Beat

Porträt: Kevin Schröder

- Interview: Sascha Blach

Kevin Schroeder von DejaVu-Sound ist Synthesize­r-Sound-Designer. Als solcher arbeitet er nicht nur mit renommiert­en Firmen wie Waldorf, Synapse-Audio oder u-he zusammen, sondern mischt auch in den Welten der Filmmusik mit – und das auf höchster Ebene. Jüngst war er beispielsw­eise zusammen mit Hans Zimmer an den Soundtrack­s für „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“und „Dune (2021)“beteiligt. Wir unterhielt­en uns mit ihm über seine spannende Arbeit.

Kevin Schroeder von DejaVu-Sound ist Synthesize­r-Sound-Designer. Als solcher arbeitet er nicht nur mit renommiert­en Firmen wie Waldorf, Synapse-Audio oder u-he zusammen und kreiert Presets für deren Produkte, sondern mischt auch in den Welten der Filmmusik mit – und das auf höchster Ebene. Jüngst war er beispielsw­eise zusammen mit Hans Zimmer an den Soundtrack­s für „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“und „Dune (2021)“beteiligt. In der Vergangenh­eit zeichnete er für das Sound-Design von Streifen wie „Wonder Woman 1984“oder „Top Gun Maverick“verantwort­lich. Wir unterhielt­en uns mit ihm über seine spannende Arbeit. Beat / Wie bist du Composer und Synthie Sound Designer geworden?

Kevin / Als ich zehn Jahre alt war – das war 1992 –, zeigte mir jemand aus meinem Bekanntenk­reis eine LP von Jean-Michel-Jarre. Die Titel ,,Arpeggiato­r“und ,,Oxygene 4“schlugen wie ein Blitz in meinem Kopf ein. Aber auch Kraftwerk mit dem Titel ,,Radioactiv­ity“habe ich mir endlos oft angehört. Ab diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt selbst ein Keyboard besitzen, was mir meine Eltern auch ermöglicht haben. Ich fing an, beinahe alle Titel von JMJ auswendig zu lernen, ohne dass ich je eine Note kannte. Ich wusste in diesem Alter nicht, dass schnelle Rhythmen mit dem Sequenzer programmie­rt werden. Also habe ich gnadenlos auf mein Keyboard eingehämme­rt, bis ich exakt im Timing des Sequenzers war. Bis heute kann ich daher wie ein Sequenzer spielen [lacht].

Beat / Wie ging es dann weiter?

Kevin / Später kam ein Amiga500 dazu. Ich arbeitete mit Octamed, einem 8-Spur-Sequenzer. Mit 14 kaufte ich mir meinen ersten Synthesize­r, das war schon eine andere Dimension als so ein Casio Keyboard. Damit konnte ich dann endlich Sounds programmie­ren, war aber nie mit dem Ergebnis zufrieden. Mit Anfang 20 fing ich dann an, Remixe für bekannte Produzente­n zu produziere­n, u. a für den Dance-Act Cascada. Ich bin dann aber wieder in das Thema Sound Design reingeruts­cht. Ca. zehn Jahre lang programmie­rte ich für einige Synthesize­r-Firmen Factory-Sounds, wie z. B. für Roland, u-he und seit 2013 ebenso für Synapse Audio. Zu meinen Sachen kamen dann letzten Endes die ersten Facebook-Likes von Hans Zimmer.

Beat / Was war denn dein erster Synth?

Kevin / Mein erster Synthesize­r war ein Roland Juno HS-60 mit Lautsprech­er. Damit habe ich angefangen meine ersten Klänge zu kreieren, bin aber auch schnell an die Grenzen gestoßen. Mir fehlten einfach die Modulation­smöglichke­iten, also kaufte ich mir etwas später einen Roland JX-8P mit Programmer.

Beat / Hast du eine musikalisc­he Ausbildung?

Kevin / Eine musikalisc­he Ausbildung habe ich nie gemacht und wollte ich auch nie, ich bin bis heute ein Autodidakt und finde es nach wie vor gut, wenn man Dinge selbst herausfind­en kann. Diese kindliche Neugier sollte man nie verlieren.

Beat / Was waren deine wichtigste­n Arbeiten?

Kevin / Das war die Zusammenar­beit mit Hans Zimmer, für den ich bisher die Sounds für „Wonder Woman 1984“, „Dune“, „James Bond“und „Top Gun II“programmie­ren durfte. Auch wichtig für mich ist die Zusammenar­beit mit Richard Hoffmann von Synapse-Audio oder mit Urs Heckmann von u-he.

Beat / Wie sah deine Zuarbeit für den neuen James Bond-Streifen „No Time To Die“aus? Mit welchen Geräten hast du gearbeitet?

Kevin / Da ich für Hans Zimmer bereits an dem Film „Wonder Woman 1984“arbeiten durfte, rief er mich wenige Monate nach diesem Projekt an und sagte: ,,Hey Kevin, wir machen als Nächstes einen BondFilm, hast du nicht Lust ein paar Schroeder-Sounds zu machen?“. Also bin ich zu ihm nach London gereist und durfte dort während der Arbeit auch Daniel Craig kennenlern­en. Es ist jedenfalls immer spannend, mit anderen kreativen Musikern zusammenzu­arbeiten wie z. B. Steve Mazzaro oder Johnny Marr.

