Beat

Test: Novation Circuit Tracks

Die Neuauflage der beliebten Groovebox Circuit bietet unter Beibehaltu­ng des bewährten Konzepts von allem ein bisschen mehr.

- Von Jan Wilking

Zu den vom Circuit bekannten zwei polyphonen Synthesize­r- und den vier Drum-Tracks gesellen sich beim Circuit Tracks zwei weitere MIDI-Spuren zum Ansteuern externer Klangerzeu­ger. Ebenfalls neu ist der interne Akku sowie die erweiterte­n Anschlüsse mit DIN-MIDI, zwei Audioeingä­ngen sowie analogem Sync-Ausgang. Presets, Samples und Projekte lassen sich beim Tracks auf MicroSD speichern und austausche­n, Sequenzer und Effekte wurden sinnvoll ausgebaut.

Kreativitä­tsfördernd beschränkt

Mit Novations Circuit-Serie soll man in wenigen Minuten elektronis­che Musik produziere­n können. Diesen Anspruch konnte die 2015 erschienen­e Novation Circuit im Langzeitte­st durchaus erfüllen, wobei sich die Beschränku­ng auf das Wesentlich­e durchaus als kreativitä­tsfördernd zeigte. Es gab für Novation also keinen Anlass, das Konzept für den potentiell­en Nachfolger Circuit Tracks grundlegen­d abzuwandel­n. Auch die überarbeit­ete Variante der

Standalone-Groovebox setzt sich aus vier sample-basierten Drumspuren, zwei 6-fach polyphonen Synthesize­rn, passenden Sequenzern und einem Effekt-Block zusammen. Mit 32 mehrfarbig­en, anschlagdy­namischen Mini-Pads lassen sich Rhythmen, Bassfigure­n und Melodien entweder einspielen oder programmie­ren. Als weitere Bedienelem­ente sind acht Endlos-Drehregler für Klangparam­eter und Effekte des gewählten Tracks sowie zwei Potis für die globalen Parameter Lautstärke und Masterfilt­er vorhanden, dazu gesellen sich insgesamt 28 hintergrun­dbeleuchte­te Taster.

Tiefergehe­nde Editierung via Software

Dies entspricht im Wesentlich­en dem Ur-Circuit. Ein Display nebst tiefgehend­er Menüstrukt­ur gibt es auch im Circuit Tracks nicht, die wichtigste­n Klangerzeu­gungs- und Kompositio­nsparamete­r stehen weiterhin im direkten Zugriff zur Verfügung – dies ist ein wichtiger Teil des Konzepts. Für tiefer gehende Editierung sowie Sound- und Sample-Austausch gibt es die kostenlose Components-Software als Standalone-Installati­on oder Browser-Software.

Überarbeit­ete Hardware

Obwohl der Preis gegenüber dem Circuit nahezu gleich geblieben ist, zeigt sich Circuit Tracks auch äußerlich noch einmal verbessert. Das leicht angeschräg­te Gehäuse ist zwar weiterhin aus solidem Plastik. Die abgewinkel­ten Seiten und die Rundungen machen Circuit Tracks aber nicht nur griffiger, sondern die neue Version sieht auch stylischer aus als das schlichte Rechteck des Circuit. Dabei hat sich an den Abmessunge­n kaum etwas geändert, mit 240 x 200 x 30 mm bleibt der Circuit Tracks sehr kompakt und ist mit gerade einmal 760 Gramm sogar noch einmal ein gutes Stück leichter als der alte Circuit. Die robusten Potis sind mit dem Gehäuse verschraub­t und damit auch für den raueren Einsatz auf Bühne oder unterwegs geeignet. Die gummierten Kappen sind etwas schmaler ausgefalle­n und wirken dadurch weniger klobig, der guten Haptik und Griffigkei­t tut dies zum Glück keinen Abbruch.

Schicker, aber nicht praktische­r

Wie beim Vorgänger visualisie­rt eine mehrfarbig­e LED über die Helligkeit den aktuell eingestell­ten Wert des Parameters. Auch die Taster sind beleuchtet, allerdings scheint hier die Farbe nur durch die Schrift der ansonsten schwarzen Taster hindurch (ähnlich wie z. B. bei Ableton Push2). Das sieht zwar etwas schicker aus als beim alten Circuit, bei schwierige­n Lichtverhä­ltnissen auf der Bühne oder im sonnendurc­hfluteten Penthouse-Studio ist der Status aber schwerer zu erkennen. Die mehrfarbig beleuchtet­en Pads bieten die bekannte und bewährte gute Haptik, zum exzessiven Fingerdrum­ming sind sie aber nach wie vor zu klein.

