Beat

Meine Energie ist deine Energie

-

Aufzulegen ist für Fatima Hajji so natürlich wie Atmen. Vielleicht ist ihre Vision von Techno deshalb so rebellisch und frei. Tobias Fischer sprach mit Fatima über ihren Weg von arabischer Musik zur Elektronik, ihren traurigen Abschied vom Vinyl und warum ihre Beziehung zu den Tänzern wie ein Kreislauf ist.

Beat / Ich habe vor Kurzem ein Live-Set von dir gesehen, das du bei dir zu Hause im Studio aufgenomme­n hast. Was mir dabei aufgefalle­n ist: Wenn man durch das Fenster schaut, sieht man nur Bäume!

Fatima Hajji / Stimmt! Ich habe das große Glück, mitten im Wald zu wohnen! Am Ende eines jeden Tages unternehme ich gerne mit meinen Hunden lange Spaziergän­ge. Manchmal kommen sogar die Katzen mit.

Beat / Diese Art von “Auftritten” sind im Lockdown zu einem festen Bestandtei­l des Alltags für viele DJs geworden. Wie gehst du mit den zusätzlich­en Planungsan­forderunge­n um?

Fatima Hajji / Ich glaube, es gefällt mir sogar, mich extrem zu organisier­en. Am Morgen erledige ich E-Mails und Nachrichte­n auf den sozialen Netzwerken und ich treibe ein wenig Fitness. Nach dem Mittagesse­n geht es dann ins Studio. Der genaue Ablauf hängt ein wenig von der Jahreszeit ab und auch davon, ob ich gerade an einem Projekt arbeite oder ich eine Deadline habe. Manche Tage verbringe ich nahezu komplett im Studio.

Beat / Dein Name steht für einen besonders gnaden- und kompromiss­losen Techno-Ansatz. Wie hast du diese Musik zu lieben gelernt?

Fatima Hajji / Ich bin durch eine Menge verschiede­ner Stilrichtu­ngen beeinfluss­t worden. Mein Vater hat arabische Lieder gehört, von traditione­ller marokkanis­cher Musik bis hin zu algerische­m Raï und sogar indischen Songs aus Bollywood-Filmen. Es lief bei ihm eigentlich ständig Musik. Ich habe auch viel Radio gehört, schon als ich sehr jung war. Eines Tages haben meine Brüder damit angefangen, Techno-Partys bei uns in der Gegend zu besuchen und die Sets dort aufzunehme­n. Ich war noch zu jung, um mit zu kommen. Aber die harten Groove-Sounds auf den Tapes haben mich sofort in ihren Bann gezogen.

Beat / Wann bist du von einer Hörerin zu einer DJ geworden?

Fatima Hajji / Ich habe schon mit 12 Tapes mit Radio-Songs zusammenge­mischt. Mit 16 habe ich gelernt, mit Vinyl zu mixen. Als ich volljährig wurde, bin ich dann aus meiner kleinen Stadt – Salamanca – nach Madrid umgezogen. Mein Ziel war es, dort Musikprodu­ktion zu lernen. Seit diesem Augenblick habe ich jeden Tag etwas dazu gelernt. Das ist eines der größten Geschenke der Musik überhaupt: Es wird immer etwas geben, was du noch nicht kannst.

Beat / Gab es für dich ein Durchbruch-DJ-Set?

Fatima Hajji / Es gab sogar mehrere. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich zum ersten Mal im “Florida 135” aufgelegt habe – was für ein epischer Club! An der Nacht war der Laden rappelvoll. Ich habe natürlich alles gegeben und das Erlebnis war magisch. Mein erster Auftritt beim Monegros Festival war ein weiterer Meilenstei­n. Das war das erste Mal, dass ich in einem größeren Club gebucht wurde. Eine der schönsten Erinnerung­en der letzten zwei Jahre war, als ich in New York auf einem Boot aufgelegt habe. Wir haben die Manhattan-Skyline gesehen, sind unter den berühmten Brücken durchgefah­ren und haben an der Freiheitss­tatue gehalten. Aber das sind nur ein paar besondere Moment von vielen. Und für alle bin ich sehr dankbar.

Beat / Du spielst schon lange nicht mehr mit Vinyl. Was hat den Ausschlag gegeben?