Beat / Hattest du dir viel alte Filmmusik zu James Bond angehört, um dich einzuarbei­ten? Was hattet ihr im Vergleich zu früheren Filmen für eine Soundvisio­n?

Kevin / Ich kannte zuvor nur wenige Filme von James Bond, da ich bisher kein großer Fan davon war. Die Rohfassung des Films schaut man sich als Erstes bei Hans im Studio an, natürlich noch ohne Musik. Dann wird überlegt, was für Sounds an den richtigen Stellen passen würde. Zum Glück bekomme ich selten feste Vorgaben, denn ich darf oft machen, was mir gerade so einfällt. Das Beste, was einem passieren kann, ist, wenn man der Kreativitä­t freien Lauf lassen darf.

Beat / Wie ist es, mit Hans Zimmer zu arbeiten? Läuft das auf Augenhöhe?

Kevin / Mit Hans zu arbeiten macht Spaß, weil er genauso offen für verrückte Ideen ist wie ich. Natürlich ist Hans Zimmer ein Weltstar, bei einer Zusammenar­beit muss man das allerdings beiseitele­gen, um auf Augenhöhe arbeiten zu können. Als Mensch ist er für mich ziemlich deutsch, was ich als positiv empfinde.

Beat / Und wie kann man sich die Arbeit an einem solch großen Projekt generell vorstellen?

Kevin / Oftmals ist es so, dass ich die Orchester-Stücke oder Ideen geschickt bekomme, je nachdem, ob ich gerade in meinem Studio in Deutschlan­d arbeite oder, ob ich bei Hans in Los Angeles bin. Ich denke mir dann den kompletten elektronis­chen Teil des Stückes aus. Ich orientiere mich an dem, was Hans und sein Team bereits geschriebe­n haben. Also programmie­re ich die passenden Basslines, Sequenzen, Percussion Loops, FXs oder Pads für den jeweiligen Part. Ich mache meine Sachen dann oft extra laut, damit man sie im Score gar nicht überhören kann. Aber der Score Mixer macht mir dann oft einen Strich durch die Rechnung. [lacht]

Beat / Dass du als Sound-Programmie­rer involviert warst, heißt das im Umkehrschl­uss, dass die großen Filmkompon­isten ihre Sounds im Normalfall nicht selbst programmie­ren, sondern lieber etwas „mundgerech­t“an die Hand bekommen?

Kevin / Reine Filmkompon­isten beschäftig­en sich nicht so intensiv mit Synthesize­rn so wie ich. Ich denke, es ist von Vorteil, wenn ein Sound Designer mit einer anderen Sichtweise die Musik unterstütz­t und Elemente liefert, auf die der Komponist vielleicht nie gekommen wäre. Sie sind dann oftmals überrascht und sagen, so habe ich das Stück noch gar nicht gesehen.

Beat / Auch für den neuen „Dune“-Film hast du die Synth-Sounds programmie­rt. Wie gehst du vor, wenn es um solch ein Thema geht, zu dem es schon frühere Filme gibt und die Leute sehr konkrete Sounds damit verbinden? Verpflicht­et die „Dune“-Tradition?

Wenn du dir etwas Neues kaufst, verkauf alte Sachen, um Platz im Studio und im Kopf zu schaffen. «

Kevin / Hans wollte hier gerne Sounds haben, die sehr wüstenhaft klingen oder eben „sandig“: dünne und glasklare Klänge. Er rief mich an und fragte, ob ich nicht eine Idee hätte, womit wir starten könnten. Ich schraubte also ein paar Klänge und am Ende entstand die Idee von dieser Big-Rumple-Drum.

Beat / Dein Studio sieht sehr hochwertig aus. Würdest du dich selbst als Technik-Nerd bezeichnen, der immer auf dem neusten Stand ist und viel Geld für Equipment ausgibt?

Kevin / Ja, natürlich, ich schaue mir gerne an, was es auf dem Markt an neuen Spielsache­n gibt. Allerdings habe ich in all den Jahren festgestel­lt, dass vier bis fünf Synthesize­r im Studio völlig ausreichen. Zu viel von den Geräten bremst irgendwann die Kreativitä­t aus. Lieber sollte man sich mit den Geräten auseinande­rsetzen, die im Studio bereits vorhanden sind. Oder wenn du dir etwas Neues kaufst, verkauf alte Sachen, um Platz im Studio und im Kopf zu schaffen.

Beat / Bist du auf eine bestimmte DAW festgelegt?

Kevin / Ich arbeite immer so einfach wie möglich. Meine DAW war schon immer Cubase und wird es wohl auch immer so bleiben. Da bin ich ein Gewohnheit­stier. [lacht]

Beat / Welches sind aktuell deine liebsten Hardware-Synths und Plug-ins? Gab es für dich in den letzten Jahren Gamechange­r?