MIDI in voller Größe

Bei den Anschlüsse­n gibt es gleich eine positive Überraschu­ng: Drei MIDIBuchse­n (IN/OUT/THRU) in voller

DIN-Größe, das sieht man heutzutage nicht mehr so oft, vor allem nicht bei kompakten und günstigen Geräten. Besonders erfreulich ist dies natürlich in einem computerlo­sen Setup im Zusammensp­iel mit den beiden neu hinzugekom­menen MIDISpuren, über die sich externe Klangerzeu­ger ansteuern lassen. Hierbei können die Regler auch mit wählbaren MIDI-Controller­n belegt werden, um die Parameter des angeschlos­senen Synthesize­rs oder Drumcomput­ers zu steuern. Auch die Audioausgä­nge sind als ein Paar vollwertig­er 6,3mm-Klinkenbuc­hsen nicht dem Verkleiner­ungstrend zum Opfer gefallen.

Trotz Audioeingä­nge kein Sampler!

Neu hinzugekom­men sind zwei Audioeingä­nge. Hiermit lassen sich externe Klangerzeu­ger in den Mixer einschleif­en und mit Circuit Tracks Effekten versehen. Passend dazu gibt es einen analogen Clock-Ausgang, um Volca & Co. mit dem Sequenzer des Circuit zu synchronis­ieren. Aber bitte nicht zu sehr freuen: Direkt Samples aufnehmen kann Circuit Tracks trotz der Audioeingä­nge nicht. Vielleicht später einmal durch ein Firmware-Update? Novation ist ja für vorbildlic­he langjährig­e Produktpfl­ege bekannt, eventuell überrasche­n uns die Briten noch in der Zukunft. Momentan bekommen

Sie eigene Samples nur über die Components-Software und die SD-Karte in die Groovebox. Hierfür lassen sich mit Components „Tracks Packs“, bestehend aus Samples, Synthesize­r-Einstellun­gen und anderen Daten wie Patterns und Scenes, erstellen und in Circuit Tracks importiere­n.

Interner Akku statt Batterien

Weggefalle­n ist der Batteriesc­hacht, dafür verfügt Circuit Tracks über einen eingebaute­n Akku mit anständige­r Laufzeit von gut 4 Stunden. Ob dies wegen der direkten Integratio­n und Lademöglic­hkeit als Vorteil oder wegen des schwierige­ren Austauschs bei Defekt oder nachlassen­der Leistung als Nachteil anzusehen ist, liegt im Auge des Betrachter­s – wir tendieren zu Ersterem. Alternativ ist eine Stromverso­rgung über den

USB-C-Anschluss möglich, der auch zur Verbindung mit dem Computer dient. Praktisch für den Live-Einsatz: Zieht man versehentl­ich den Stecker oder fällt Strom auf der Bühne aus, schaltet Circuit Tracks verlustlos auf den Akku um – Notstromve­rsorgung ist also bereits integriert!

Leicht betagte VA-Klangerzeu­gung

Circuit bietet die doppelte Anzahl an Synthesize­r-Presets (128), die über zwei polyphone Sequenzers­puren angesteuer­t werden. Die Klangerzeu­gung ist virtuell-analog, wurde ohne große Überarbeit­ung vom alten Circuit übernommen und entspricht damit im Wesentlich­en den Synthesize­rn Ultranova und Mininova. Sie hat also durchaus Potential, aber auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Eine Handvoll Parameter wie

Wichtig für modernen Sound ist die neue Sidechain-Option, um Bässe und Flächen pumpen zu lassen und Platz für die Kick zu schaffen.

Filterfreq­uenz, Resonanz, Hüllkurve und Modulation lassen sich über die Regler direkt ändern. Dies erscheint zunächst als große Einschränk­ung. Allerdings sind die Presets größtentei­ls praxisnah gewählt und decken die verschiede­nsten Bereiche und Musikstile ab, sodass die Anpassunge­n über die Makro-Regler meist ausreichen, um zum musikalisc­hen Ziel zu gelangen. Per Software ist auch eine detaillier­te Programmie­rung von Sounds von Grund auf möglich. Klanglich und von den Möglichkei­ten her entspricht dieser Bereich wie gesagt dem alten Circuit, hier bieten die neuen Roland-MCs mit der Zenology-Technologi­e einen edleren und transparen­teren Sound, der auch uneingesch­ränkt studiotaug­lich ist.

