Finish him! Game-Musik für Mortal Kombat
Bei der Komposition von Game-Musik gelten ganz eigene Regeln. Schließlich ist hier Musik gefragt, die sich in Stimmung und Intensität an die Spielhandlung anpasst. Die Komponisten Matthias Wolf und Armin Haas sind für Dynamedion tätig, eines der führenden europäischen Unternehmen im Bereich Game-, TV- und Filmmusik. Im Gespräch mit Beat berichten die beiden von ihrer Arbeit für die Soundtracks von Mortal Kombat X und 11 und erläutern, was bei der Komposition von Game-Musik zu beachten ist. Beat / Wie unterscheidet sich die Komposition von Musik für Games von dem Komponieren von Filmmusik oder Production Music?
Armin und Matthias / Bei der Filmmusik geht es in erster Linie um die Unterstützung der Bilder und der Geschichte, die dahinter steckt. Man versucht die Emotionen mithilfe der Musik zu intensivieren und zu leiten. Man arbeitet auch direkt am Bild und muss Tempo und Dynamik des Scores an Dialog und Bildwechsel, etc. anpassen. Die Musik wirkt in den meisten Teilen nur unterbewusst und unterstützend. Handlung, Bild und Dialog haben oftmals den Fokus, aber ohne Musik wirkt es nicht stimmig und leer. Darin hat die Filmmusik ihre Stärke.
Die moderne Production Music für Games ist viel interaktiver und funktionaler gestaltet. Sie reagiert auf das, was der Spieler macht. Es wird oft mit Loops, Stems und Transitions gearbeitet, sodass die Musik auf das reagieren kann, was der Spieler gerade macht. Beispielsweise kann ein Battle 30 Sekunden, aber auch fünf Minuten lang dauern. Da muss die Musik flexibel bleiben und sich dem Spielverlauf anpassen können. Es gibt aber auch durchaus Spiele, bei denen die Stücke wie bei einer Playlist einfach durchlaufen und bewusst für ein bestimmtes Setting und eine Szenerie geschrieben wurden. Anno 1800 wäre hierfür ein klassisches Beispiel, woran wir auch beteiligt waren.
Beat / Was macht für euch einen großartigen Soundtrack aus?
Armin / Der Soundtrack sollte den Hörer auf eine musikalische Reise mitnehmen und diesen emotional abholen. Er sollte neu klingen, aber dennoch das orchestrale Grundgerüst der Filmmusik beinhalten, welches sich schon seit vielen Jahren etabliert hat. Für mich darf es gerne orchestral filigran sein, wie die Musik von John Williams oder John Powell. „Drachenzähmen leicht gemacht“ ist z. B. eine tolle Verbindung aus orchestraler Raffinesse, kombiniert mit tollen Melodien und wunderschöner irisch-ethnischer Musik.
Matthias / Für mich darf der Soundtrack auch gerne sehr atmosphärisch, karg und nordisch sein. Ein paar wenige flirrende Streicher, auch gerne gepaart mit synthetischen Elementen und neu kreierten Klängen, die eine einmalige unverkennbare Szenerie schaffen. Hier fallen mir vor allem die Soundtracks von Jóhann Jóhannsson, Ólafur Arnalds und Max Richter ein. Im Allgemeinen muss der Soundtrack einen berühren und vor allem für sich selbst stehen können. Wenn man nach dem Kinobesuch den Drang verspürt, nach dem Soundtrack zu suchen und sich die Stücke nochmals anzuhören, hat der Komponist alles richtig gemacht.
Beat / Wie seid ihr bei der Komposition des Score für Mortal Kombat 10 und 11 vorgegangen? Welche Vorgaben hattet ihr von dem Entwickler Netherrealm Studios?
Armin und Matthias / Die beiden Spiele waren von der Herangehensweise eigentlich zwei komplett unterschiedliche Projekte. Bei Mortal Kombat 10 waren wir für die Vertonung der Cutscenes zuständig - also klassisches Scoring, bei dem wir auf die Stimmung und Handlung der Story eingehen mussten. Hier haben wir sehr motivisch gearbeitet, also spezielle Leitmotive für Handlungsstränge oder Charaktere entwickelt und diese im Verlauf der Geschichte etabliert. Bei MK 11 haben wir die Ingame-Musik geschrieben. Also ganz Mortal-Kombat-typische Hybrid-Orchestra-Synthie-Rock-Battle-Tracks mit verschiedenen Variationen. Voll auf die Zwölf. Natürlich immer an das Setting der unterschiedlichen Stages angepasst.
