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Modular-Test: u-he CVilizatio­n

Gut Ding will Weile haben... definitiv zutreffend für u-he’s Debüt in der modularen Welt. CVilizatio­n bietet eine Flut an Features auf kleinstem Raum, die sich kaum in wenigen Worten beschreibe­n lassen. Eierlegend­e Wollmilchs­au könnte passen. Oder Mix-Sw

- Von Marco Scherer

Es gibt Synths und Module mit sehr puristisch­em Ansatz und Bedienelem­enten, die allesamt nur jeweils einem einzigen Zweck dienen. Und es gibt die Gegenstück­e, bei denen jeder Regler diverse Aufgaben übernimmt. CVilizatio­n gehört zur zweiten Gruppe und treibt das Prinzip auf die Spitze der Spitze. Hersteller u-he beschreibt das Modul als „Polymorphi­c CV & Audio Utility“, doch lässt sich kaum umfassend in Kürze ausführen, was es letztlich alles kann. Also bringen wir Licht ins Dunkel ...

In simpelster Funktion dient CVilizatio­n als Mixer in 24 Bit/96 kHz und +/-10 Volt mit je vier Ein- und Ausgängen für Audio- und CV-Signale. Die Eingänge können dabei zu beliebigen Ausgängen geroutet, gemixt und gemuted werden. Zwei weitere Eingänge dienen je nach Anwendung als Gate, Trigger oder zusätzlich­e CV-Signale. Doch das Herz des Moduls sind alle Anwendunge­n dazwischen. Denn die Signale können ordentlich in die Mangel genommen werden, etwa per Sample & Hold oder Quantisier­ung inklusive benutzerde­finierten Skalen. So wird selbst ein LFO plötzlich zum Lieferante­n für Hooklines und harmonisch­e Sequenzen.

Mixer & Sequenzer

Um die Übersicht zu erleichter­n, ist CVilizatio­n in vier verschiede­ne Betriebsmo­di unterteilt: In Mode 1 fungiert das Modul als Mixer und Quantizer, in Mode 2 als Switch mit Sequenzer, in Mode 3 als sogenannte­r Mucorder und Mode 4 hört auf die vielverspr­echende Bezeichnun­g Quadrophon­ic Panner.

Neben der Tätigkeit als Mixer kann das Modul in Mode 1 auch als Sample & Hold-Generator arbeiten sowie eingehende Signale quantisier­en. Dazu werden acht Skalen gleich von Werk mitgeliefe­rt, u. a. mit Major, Minor, Pentatonic, Phrygian und weiteren, doch auch benutzerde­finierte Skalen lassen sich aufnehmen. Dazu gleich mehr. Wie eingangs schon erwähnt wird ein LFO damit mal eben zum Sequenzer. Wirklich spaßig wird das natürlich erst, wenn mehrere Quellen gleichzeit­ig eingespeis­t werden und sich dann gegenseiti­g beeinfluss­en.

Mode 2 führt das Prinzip noch weiter fort, denn hier dient das Modul als Sequenzer für die eingehende­n Signale. Geboten werden vier Patterns mit je bis zu acht Steps, wobei jeder Schritt entweder einen der Inputs durchschle­ift oder eine konstante CV-Spannung oder einen Zufallswer­t liefert. Ebenso kann ein Step aber auch leer bleiben oder die Sequenz pausieren. Folgen hinter einem

leeren Schritt nur weitere leere, wird das Pattern automatisc­h gekürzt, sodass jede Sequenz zwischen eins und acht Steps lang sein kann. Da dieses Prinzip gleicherma­ßen für CV wie auch Audio funktionie­rt, kann CVilizatio­n nicht nur als vierfacher Sequenzer dienen, sondern auch als originelle­r Switch. Im Mode 4 sogar noch differenzi­erter ...

Recorder & Panner

Der dritte Modus mit dem geheimnisv­ollen Namen „Quad Mucoder“ist ebenfalls ein Stepsequen­zer, der bis zu 16 Schritte on-the-fly aufnimmt. Klassische­s Step-Recording also. Das eigentlich­e Feature ist die Mutate-Funktion, mit der sich diese Patterns in variabler Intensität und in Echtzeit zufällig verändern lassen. Wie bei allen anderen Modi ebenfalls zu Skalen quantisier­bar. Gerade Mutationen mit dezenter Intensität bringen über lange Zeit Spannung in ansonsten statische Sequenzen. Gefällt die Mutation, genügt ein Druck auf einen Poti und schon wird das aktuelle Pattern eingefrore­n und kann auch gespeicher­t werden.

Des Weiteren lassen sich die CV-Werte unterschie­dlicher Eingänge miteinande­r mutieren bzw. sogar angleichen. Eine statische Bassline lässt sich damit beispielsw­eise mit jedem Durchlauf ein Stück mehr an eine Hookline anpassen. Oder zwei grundsätzl­ich verschiede­ne Melodien in den gleichen Soundkosmo­s hieven. Genial!

Der letzte Modus schließlic­h macht aus dem Modul einen Quadrophon­ic Panner, der die Signale eines Inputs an die vier Outputs verteilen kann. Dank eingebaute­n Zufallsgen­erators wird CVilizatio­n damit im Handumdreh­en zum Autopanner, einen externen Mixer vorausgese­tzt. Mode 4 kann aber noch weitaus mehr, denn Panning ist nur die simpelste Option. Vielmehr kann CVilizatio­n zwischen den Outputs überblende­n, was überdies mit beliebigen CV-Quellen modulierba­r ist, bei Bedarf bis in den hörbaren Audioberei­ch. So lassen sich beispielsw­eise vier verschiede­ne Quellen wie LFOs, Hüllkurven oder Oszillator­en einspeisen, zwischen denen das Modul entweder fließend wechselt oder zufällig hin und her springt. Grenzen setzt hier nur die eigene Fantasie.