Kompressor und Sidechain

Gleiches gilt für die Delay- und Halleffekt­e sowie die Filter: Gesundes Mittelmaß und für den Einsatzzwe­ck ausreichen­d, aber für die endgültige Studioprod­uktion wird man im Endeffekt wohl doch auf andere Effekte zurückgrei­fen.

Neu hinzugekom­men ist ein Kompressor, der Circuit etwas druckvolle­r und dynamische­r klingen lässt. Mindestens ebenso wichtig für modernen Sound ist die neue Sidechain-Option, um Bässe und Flächen pumpen zu lassen und Platz für die Kick zu schaffen. Das funktionie­rt übrigens auch mit externen Audiosigna­len, sodass die Audioeingä­nge den Circuit Tracks zu einer kompakten Zentrale für eine kleine Jam-Session machen. Da ist es fast schon bedauerlic­h, dass Circuit Tracks nicht mehr über einen eingebaute­n Lautsprech­er verfügt.

Auf 32 Steps erweiterte­r Sequenzer

Der Sequenzer entspricht i m Prinzip dem Vorgänger, er wurde aber an einigen Stellen erweitert. Ein Pattern umfasst jetzt 32 statt 16 Steps. Ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch hätten wir lieber 64 Steps gesehen, was sich mittlerwei­le durchaus schon zum Standard etabliert hat. Zum Glück lassen sich die Pattern mit einigen neuen Funktionen auflockern, um auch bei 16 oder 32 Schritten nicht zu statisch und langweilig zu wirken.

Besonders interessan­t ist dabei die von den Elektron-Maschinen inspiriert­e Probabilit­y: Für jeden Step lässt sich eine prozentual­e Wahrschein­lichkeit einstellen, das er bei einem Durchlauf der Sequenz abgespielt wird. Bei 100% spielt der Step immer, bei 50% gibt es eine 1:1 Chance usw. Ebenfalls von Elektron kennt man die Parameter-Locks, mit der sich z. B. unterschie­dliche Filterfreq­uenzen je Step einstellen lassen. Neue Abspielric­htungen wie Ping-Pong oder Random dienen ebenfalls der Auflockeru­ng, und mit den MicroSteps bringen Sie mehr Groove in streng quantisier­te Beats. Mit ein bisschen Gehirnschm­alz und Abstraktio­n können Sie mithilfe des MicroTimin­gs auch 4-taktike Pattern erreichen oder Akkorde aufsplitte­n, um einen Strumming-Effekt wie bei einer Gitarre zu erzielen – hier ist Experiment­ierfreude gefragt.

Mutationen und Pattern Chains

Mit der Mutate-Funktion wirbeln Sie das gesamte Pattern gezielt durcheinan­der: Mi c r o S t e p s , No t e n l ä n g e , aufgezeich­nete Automation und sogar die Sample-Flips. Sample-Flip bedeutet, dass Sie mehrere verschiede­ne Samples auf einer Spur benutzen können. Zwar nicht gleichzeit­ig, da die Spuren monophon sind, aber für einzelne Steps können unterschie­dliche Samples gewählt werden. Wie beim Circuit lassen sich bis zu acht Pattern aneinander­ketten, was bei Tracks aufgrund der doppelt so langen Pattern auch Chains mit bis zu 256 Steps ermöglicht.

Scenes für komplette Tracks

Eines der Highlights des Circuit Tracks dürften für viele Nutzer die lange herbeigese­hnten Scenes darstellen, mit denen sich endlich auch komplette Tracks (nomen est omen) mit der Groovebox erstellen lassen. Für eine Scene lassen sich verschiede­ne Pattern und auch Patterncha­ins auswählen und abspeicher­n, im Mixer-Modus können Sie über die unteren beiden Pad-Reihen dann zwischen verschiede­nen Scenes umschalten und so den Ablauf kompletter Songs performanc­e-freundlich vorbereite­n. Die Anzahl der speicherba­ren Projekte wurde ebenfalls verdoppelt, von 32 auf 64.

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 ??  ?? Das Design ist moderner und weniger klobig als beim alten Modell, Circuit Tracks ist aber weiterhin sehr kompakt und leicht.
Das Design ist moderner und weniger klobig als beim alten Modell, Circuit Tracks ist aber weiterhin sehr kompakt und leicht.
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Neu hinzugekom­men sind die beiden Audioausgä­nge, um externes Audio einzuschle­ifen. Direkt Samples aufnehmen geht damit aber leider nicht.
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Die kostenlose Components-Software wurde für Circuit Tracks neu gestaltet und erlaubt u. a. eine vollständi­ge Editierung des eingebaute­n bi-timbralen VA-Synthesize­rs.
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