Musiktipps aus dem Netz
Deine Lakaien: Dual
Interessantes Konzept. Deine Lakaien haben das erste Doppelalbum ihrer Karriere aufgenommen. CD zwei sind zehn Coverversionen wie „Because The Night“(Patti Smith Group), „Dust In The Wind“(Kansas), „Black Hole Sun“(Soundgarden) oder „My December“(Linkin Park), die wiederum die zehn eigenen Songs der ersten CD beeinflusst haben. Jedoch klingen sie allesamt typisch nach Deine Lakaien. Heißt: Alexander Veljanovs samtweicher Bariton thront auf den extravaganten Elektronikkompositionen von Ernst Horn, der mit seiner immensen Experimentierfreude einmal mehr auch Freunden anspruchsvoller Klänge Freude bereitet, da es in den oberflächlich gesehen melancholischen Dark Wave-Salven unter der Oberfläche sehr künstlerische und anspruchsvolle Klangwelten zu entdecken gibt, die die Grenzen von U- und E-Musik gekonnt niederreißen.
Genre: Dark Wave | Label: Odyssey Music Network
Field Kit: Field Kit
Für dieses Projekt kamen zwei Künstler aus dem Filmmusikbereich zusammen: Die Berliner Violinistin Hannah von Hübbenet hat u. a. für die Serie „Charité“und die Doku „Schwarzer Adler“Musik gemacht, der Produzent John Gürtler steuerte den Score für „Systemsprenger“bei. Auf ihrem Debüt vereinen sie Elemente von Film-Scores mit Ambient, Neoklassik und Electronica. Das weitgehend instrumentale Album ist düsterer Natur und hat häufig etwas Disruptives, da Momente der Schönheit aufgebrochen werden durch dissonante oder beklemmende Passagen. Die Grenzen zwischen elektronischen und akustischen Instrumenten verwischen häufig, Instrumente werden absichtlich „falsch“verwendet und es ist erstaunlich, welch famose Klänge Hannah von Hübbenet ihrer Geige und einigen Effektgeräten entlockt. Die 9 Tracks muten psychedelisch, ätherisch und sphärisch an.
Genre: Ambient | Label: Nonostar Records
Gary Numan: Intruder
Diesen Vorreiter des Electro- und Synth-Pop muss man sicher niemandem mehr vorstellen. Auf seiner neuen Platte setzt sich der Brite, der seit Langem in Los Angeles lebt, mit der Zerstörung des Planeten auseinander und befasst sich mit dem Klimawandel aus Sicht der Erde. Eine Stimme gibt er Mutter Erde mit Hilfe moderner Elektronik und Industrial-Elementen, aber auch mit Splittern aus den Bereichen Rock und Soundtracks sowie balladesken Nuancen. Zwischen Wut, Angst, Bedrückung und Verzweiflung deckt die Stimmungspalette ein breites Feld ab. Und auch musikalisch zeigt Numan, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Zwar fehlen offensichtliche Hits, doch gibt man dem Longplayer etwas Zeit, ergeben sich viele spannende Arrangements und eine gelungene Produktion mit viel Liebe zum Detail. Hoffentlich nicht der Score zur wirklichen Apokalypse, sondern eher ein Denkanstoß.
Genre: Electro/Industrial-Rock | Label: BMG Rights Management/Warner
Humanbeing: Humanbeing
Hinter diesem Projektnamen steckt der Filmkomponist Rossano Baldini, der auch im Bereich Jazz bekannt ist. Entgegen der Erwartungen, die der Name Humanbeing weckt, geht er hier eher in Richtung elektronischer Musik, die er mit den Klängen eines präparierten Pianos verbindet. Beeinflusst von der Geburt seines zweiten Kinds dringt Baldini konzeptuell in den Zyklus von Geburt und Wiedergeburt vor und schafft außerweltliche Klänge, die etwas Ätherisches und Geisterhaftes, aufgrund der pulsierenden Elektronik aber auch Lebendiges an sich haben. Jedes der 6 Stück ist nach einem Organ im Körper benannt – wie „Blood“oder „Heart“– und doch funktionieren sie zusammen als Gesamtwerk, ähnlich eines Körpes. Baldini fusioniert hier modernen Dance mit experimentellen Nuancen und Elementen der Neoklassik zu einem sehr hörenswerten, aber leider etwas kurzen Gesamtkunstwerk.
Genre: Neoklassik, Electronica | Label: RareNoiseRecords
Oriom: Healing Source
Das Besondere der Releases des Labels Klangwirkstoff Records ist, dass sie nicht auf dem Kammerton A und somit 440 Hz basieren, sondern sich tonal an Naturereignissen orientieren. So auch das etwa 77-minütige Album „Healing Source“von Rainer von Vielen, wo jeder Track in einer anderen Planetentonstimmung komponiert wurde. Den Hörer erwartet also eine Reise ins All, hin zu Planeten wie Venus, Mars, und auch ein längerer Aufenthalt auf der Erde (hier ist die Erdresonanz von 432 Hz die zentrale Frequenz). Die Klänge könnte man grob zwischen Ambient und Weltmusik einordnen, wobei durch den häufigen Kehlkopfgesang und den Einsatz ethnischer Instrumente in Kombination mit elektronischen Klangerzeugern eine sonderliche Atmosphäre entsteht, die meditativ und hypnotisch wirkt. Rainer selbst empfiehlt das Werk für Weltraum-Yoga, Planeten-Atmung und Sternen-Meditation. Na dann, gute Reise!