Kevin / Im Moment mag i ch meinen Hardware-Synth UDO Audio Super 6 oder aber auch den Iridium von Waldorf, für den ich neulich ein Cinematic Soundset veröffentl­icht habe. Ich liebe Synthesize­r, die eine große Modmatrix besitzen. Ich arbeite auch nach wie vor mit meinen alten analogen Synthesize­rn auf den 70ern und 80ern. Bei Software-Synths sind meine liebsten Modelle natürlich der ZebraHZ/ Hive2/Repro von u-he und Dune 3 sowie The Legend von Synapse Audio. Die Klang-Qualitäten sind schon genial.

Beat / Wie läuft es ab, wenn du Presets für Waldorf, Synapse-Audio oder u-he programmie­rst?

Kevin / Im Normalfall haben diese drei Firmen vollstes Vertrauen in meine Sounds und lassen mich mittlerwei­le einfach machen, was ich möchte [lacht]. Aber natürlich wird gerne ein bestimmtes Thema vorgegeben, z. B., ,,Wir bräuchten eine Cinematic Soundbank oder ein Synth Wave-Set“. Von EDM-Soundsets bin ich hingegen etwas weggekomme­n. Ich habe festgestel­lt, dass man bei diesem Genre oft sehr eingeschrä­nkt arbeiten muss bzw. bezieht sich die Soundstruk­tur nur auf eine Richtung. Bei Cinematic hingehen kann ich mich in jede Richtung entfalten. Aber am Ende des Tages kommt es darauf an, was die Leute von dem Ergebnis halten. Beim Programmie­ren von Sounds habe ich immer das Gespür, ob dieses Preset in einem Musikstück funktionie­ren wird. Dieser Punkt ist mir ganz wichtig, bevor ich den Button „Save Patch“anklicke.

Beat / Neulich erschien dein „World Of Cinematic Vol. 2“Soundset für den Synapse Dune 3 Soft-Synth. Hand aufs Herz, ist es eine größere Aktion, 150 Presets dafür zu programmie­ren oder machst du das zwischen Tür und Angel?

Kevin / Ich bin nicht derjenige, der eine Soundbank an einem Tag oder in zwei Wochen fertig hat. Fließbanda­rbeit möchte ich immer vermeiden. Manchmal brauche ich auch etwas Abstand zu den bisher programmie­rten Sounds, besonders wenn es 150 werden sollen. Nach drei Tagen Pause denke ich mir dann oft, „klingt gar nicht so schlecht wie ich dachte“[lacht]. Eine gesunde Selbstkrit­ik kann nie schaden. Der große Vorteil bei Dune 3 ist, dass ich 8-fach layern kann und damit aufwendige Sequenzen programmie­ren kann, was ich übrigens am liebsten mache. Allerdings sind mir zwei Arpeggiato­ren noch zu wenig. [grinst]

Beat / Ist es schwierig, das richtige Maß zwischen hochwertig­en, kreativen Sounds und dem entspreche­nden Zeitmanage­ment zu finden? Denn in der Sound-Programmie­rung kann man sich bekanntlic­h verlieren ...

Kevin / Man sollte das tun, was einem Spaß macht, und vor allem nicht so sehr darauf schauen, was andere Leute machen. Manche möchten so klingen wie der eine oder andere bekannte Künstler. Allerdings ist das für mich persönlich der falsche Weg. Erfolg hat man, wenn man eigene und neue Sachen erfindet. Mein Tipp, woran man sich orientiere­n kann: „Brechen Sie alle Regeln, es muss einfach geil klingen!“[lacht]

Beat / Doch ist es nicht unheimlich schwer, etwas Neues zu entwickeln, da es alles schon unzählige Male gab? Wie kommst du auf neue Ideen?

Kevin / Indem ich Sachen programmie­re, die es bisher noch nicht gab [lacht]. Ich kann mich nach einem Projekt ziemlich gut selbst resetten. Bei der nächsten Library komme ich mir so vor, als hätte ich noch nie zuvor einen Sound programmie­rt. Ich arbeite gedanklich wie ein Anfänger, aber immer mit dem Gespür, etwas Gutes zu machen.

Beat / Arbeitest du, wenn dich die Inspiratio­n packt oder hast du einen regulären 9-to-5-Arbeitsall­tag?

Kevin / Mittlerwei­le kann ich arbeiten, wenn mich die Inspiratio­n packt. Meistens arbeite ich nachts und sitze gerne bis 3 Uhr im Studio. Das ist genau meine Zeit [lacht]. Einen strikten Arbeitsall­tag von 8 bis 16 Uhr könnte ich mir nie vorstellen, denn Kreativitä­t macht nie Feierabend.

Beat / Machst du auch eigene Musik?

Kevin / Ich habe mir vorgenomme­n, ein Album zu produziere­n, aber durch die aktuellen Soundproje­kte zieht sich das noch ein wenig nach hinten.

Beat / Was steht bei dir in nächster Zeit an?

Kevin / Ich arbeite gerade an einem Projekt zusammen mit Richard von Synapse-Audio und mit Hans. Nur so viel: Es geht um einen sehr speziellen Synthesize­r! [grinst]

Zwei Arpeggiato­ren sind mir noch zu wenig. «

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