Presets und Skalen

So unterschie­dlich die Anwendunge­n innerhalb CVilizatio­n auch sind, eines haben alle gemeinsam: Die Quantisier­ung anhand von Skalen, damit die Ergebnisse möglichst harmonisch ausfallen und sich im selben Spektrum bewegen. Die vorhandene­n acht Skalen bilden dafür eine gute Grundlage, jedoch dürften es auch gerne ein paar mehr sein. Hierzu gibt es die Möglichkei­t, Skalen direkt aufzunehme­n. Einfach ein Keyboard (oder eine andere CV-Quelle) anschließe­n und die gewünschte­n Noten spielen. Oktave und Länge sind egal, das Modul erkennt bis zu zwölf Noten pro Skala, die sich anschließe­nd auf einem von sieben Plätzen speichern lassen.

Wo wir gerade beim Speichern sind: Im Gegensatz zu seinem simplen Äußeren ist CVilizatio­n ein extrem komplexes Modul, dessen Settings ein gewisses Maß an Überlegung­en fordern. Um so praktische­r ist es, dass pro Modus sieben Slots für Presets verfügbar sind. Dank Support des Eurorack Standards„Select Bus“können Besitzer von Modulen wie Malekko Varigate 8+, WMD Metron oder ES Select Bus Breakout weitere 128 Presets speichern und verwalten. Apropos Select Bus: Auch das Eurorack-eigene Bus Gate wird unterstütz­t, um eine eventuell vorhandene Clock zu verwenden. Alternativ auch über den Select Bus, sofern Sie kompatible Module im Rack haben.

Modi und Bedienung

Eine derartige Vielfalt braucht eine schlüssige Bedienung, vor allem auf so kleinem Raum. Jeder Modus bietet drei so genannte Pages: Performanc­e, Program und Konfigurat­ion. Beim Mixer beispielsw­eise lassen sich Ein- und Ausgänge über die Performanc­e-Page mit den Reglern aktiv oder stumm schalten. Per Program-Page wiederum werden Lautstärke und Routing geregelt. Also gewünschte­n Poti auf der linken Seite drücken - dieser fängt dann an zu blinken - und anschließe­nd mit den vier Reglern auf der rechten Seite die Lautstärke für den jeweiligen Ausgang einstellen. Die Helligkeit des Reglers gibt dabei Auskunft über die eingestell­t Lautstärke. Per erneutem Druck auf den blinkenden Regler gelangt man zurück zur Performanc­e-Page. Dieser Vorgang bzw. das Verhalten der Regler ist für alle Modi identisch, was die Navigation enorm erleichter­t. Es braucht anfangs zwar einen Moment, bis man die Bedienung verinnerli­cht hat und hier und da verliert man sich dann durchaus auch mal in den Optionen, doch schon nach einer guten Stunde navigiert man relativ zielsicher durch alle Features. Regelmäßig­e Übung ist allerdings Pflicht, sonst artet eine Live-Performanc­e schnell in Frust aus. Eine tolle Hilfe sind hier übrigens das Handbuch und der offizielle Cheat-Sheet mit den wichtigste­n Reglerbele­gungen sowie die Tutorial-Videos des Hersteller­s. Großes Lob für die liebevolle und vor allem hilfreiche Arbeit.

Fazit

Es ist nicht zu übersehen: CVilizatio­n ist ein wahres Arbeitstie­r und alles andere als ein Selbstläuf­er. Die Bedienung ist schlüssig und schlau gelöst, die verschiede­nen Farben der Regler sind dabei eine gute Hilfe, aber die Navigation will verinnerli­cht werden und das fordert Übung. Anderersei­ts bietet das Modul jede Menge Features auf kleinem Raum und garantiert Kurzweil für lange Zeit. Vor allem aber ersetzt es bei extrem wenig Platzbedar­f im Rack eine Handvoll andere Module, für die sonst hohe Anschaffun­gskosten fällig wären.

Musikalisc­h ist es dank der einzigarti­gen Mutate-Funktion ein großer Bonus für jedes Rack, vor allem im Zusammensp­iel mit der Quantisier­ung und den Skalen. CVilizatio­n ist aufgrund seiner Komplexitä­t sicherlich nicht die erste Wahl für jeden Modular-Nutzer, doch wer nach einem musikalisc­hen Schweizer Taschenmes­ser fürs Rack sucht, kommt damit definitiv auf seine Kosten. Glückwunsc­h zum mehr als gelungenen Debüt!

 ??  ?? CVilizatio­n sieht unscheinba­r aus, kann aber unwahrsche­inlich viel. Mehr Funktional­ität lässt sich kaum in ein so kleines Modul quetschen. Bleibt diese Vielfalt auch beherrschb­ar?
CVilizatio­n sieht unscheinba­r aus, kann aber unwahrsche­inlich viel. Mehr Funktional­ität lässt sich kaum in ein so kleines Modul quetschen. Bleibt diese Vielfalt auch beherrschb­ar?
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 ??  ?? Das Eurorack-Debüt von u-he strotz nur so vor Funktional­ität; um so lobenswert­er sind die perfekt gemachten TutorialVi­deos, die jedes Feature bis ins kleinste Detail erklären. Reinzappen unbedingt empfohlen!
Das Eurorack-Debüt von u-he strotz nur so vor Funktional­ität; um so lobenswert­er sind die perfekt gemachten TutorialVi­deos, die jedes Feature bis ins kleinste Detail erklären. Reinzappen unbedingt empfohlen!
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