Beat / Wie sah eure Arbeits- und Aufgabenaufteilung aus?
Armin und Matthias / Während des ganzen Schaffungsprozesses standen wir in regem Kontakt zueinander, um gemeinsam an der Klangästhetik zu
tüfteln und eine gewisse Homogenität des Soundtracks zu gewährleisten. Wenn man im Team an einem Projekt arbeitet, ist das unabdingbar. Trotzdem hat natürlich jeder Komponist seine eigene Handschrift und das ist auch gut so und hörbar. Da uns beiden der Mortal-Kombat-Stil liegt, mussten wir uns gar nicht zu sehr angleichen. Das ging nahezu automatisch.
Beat / Hat jedes Spiel seine eigene klangliche Identität oder seinen eigenen Signature-Sound?
Armin und Matthias / Hier verhält es sich adäquat zur Filmbranche. Viele der Produktionen bedienen sich ähnlicher Stilmittel und Stereotypen. Weil es einfach funktioniert und in gewisser Weise auch vom Hörer erwartet wird. In großen Produktionen kommt man eigentlich nicht ohne Orchester aus. Hier ist dann eben die Frage, wie man es einsetzt und was man zu dieser Basis hinzufügt, um dem Ganzen seinen eigenen Charakter zu verleihen. Das können ethnische oder historische Elemente sein. Spezielle, seltene Instrumente oder atypische, kontroverse Soundquellen. Das Rad wird aber oft nicht neu erfunden, sondern eben nur individuell zusammengesetzt. Es gibt aber natürlich auch Produktionen, die ganz viele neue Ansätze einbringen, die dann auch zum Industriestandard werden und die Soundtracks von morgen oder eine ganze Ära prägen. Wir denken da zum Beispiel an Hans Zimmers Interstellar und Inception oder Cliff Martinez, Trent Reznor und Hildur Guðnadóttir. Mit ihrer innovativen Art haben diese Komponisten Stilmittel und Elemente etabliert, an denen man sich gerne orientiert. Dieser Freigeist muss dann aber auch vom Regisseur oder Spieleentwickler unterstützt werden. Gerade durch diesen vorgeschobenen Riegel wirkt manches dann doch eher angeglichen.
Beat / Bei Game-Scores muss die Musik der Handlung des Spiels dynamisch folgen. Wie wird das erreicht und wie wirkt sich das auf eure Arbeit als Komponisten aus?
Armin und Matthias / Im Endeffekt ist es Standard, dass Kunden 60-180 Sekunden lange Stücke benötigen, die aber immer in sehr ähnlicher Dynamik und Stimmung bleiben. Das mag sich monoton anhören - aber ganz im Gegenteil: Gerade deswegen muss man versuchen, viel Abwechslung in die Stücke zu bringen, was kompositorisch durchaus anspruchsvoll sein kann. Die richtige Abwechslung für den Gamer kommt dann aber durch die verschiedenen Tracks:
Ambient- , City-, Battle- und Boss-Battle Tracks in verschiedenen Intensitäten und Ausprägungen. Oftmals wird auch mit Layern gearbeitet, die hinzugeschaltet werden, je weiter der Spieler fortgeschritten ist oder wo er sich gerade im Spiel befindet. Die Hauptaufgabe von Musik in Film und Games ist es, die Stimmung zu transportieren und dem Spieler und Zuschauer die Geschichte zu erzählen. Dabei ist es aber ein schmaler Grat zwischen Auffälligkeit und Unaufdringlichkeit. Mit welchen Mitteln das passiert, ist bei jedem Projekt aber immer wieder neu und anders. Und das ist das Spannende an unserer Arbeit. Du musst dich kontinuierlich neuen Herausforderungen stellen, darfst aber im Gegenzug deine Farbpalette mit schönen, neuen und ausgefallenen Farben anreichern.