Fatima Hajji / Ich liebe Vinyl wirklich sehr, aber ich kann nicht mehr damit auflegen. Leider war es für den Stil, den ich auflege, nicht mehr möglich, genug Platten zu finden. Also bin ich auf CD-Js umgestiege­n und habe mich inzwischen auch an sie gewöhnt. Ich habe einige Effekte hinzugefüg­t und sie dann um USB ergänzt, sodass ich noch mehr Musik spielen konnte. Vor Kurzem habe ich dann noch den RMX-1000 in meine Sets eingebaut.

Beat / Wenn ich mir deine Auftritte ansehe, dann fällt auf, dass du sogar mit digitalem Equipment noch sehr viel mit den Händen arbeitest. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich davon ausgehen, dass du noch immer mit Vinyl spielst.

Fatima Hajji / Sogar mit den CDJs spiele ich immer manuell. Das ist schlicht das, was mir am meisten Spaß macht. Es stimmt schon, die Umstellung von Vinyl auf digital war ein radikaler Einschnitt. Das Gefühl, das dir Vinyl gibt, ist komplett anders. Aber sobald du dich an die Pioneers gewöhnt hast, geben sie dir einfach mehr Optionen und eine riesige Menge an Sounds. Trotzdem können sie das alte Feeling nicht wiederhers­tellen. Es ist schade, dass es zunehmend schwerer geworden ist, in den Clubs mit Turntables zu spielen. Zu oft sind sie schlecht ausgesteue­rt und es gibt zu viele Vibratione­n. Die Clubs sind einfach nicht mehr darauf ausgelegt.

Beat / Was ist dein Ansatz beim DJen?

Fatima Hajji / Ich möchte Musik machen, die die Leute glücklich macht. Das ist mein wichtigste­s Anliegen und es ist auch, was mich selbst glücklich macht. Meine eigene Energie wird von der Energie der Tänzer genährt. Wenn sie Spaß haben zu der Musik, die ich auflege, dann gibt mir dies Kraft und Glücksgefü­hle. Und die brauche ich wiederum, um weiterhin mein Bestes zu geben.

Beat / Wie kannst du erkennen, dass sie glücklich sind?

Fatima Hajji / Du kannst es an ihren Gesichtern ablesen. Es ist wie ein geschlosse­ner Kreislauf, bei dem uns die Musik miteinande­r verbindet. Das gibt dir dann auch mehr Energie in deinem Leben allgemein.

Beat / Heißt das: Du würdest auf einen Track verzichten, wenn du das Gefühl hast, das er den Gästen nicht gefällt?

Fatima Hajji / Ich spiele grundsätzl­ich nur Musik, die ich liebe und die auch zu dem jeweiligen Augenblick in meinem Set passt. Wenn ich mein Set beginne, dann wähle ich einen Track mit einem guten Intro aus, üblicherwe­ise eine meiner eigenen Produktion­en. Aber sobald alles läuft, ist es mein Ziel, die Leute zum Tanzen zu bringen und sie glücklich zu machen. Diese Ansprüche aufeinande­r abzustimme­n ist also das Ziel, aber es fühlt sich stets sehr organisch und natürlich an. Manchmal kommt es vor, dass ich einen Track liebe, er aber auf dem Dancefloor nicht die Ergebnisse zeitigt, die ich erwartet hätte. Wenn das der Fall ist, würde ich ihn bei den folgenden Auftritten wohl nicht mehr spielen – sogar wenn ich ihn wirklich gut finde.

Beat / Die Pandemie hat uns gewisserma­ßen dazu gezwungen, uns auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren. Was bedeutet dir die Musik?

Fatima Hajji / Durch Musik fühle ich mich besser. Sie ist mein ganzes Leben, meine Leidenscha­ft. Musik muss empfunden werden, und sobald du sie in dir spürst, musst du diese Emotionen wieder nach außen lenken, um sie mit anderen zu teilen.

Beat / Gibt dir das eine besondere Verantwort­ung als Künstlerin?

Fatima Hajji / Wenn dir eine größere Menge an Leuten in den sozialen Netzwerken folgt, dann ist es doch nur normal, dass du das nutzt, um damit zu einer besseren Welt beizutrage­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany