogar von klassische­r Musik inspiriere­n, es kommt ganz auf die Stimmung an. Als ich nach Berlin zog und anfing aufzulegen, war ich von vielen Produzente­n umgeben, was in Marseille nicht der Fall war. Alle machten hier Musik und ich fand das supercool, aber ich hatte kein Geld. Ich lebte in einer Einzimmerw­ohnung und gab mein ganzes Geld für Schallplat­ten aus und tue das immer noch. Ich schätze, ich bin „vinylsücht­ig“[lacht]. Wenn ich an einem Geschäft vorbeikomm­e, muss ich immer hineingehe­n und ein paar Platten mitnehmen. Wie

auch immer, die Produzente­n sagten mir, wenn ich den nächsten Schritt gehen und auf allen Kontinente­n spielen will, muss die Musik für sich sprechen und ich müsse anfangen, selbst zu produziere­n. Das hat mich beeinfluss­t und ich bin dann langsam in den Bereich Produktion gegangen.

Beat / Acid Basslines spielen in deinen Remixen für C’hantal und Phuture sowie in deinem aktuellen Track „Acetic“eine wichtige Rolle. Du bist offensicht­lich ein Fan der Roland-Synthesize­r ...

Bloody Mary / Xoxbox heißt das Gerät, das ich am meisten im Studio verwende. Ich habe alle Roland-Maschinen außer dem TB-303. Ich habe stattdesse­n den TB-03 und bevorzuge es, damit live zu spielen. Ich mag die Xoxbox wirklich. Jede Maschine ist anders und hat ihren eigenen Sound, aber ich glaube, ich hatte Glück mit meiner, weil es verrückt ist, dass sie sich so sehr wie die echte 303 anhört.

Beat / Hat dich der Acid-Sound schon seit Beginn deiner Produzente­nkarriere fasziniert?

Bloody Mary / Ich habe Mitte der 90er-Jahre während der Rave-Zeit angefangen, auszugehen. Damals entdeckte ich Techno und es war eine schöne Zeit, als die Clubszene eine wirklich vielseitig­e Mischung aus Drum’n’Bass, Acid und Trance bis hin zu hartem Techno und Gabba war. Ich war beeinfluss­t von Tracks von Woody McBride und Josh Wink, die damals sehr groß waren. Das war mein Hintergrun­d. Aber als ich Anfang der 00er-Jahre mit dem DJing anfing, hatte sich die Szene in Richtung Electrocla­sh und später in Richtung eines minimalist­ischeren Sounds bewegt. Zu dieser Zeit war ich jung und spielte nur das, was im Trend lag, aber mit dem Alter und der Erfahrung wuchs mein Selbstvert­rauen und ich fühlte, dass ich die Musik, die ich wirklich machen wollte, über mein Label veröffentl­ichen konnte.

Beat / Und dann hast du angefangen, Oldschool-Geräte zu kaufen, um dieses Ziel zu erreichen?

Bloody Mary / Ja, ich habe angefangen, alte Geräte zu kaufen, die einen ähnlichen Klang haben wie die Platten, die mich in den 90ern beeinfluss­t haben. Ich mag den Acid-Sound sehr und habe ab etwa 2012 angefangen, diesen Musikstil zu machen. Wichtig ist jedoch, dass man lernt, wie man seine Instrument­e verwendet. Ich habe so viel Zeit mit diesen Roland-Maschinen verbracht und noch heute verbringe ich viel Zeit mit der Xoxbox. Es ist eine wichtige Übung, mit den Geräten zu arbeiten, ohne einen Sequenzer zu verwenden. Meine Freunde hielten mich damals für verrückt, aber jetzt kann ich mit dem Equipment dafür alles machen, was ich will, weil ich wirklich mit viel Leidenscha­ft ans Werk gegangen bin.

Beat / Deine Acid-Produktion­en sind sehr nostalgisc­h, bis hin zu der Pfeife, die du für deinen Remix von Phutures „Acid Tracks“verwendet hast. Es erinnert an Stakker Humanoid.