Genre: Weltraum-Ambient | Label: Klangwirkstoff Records
Robert Ames: Change Ringing
Eigentlich kennt man Robert Ames als Dirigent, Kurator, Komponist und Arrangeur. Mit seinem London Contemporary Orchestra kollaborierte er u. a. mit Radioheads Jonny Greenwood, Jon Hopkins, Frank Ocean oder Sigur Rós sowie Leuten aus der Klassik wie Steve Reich, Terry Riley und Philip Glass. Man mag es nicht glauben, aber „Change Ringing“ist tatsächlich sein Debütalbum. Er bringt elektronische und akustische Klangerzeuger zusammen, welche eine dichte Soundcluster erzeugen, die zeitlupenhaft vor einem vorbeizieht. Orchestral, aber sehr langsam fließend sind die 6 Instrumentals. Große Räume, sakrale Atmosphären. Elemente aus Ambient, Electronica, Klassik und Film-Scores erwarten uns ebenso wie deutliche Klangverfremdungen und ein Übermaß an Düsternis. Ein Album, in das man am besten mit Kopfhörern eintaucht, um mittendrin statt nur dabei zu sein.
Genre: Soundtrack | Label: Modern Recordings/BMG
Scooter: God Save The Rave
Auch nach mehr als 25 Jahren seit ihrem Debüt „...And The Beat Goes On!“zeigen Scooter, dass sie neben ballernden Beats auch die Kunst des Songwritings beherrschen. Auf „God Save The Rave“gibt es wieder die altbekannten Scooter-Trademarks wie die Shouts von H.P. Baxxter und jenen Mix aus poppigen Eurodance-Elementen und harten Techno-Rhythmen, doch das Trio zeigt, dass es weitaus mehr in petto hat: Jede Nummer hat eigene Charakteristika, ob Ethno-Elemente, Frauengesang verschiedener Couleur, Hip-Hop-Vocals oder Dudelsäcke. Kooperationen mit Harris & Ford, Dimitri Vegas & Like Mike, Finch Asozial und Xillions sorgen für zusätzliche Vielfalt. Nur beim abschließenden Cover „Wandering Star“merkt man, dass Baxxter die tiefe Lage längst nicht so gut liegt wie die energischen Schreie. Und explosives Partysprengen liegt Scooter eh mehr als nostalgische Melancholie.
Genre: Techno | Label: Kontor Records
Secret Of Elements: Chronos
Man sollte sich nicht täuschen lassen von der idyllischen Ruhe, die dieses Werk zu Beginn ausstrahlt, denn so schön die Musik des Rostockers Johann Pätzold auch ist, sie steckt voller Tragik. Der talentierte Komponist verarbeitet die unterschiedlichsten Schicksalsschläge und Krisen, von privaten Verlusten bis hin zu seinen Erfahrungen auf dem Mittelmeer, wo er versuchte Flüchtlingen das Leben zu retten. So ist „Chronos“ein Album, das zunehmend tiefer geht und den Hörer vereinnahmt. Die instrumentalen Stücke bewegen sich zwischen Ambient, Electronica, Neo-Klassik und Klaviermusik. Es sind melancholische, atmosphärische und gut durchdachte Stücke mit viel Variation, die von einem guten Know-How im Produktionsbereich zeugen und auch gut als Filmmusik eingesetzt werden könnten.
Genre: Neo-Klassik, Electronica | Label: Infine
Sunroof: Electronic Music Improvisations Volume 1
Daniel Miller ist Chef des bekannten Mute-Labels, das u. a. Depeche Mode jahrelang begleitet hat, Gareth Jones ist ein einflussreicher Produzent, der neben Depeche Mode auch Bands wie Erasure, Interpol oder die Einstürzenden Neubauten betreute. Zusammen haben sie live in London ein instrumentales Album aufgenommen, das komplett improvisiert ist und auf dem die Modulartechnik ein Eigenleben annimmt. Sunroof war ursprünglich ein Remix-Projekt, das Songs von Can, Goldfrapp oder MGMT neu belebt hat. Diesmal wollte man die Modular-Synths insofern zügeln, dass man sich vornahm, kurze Stücke statt Endlos-Jams zu machen. Das Ergebnis sind 8 zeitlose Stücke, die an Tangerine Dream, Klaus Schulze oder Chris Carter erinnern. Technisch und nicht wirklich emotional, aber auf merkwürdige Weise doch berührend.
Genre: Modular-Electro | Label: Parallel Series/Mute
V.A.: Deewee Foundations
Deewee ist das Label der Brüder David und Stephen Dewaele (aka Soulwax, 2manydjs). „Foundation“ist nicht nur der 50. Release des Labels, sondern auch ein umfassender Überblick über das Programm der Firma: Es sind insgesamt 27 Tracks zu hören, darunter Künstler wie Charlotte Adigery, Laima, Each Other, Klanken, Asa Motto, Die Verboten und natürlich auch ein paar Tracks von Soulwax. Was sie alle vereint, ist, dass sie im Studio III der Brüder in Gent entstanden ist, da es Teil der Philosophie ist, dass alle veröffentlichten Tracks durch die Hände der Herren Dewaele gehen müssen. Somit ist diese Label-Compilation nicht nur eine Reise in die Vergangenheit des Labels, sondern auch des Studios. Wer Neues irgendwo zwischen Electro, Pop und Dance entdecken möchte, sollte sich etwas Zeit nehmen, um in den reichhaltigen Fundus von Deewee einzutauchen. Es lohnt sich!
Genre: Electro, Dance | Label: Deewee/Because Music