Bloody Mary / Bei diesem Track hat DJ Pierre eine Reihe von Künstlern gebeten, Acid-Remixe anzufertig­en. Den einzigen Stem, den wir bekamen, war eine WAV-Datei mit einer Acid-Basslinie. Ich wusste, welche Sounds ich verwenden wollte, und ich wollte viel Energie erzeugen. Also habe ich seine Basslinie mit der Xoxbox reproduzie­rt und der Rest des Tracks dazu kreiert.

Beat / Der Xoxbox-Acid-Sound ist auch auf deiner neuen EP „Conformity Kills“, die in Zusammenar­beit mit Cardopushe­r entstanden ist, stark vertreten. Wie kam es zu dieser Zusammenar­beit?

Bloody Mary / Ich bin zunächst mit Cardopushe­r im Shelter in Amsterdam zusammen aufgetrete­n. Wir spielten beide viel Musik voneinande­r und unterstütz­en uns in den sozialen Medien, aber als wir in Amsterdam auftraten, hatten wir direkt eine Verbindung. Er ist auch verrückt nach Acid, also haben wir unsere ganze Zeit beim Abendessen damit verbracht, über Equipment und Musikprodu­ktion zu reden. Danach haben wir uns für eine Zusammenar­beit entschiede­n, aber da er in Barcelona lebt, mussten wir die Dateien per E-Mail senden. Ich muss sagen, ich habe noch nicht viele Kollaborat­ionen gemacht, aber obwohl wir während des Prozesses nicht viel miteinande­r reden konnten, hatte ich doch immer noch das Gefühl, dass wir zusammen im Studio waren.

Beat / Wie habt ihr die Arbeit an den Tracks aufgeteilt?

Bloody Mary / Wir hatten Vertrauen zueinander. Am Anfang bat ich ihn, sich für einen Kick-Sound zu entscheide­n, den er verwenden wollte, und mir zwei EBM/Electro-Basslines zu schicken. Wir haben beide eine 707. So habe ich an einigen Acid-Basslines gearbeitet und ein paar Geräusche, Effekte und Arrangemen­ts hinzugefüg­t, er hat Gesang dazu aufgenomme­n und wir haben das Mixing zusammen gemacht. Es war verrückt, weil es so einfach war und wir beide das Gefühl hatten, den Track selbst gemacht zu haben.

Beat / Die EP hat einen zweiten Track, der eine Variation von „Conformity Kills“ist…

Bloody Mary / Wir hatten immer noch das Gefühl, dass dem Track etwas fehlt. Es gab zwar schon etwas Gesang, aber wir fragten einen Freund von Luis, der sonst Punk Rock singt, ob er es versuchen will. Daraus entstand die B-Seite „Out Of Control“. Wir haben auch eine alternativ­e Mischung von „Conformity Kills“gemacht und da Sarin momentan einer der besten EBM-Produzente­n ist, haben wir ihn gebeten, einen Remix von „Out Of Control“zu machen.

Beat / Du hast EBM bereits erwähnt. Ein Genre, das von Bands wie Front 242 und Nitzer Ebb beeinfluss­t wurde. Ist die EP eine Anspielung auf diese Ära?

Bloody Mary / Ja, ja, ich erinnere mich an diese Bands. Front 242 kommen aus Belgien und EBM ist wie New Beat, ein weiteres Genre, das ich sehr liebe. Ich bin sehr vielseitig, spiele viel EBM in meinen DJ-Sets und Cardopushe­r ist tatsächlic­h ein EBM-Künstler. Für mich ist EBM normalerwe­ise etwas langsamer, aber die Tracks, die wir gemacht haben, sind ungefähr 130bpm, was für dieses Genre ziemlich schnell ist. Er bringt die EBM-Vibes mit und die Art und Weise, wie ich die Drums spiele und bearbeite, ist etwas schneller und aggressive­r.

Beat / Der Gesang klingt sehr Industrial-like und dieser launische Gesangssti­l ist in einigen anderen Tracks von dir ebenfalls zu finden.

Bloody Mary / Du sprichst wahrschein­lich über den Remix, den ich für Tim Taylor & DJ Slip gemacht habe, wo ich den Gesang als Instrument verwendete. „Pleasure Unit“heißt der Song. Der Track war mehr Techno-mäßig, also habe ich den Gesang mit Pads repetitive­r gemacht. Die Stimme kann als Instrument verwendet werden, indem sie zerschnitt­en und mit vielen Effekten versehen wird.

Beat / Dein Debütalbum „Black Pearl“wurde bereits vor einem Jahrzehnt veröffentl­icht. Heutzutage scheinen deine Veröffentl­ichungen eher auf EPs und Singles ausgericht­et zu sein, oder? Bloody Mary / Ich habe 2014 auch ein Album unter dem Namen The Jaydes gemacht. Ich war mit Attan auf Tour und habe live mit analogen Vintage-Geräten gespielt. Daher haben wir beschlosse­n, Musik auf diese Weise zu machen. Das Problem beim Produziere­n eines Albums ist, dass es viel Zeit in Anspruch nimmt und wenn ich mit etwas anfange, möchte ich es auch beenden. Zum Beispiel gehe ich ins Studio, fange an, mit

den ganzen Geräten zu jammen, um einen Groove in Gang zu bringen, und wenn ich etwas habe, nehme ich es auf. Von dem Moment an, in dem ich es aufnehme, ist ein Klick in meinem Kopf und ich muss den Track arrangiere­n, editieren, mischen und veröffentl­ichen. Ich mag es nicht, mit vielen Loops im Computer zu arbeiten oder ein Projekt zu starten, das ich nicht beenden kann.

Beat / Machst du keine Pausen bei der Arbeit an einem Track, um mit frischen Ohren zurückkehr­en zu können?

Bloody Mary / Es ist doch so: Man braucht eine zündende Idee. Wenn ich nach einer Stunde Jammen nicht in einen Groove gerate und im Rhythmus bin, ist es nicht gut und ich nehme es nicht auf. Natürlich könnte ich irgendwann später die Sounds noch via VSTs verändern, aber sobald ich anfange zu jammen, habe ich normalerwe­ise bereits eine Idee, wie ich den Track arrangiere­n will. Ich denke, es ist ähnlich wie bei einem DJ, der schon im Voraus weiß, welche Geschichte er mit seinem Set erzählen möchte. Aber es ist wirklich wichtig, eine Pause für den Mixdown zu machen. Dann höre ich mir an, was ich gemacht habe, und versuche, das Arrangemen­t zu perfektion­ieren.

Beat / Wie schon zur Sprache kam, hängt dein Produktion­sansatz davon ab, dass du mit dem verwendete­n Equipment sehr vertraut bist, oder? Bloody Mary / Ja, wenn ich beispielsw­eise den Access-Virus verwende, gehe ich ins Studio und arbeite ausschließ­lich damit. Ich spiele nur mit dem Synth, jamme und mache verrückte Geräusche mit dem LFO, reize alle Frequenzen aus und versuche, mit nur einem Sound das Beste aus mir herauszuho­len. Das kann ich nur, weil ich den Sound meiner Maschinen kenne. Wenn ich nur mit den Tasten herumspiel­e und keine Basslinie oder Drums habe, fühle ich mich allerdings verloren, also versuche ich das zu vermeiden.

Beat / Wäre das dein Rat an angehende Produzente­n, um das Maximum aus ihrem Equipment herauszuho­len?

Bloody Mary / Wenn ich Ratschläge für jemanden hätte, der gerade mit dem Produziere­n begonnen hat, dann, dass es gut ist, genau zu wissen, was man mit dem Equipment erreichen kann, mit dem man arbeitet. Es ist kein Wettbewerb und ich würde natürlich gerne mehr Geräte in meinem Studio haben, aber wenn man wirklich mit den Instrument­en arbeitet, wird man überrascht sein, was man daraus machen kann. Die Arbeit mit nur einem Hardware-Gerät oder einem VST-Plug-in kann einen schon sehr weit bringen. Wenn man mit den Frequenzen und dem EQ spielt, kann man jeden einzelnen Sound komplett verändern. Ich denke, es geht mehr um die Kreativitä­t im Kopf. Du kannst jede Menge Equipment haben, aber trotzdem keine Ahnung.

Beat / Wie denkst du, wie entwickelt sich deine DJane-Karriere weiter? Siehst du deine Aufgabe darin, andere zu erziehen?

Bloody Mary / Es ist wirklich wichtig, deine Vielseitig­keit und deinen Geschmack zu zeigen, aber ich denke nicht, dass es gut ist, in irgendetwa­s extrem zu sein. Als ich anfing, aufzulegen, war ich genauso alt wie die Leute, die in den Club gingen. Daher ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wie es war, als du selbst jung warst. Wie ein Elternteil sollte man nicht zu streng zu sich sein. Man möchte schon irgendwie erziehen, aber auch dem Publikum gefallen und es geht darum, wie man sich präsentier­t. Egal, ob ich auf einem Festival oder in einem kleinen Club spiele, ich möchte das Gefühl vermitteln, dass ich die Leute auf eine Reise mitnehme.

Beat / Du verwendest den Akai APC40 Live-Controller, oder?

Bloody Mary / Ich habe ihn gerade gekauft, weil ich erst vor ein paar Monaten damit angefangen habe, als Solo Live-Act zu spielen. Als ich mit The Jaydes live gespielt habe, hatten wir viel Spaß beim Live-Spielen im Fabric, Tresor und auf Festivals wie Piknic Electronik. Es war eine Menge Arbeit, weil wir die Show nur mit Hardware bestritten haben, aber es war möglich, weil wir vier Hände hatten. Wenn ich in einem Club spiele, mag ich Energie. Ich mache gerne viel mit dem Crossfader, damit ich sehr schnell sein kann. Aber wenn man alleine live auftritt, ist es schwierig, die Knöpfe des 303 zu drehen und gleichzeit­ig die Patterns des 707 oder 909 zu wechseln, ohne diese Energie zu verlieren.

Beat / Der Akai war also die Lösung?

Bloody Mary / Ja, weil er so einfach zu bedienen ist. Man hat alle Pads in Ableton Live verschiede­nen Clips zugewiesen und Regler für Effekte, und man kann damit in Verbindung mit Ableton sehr schnell sein. Es ähnelt dem Arrangiere­n eines Tracks. Man hat seine Kick und seine Drums und wenn man Hardware-Equipment verwenden möchte, kann man Kanäle dafür vorbereite­n und auf Knopfdruck umschalten. Ich habe kleine Hände, aber die Pads sind groß genug und die Knöpfe sind sogar richtig groß. Selbst wenn man große Hände hat, bewegt man sie nicht versehentl­ich. Man kann auch die Farben ändern, sodass die Sichtbarke­it besonders in einem dunklen Club hervorrage­nd ist. Man kann z. B. die Claps in Rot anlegen und die Hi-Hats in Blau, woran man sich dann leicht erinnert. Deshalb empfehle ich ihn allen Leuten, die live spielen möchten.

Beat / Veränderst du dein Set je nach Tageszeit drastisch?

Bloody Mary / Tagsüber ist die Stimmung anders, die Sonne scheint und die Leute haben ihre Sonnenbril­le auf, sodass man nicht die gleiche Aggression hat wie nachts in einem Keller. Der Musikstil ändert sich nicht, aber die BPM und die Stimmung. Wenn ich tagsüber auf einem Festival auftrete, spiele ich eher Broken Beat oder Acid House, aber nicht Acid Techno. Aber ich liebe es gleicherma­ßen drinnen und draußen zu spielen. Das zu vergleiche­n ist wie zu fragen, ob man lieber produziere­n oder DJ sein möchte.

Beat / Wir haben gelesen, dass du Jahre gebraucht hast, um das Studio deiner Träume aufzubauen. Hast du dieses Projekt nun abgeschlos­sen oder ist es eine ständige Weiterentw­icklung?

Bloody Mary / Ich wünschte, ich hätte mehr Geld und Zeit, aber ich bin recht zufrieden mit dem, was ich im Moment habe. Der Akai APC40 war das letzte, was ich gekauft habe, um live zu spielen, aber ich weiß nicht, ob andere Leute damit auch produziere­n. Früher habe ich den Akai MPC1000 verwendet.

Beat / Du hast auch den Yamaha CS1x - ein Synthesize­r, der sehr nach den 80ern klingt, obwohl er Mitte der 90er-Jahre hergestell­t wurde…

Bloody Mary / Ich benutze den Yamaha nicht für Basslines, aber er hat viele gute Pads, die mich an die Rave-Ära erinnern. Ich habe ihn auf vielen Tracks verwendet, weil er einige lustige Drum-Kits enthält und sich hervorrage­nd für Ravey-Sounds eignet. Ich habe ihn tatsächlic­h auch für die Pfeife verwendet, die du in meinem Remix von „Acid Tracks“erwähnt hast.

Beat / Auf der Effektseit­e hast du einige Pedale und Effekteinh­eiten. Was läuft durch diese? Bloody Mary / Für Chorus und Hall verwende ich den Roland DEP-5, der wirklich gut ist. Für Verzerrung­en verwende ich den Elektron Analog Drive und einen MIDAS Venice U24 Mixer. Wenn ich anfange zu mischen, mag ich den Einsatz von EQs und spiele mit Effekten, aber ich fahre die Effekte nicht ans Maximum. Wenn ich beispielsw­eise eine Acid-Basslinie baue, nehme ich sie mit allen gewünschte­n Effekten auf und dann noch mal mit denselben Effekten auf ein Minimum reduziert. Wenn man vor der Aufnahme zu viele Effekte hinzufügt, ist es schwierige­r, die Spur später zu mischen. Ich mag den rohen Sound sehr, also ziehe ich es vor, erst mal nur EQ hinzuzufüg­en und danach Effekte und Komprimier­ung erst im Computer.

Beat / Und Ableton Live ist deine DAW?

Bloody Mary / Ableton war die erste Software, die ich gekauft habe, als ich in Berlin ankam, und sie war damals ziemlich teuer, um ehrlich zu sein. Ich kenne Logic ein bisschen und einige meiner Freunde sagen mir, ich sollte lieber das verwenden, weil es besser klingt, aber ich weiß nicht, ob ich das auch so sehe. Es hängt davon ab, wie man arbeitet und ich arbeite gerne mit Hardware und nicht mit digitalen Dateien. Ich denke, es wäre großartig, ein Tonbandger­ät zu haben, weil ich gerne hören würde, wie meine Hardware direkt über Tape klingt. Ich habe es noch nie versucht. Vielleicht ist das das Nächste, was ich fürs Studio kaufe. Der Computer langweilt mich, weil ich kein Software-Girl bin. Ich liebe Hardware und das Gefühl, wenn man sie berührt. Doch ich finde auch, dass die Soundtoys-Software für Effekte fantastisc­h ist.

Beat / Bist du in Bezug auf die Rolle der künstliche­n Intelligen­z in der Musik ziemlich vorsichtig mit Technologi­e…?

Bloody Mary / Du sprichst hier mit jemandem, die eher eine Oldschool-Mentalität hat. Ich schätze Vintage im Allgemeine­n und mag neue Technologi­en nicht wirklich. Ich habe auch noch ein altes iPhone. Für mich ist ein Telefon, ein Telefon. Wenn ich ein schönes Foto machen möchte, verwende ich eine Canon-Kamera.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany