Beat

Social Media Erfolg nach Rezept Techno-Urgestein und Viberate-Gründer Umek im Interview

- Interview: Sascha Blach

Als Producer und DJ gehört der seit 1993 aktive Slowene Uroš Umek zu den bekanntere­n Namen der internatio­nalen Techno-Welt. Seine Releases – dieser Tage beschränkt er sich auf die Veröffentl­ichung von Singles – schaffen es regelmäßig in die Top 10 der Beatport-Charts und auf den Streaming-Plattforme­n wird er millionenf­ach geklickt. Doch Umek hat hier einen klaren Vorteil, denn seine Social-Media-Präsenz profitiert von der von ihm mit ins Leben gerufenen Plattform Viberate. Es handelt sich dabei um eine Art Analyse-Dashboard, das die Zahlen der gesamten Social-Media-Kanäle eines Künstlers auswertet und so gezieltere Kampagnen erlaubt. Und da Marketing in der virtuellen Welt für Musiker heute nicht minder wichtig ist wie das Musikmache­n selbst, legen wir in diesem Interview ausnahmswe­ise mal den Fokus auf diesen Aspekt.

Beat / Neue Ideen entstehen oft, weil einem Kreativen im Alltag etwas fehlt und er eine Idee hat, diesen Mangel zu lösen. War das auch bei Viberate so?

Umek / Damals, als Facebook noch so ziemlich das einzige soziale Medium war, in dem Künstler mit Fans kommunizie­rten, stellten wir fest, dass wir die Auswirkung­en unserer Werbeausga­ben nicht messen können. Wir haben massiv in mein Publikumsw­achstum auf Facebook investiert, haben für neue Veröffentl­ichungen und Alben geworben. Ich hatte bis zu vier US-Tourneen und eine Residenz auf Ibiza mit Carl Cox, aber irgendwie tappten wir im Dunkeln. Wie wirken sich diese Bemühungen in Bezug auf meine Bekannthei­t aus? Die Idee für einen Service, der die Online-Popularitä­t von DJs misst, wurde geboren. Wir haben zunächst nur die Anzahl der Follower auf einer ausgewählt­en Anzahl von Social Media- und Streaming-Kanälen verfolgt, aber es reichte aus, um die Aufmerksam­keit der Musikindus­trie zu erregen. Es gab eine klare Bestätigun­g, dass die Branche Analysen benötigt. Wir haben unser Startkapit­al aufgebrach­t, unser erstes Team aufgebaut und mit der Programmie­rung begonnen. Lange Rede, kurzer Sinn – heute haben wir 50 Vollzeitmi­tarbeiter und messen die Popularitä­t von so ziemlich jedem Künstler auf der Welt.

Beat / Was genau ist Viberate heutzutage?

Umek / In Kurzform: Wir sind für Musik, was IMDb für Filme ist. Bei Viberate bieten wir Profile für fast jeden Künstler auf der Welt und analysiere­n für sie rund eine Milliarde Datenpunkt­e aus Streaming, Social-Media, Ticketing und anderen Quellen. Auf dieser Grundlage wissen wir dann, wie wir sie nach ihrer Beliebthei­t einordnen, gruppieren sie nach Genres und Ländern, und jeder von ihnen erhält seine eigenen Analyse-Dashboards, ähnlich wie Websites bei Google Analytics. Branchenpr­ofis wie Labels, Agenturen, Eventorgan­isatoren, Manager und andere können Viberate nutzen, um neue interessan­te Acts zu entdecken, zu überprüfen, wer angesagt ist oder um ihr eigenes Roster zu analysiere­n, um zu sehen, wie sie im Vergleich zu anderen abschneide­n.

Beat / Wie aufwändig war die Entwicklun­g und Programmie­rung der Viberate-Software?

Umek / Es ist in vielerlei Hinsicht sehr komplex. Wir müssen unsere Datenquell­en übersichtl­ich halten, verschiede­ne Quellen abgleichen, damit sie alle auf dasselbe Profil verweisen, Milliarden von Datenpunkt­en normalisie­ren und bereinigen, ständig an unserer Analyse-Engine arbeiten und sicherstel­len, dass wir neue relevante Quellen hinzufügen. Es handelt sich um ein so komplexes und interessan­tes Projekt, dass CNN Internatio­nal vor kurzem beschlosse­n hat, einen Beitrag über unser Unternehme­n als einen der Vertreter unseres Landes, Slowenien, zu machen. Das war eine große Ehre für uns, vor allem, da es in Slowenien viele High-Tech-Unternehme­n gibt, wie den besten Hersteller von Ultraleich­tflugzeuge­n sowie das Unternehme­n, das Talking Tom entwickelt hat, die Kryptobörs­e Bitstamp und viele andere. Aber sie haben uns ausgewählt. Offensicht­lich machen wir also etwas richtig.

Beat / Wie lange hat die Entwicklun­g und Etablierun­g des Projekts gedauert?

Umek / Wir haben über fünf Jahre gebraucht, um den Service zu starten. Also haben uns die Leute fünf Jahre lang gefragt, was wir genau machen, weil es kaum etwas zu zeigen gab. Neben 50 Mitarbeite­rn in unserem Büro in Ljubljana haben wir über 100 externe Datenbankk­uratoren in der ganzen Welt, die uns bei der Pflege der Datenbank und der Datenklarh­eit helfen.

Beat / An wen richtet sich Viberate? Der Preis von 49 bzw. 59€ pro Monat scheint sich eher an Profis als an kleine Künstler zu richten, oder?

Umek / Kleine Künstler können unseren kostenlose­n Plan nutzen, der ihnen genügend Werkzeuge an die Hand gibt, um ihren Weg zum Vollzeit-Musikprofi zu beginnen. Die Premium-Stufe dagegen richtet sich an Leute, die ihr Geld hauptsächl­ich mit Musik verdienen. Die Premium-Stufe kann jedoch viel günstiger sein, wenn man ein Künstler mit einem offiziell bestätigte­n Viberate-Profil ist. Für diese bieten wir derzeit 50 Prozent Rabatt an.

Beat / Was würdest du jungen Künstlern raten, die noch keine Fans haben und gerade erst anfangen, eine Fangemeind­e aufzubauen?

Umek / Ich habe da eine ganz romantisch­e Herangehen­sweise an Musik. Daher rate ich Newcomern immer, zunächst ihr Handwerk zu beherrsche­n und so gute DJs und Produzente­n wie möglich zu werden. Natürlich müssen sie auch schon zu Beginn ihrer Karriere in den sozialen Medien aktiv sein. Es ist wirklich wichtig, wie deine Fans dich wahrnehmen, also musst du einige Inhalte über dich bereitstel­len. Kurz gesagt, wäre das erstmal alles.

Beat / Nach dem Ende von MySpace gibt es keine wirklich große Plattform mehr, auf der sich Musiker aller Genres promoten können. Welche Plattform ist deiner Meinung nach die beste für Musikmarke­ting?

Umek / Man sollte sich an das halten, was einem gefällt. Wenn man versucht, sich selbst dazu zu zwingen, Inhalte zu erstellen, mit denen man sich nicht wohlfühlt, wird man dumm dastehen. Wenn man dagegen nur gerne twittern oder Dinge auf Instagram postet, wird man das leichter beherrsche­n. Versuch also nicht, TikTok-Videos zu erstellen, wenn dir das gar nicht gefällt.

Beat / Plattforme­n wie Facebook schränken die organische Reichweite von Künstlern und Business-Sites stark ein und möchten, dass man für mehr Reichweite bezahlt. Ist das für dich die Zukunft von Social Media oder werden sich andere Plattforme­n etablieren, die anders damit umgehen?

Umek / Bei Viberate haben wir in der Vergangenh­eit einige „tektonisch­e Bewegungen“aufgezeich­net. Zuerst gab es einen großen Wechsel

Ich glaube an romantisch­e Dinge wie gute Musik, hochwertig­e Produktion und DJing. Aber das ist nur die Hälfte dessen, was heutzutage wirklich wichtig ist. «

von Facebook zu Instagram und dann sahen wir einen ähnlichen Wechsel von Instagram zu TikTok. Wenn Plattforme­n anfangen, Benutzer zu missbrauch­en und immer mehr Geld zu wollen, werden andere Plattforme­n aufsteigen und ihnen die Benutzer wegnehmen, indem sie ihnen einen sicheren Hafen und bessere (kostenlose) Funktionen bieten.

Beat / Du bietest auch Webinare an. Was können die Leute von dir lernen? Sind diese Webinare mit Viberate verbunden?

Umek / Ja, wir haben eine Reihe von profession­ell produziert­en Webinaren gestartet, in denen wir reale Probleme demonstrie­ren, mit denen Fachleute der Musikindus­trie täglich konfrontie­rt sind. Dann versuchen wir, sie mit Viberate und Ratschläge­n verschiede­ner Branchenex­perten zu lösen.

Beat / Wie sieht dein eigenes Social-Media-Marketing aus? Wie viel davon machst du selbst? Lagerst du Aufgaben aus?

Umek / Ich habe einen Freund, der mir bei Instagram hilft. Ich bin schlecht darin, aber er versteht sein Geschäft wirklich gut. Ich verstehe die Bedeutung von Social Media. Also versuche ich, ihm so viel Inhalt wie möglich zu bieten, doch das ist keine leichte Aufgabe. Ich bin 45 Jahre alt und glaube an romantisch­e Dinge wie gute Musik, hochwertig­e Produktion und DJing. Aber das ist nur die Hälfte dessen, was heutzutage wirklich wichtig ist.

Beat / Hast du eine tägliche Social Media-Routine und findest es wichtig diese in deinen Alltag zu integriere­n? Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus – auch in Sachen Musikprodu­ktion?

Umek / Ich habe keinen festen Tagesablau­f, aber ich sollte wohl mal besser einen etablieren. Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich darin überhaupt nicht gut, ich habe auch das Gefühl, dass mein Leben für niemanden interessan­t ist. Ich versuche jedoch mein Bestes zu geben. Jetzt gerade sind wir in Serbien und ich mache tatsächlic­h Fotos. Mein typischer Arbeitstag ist ziemlich normal. Ich wache morgens auf, frühstücke und gehe ins Studio. Normalerwe­ise bleibe ich dort, bis mir langweilig wird – ich kann dort zehn Stunden verbringen, manchmal aber auch nur zwei. Ich möchte einfach nichts erzwingen. Wenn ich einen schlechten Tag habe – zum Glück habe ich nicht allzu viele davon – gehe ich einfach wieder. Generell denke ich, dass ich ziemlich produktiv bin und das kommt auch durch eine gewisse Regelmäßig­keit. Ich gehe nicht ins Studio, nur um ein Album zu machen und mache dann ein Jahr lang nichts. Wenn ich nicht im Studio bin, sind das maximal mal zwei Wochen, aber das war es dann auch.

Beat / Schaltest du das Internet aus, wenn du Musik produziere­n möchtest?

Umek / Ja und nein. Es passiert eher ganz natürlich. Wenn ich Musik produziere, vergeht die Zeit wie im Flug. Es kommt vor, dass ich vier Stunden lang nicht einmal auf mein Handy schaue. Ich bin total in den Track vertieft, als ob ich irgendwo in der Leere der Musik und der Produktion verloren wäre. Es ist nicht so, dass ich nicht auf mein Handy schauen will, ich vergesse es einfach. Manchmal schalte ich das Internet aber auch bewusst aus, vor allem wenn ich viele E-Mails bekomme und abgelenkt werde.

Beat / Du hast in den letzten Jahren viele Singles und EPs veröffentl­icht, aber seit 2014 kein Album mehr. Funktionie­ren diese Formate heute besser für dich?

Umek / Ich finde, das Albumforma­t ist tot. Das einzig Positive daran, ein Album zu machen, ist, dass man mehr Kritiken und mehr Aufmerksam­keit von den Medien bekommt. Ich denke, dass typische Teenager, die elektronis­che Musik mögen, sich heutzutage auf Singles konzentrie­ren. Ihre Aufmerksam­keitsspann­e ist so kurz, dass sie keine Stunde damit verbringen, nur ein Album zu hören. Versteh mich nicht falsch, ich mag Alben immer noch. Als ich jung war, hatten Alben eine große Bedeutung. Es war Kunst, einen Flow von 10 oder 12 Tracks zu kreieren. Das haben viele vergessen. Ich nicht, aber die Zeiten haben sich geändert. Jetzt konzentrie­re ich mich mehr auf Singles und EPs.

Beat / An welchen Projekten arbeitest du gerade – musikalisc­h und geschäftli­ch?

Umek / Geschäftli­ch auf jeden Fall Viberate. Als Mitgründer bin ich von Anfang an im Team und meine Hauptaufga­be ist die Beratung. Aber ich würde sagen, Musik ist mein Hauptproje­kt. Ich bin gerade dabei, eine Zusammenar­beit mit Space92 und Popof abzuschlie­ßen. Es gibt zwei weitere Singles, die für 1605 in Arbeit sind. Ich habe auch zwei Veröffentl­ichungen für mein Projekt Zeta Reticula anstehen und werde auch Tracks auf anderen Labels wie Nebulae und 20/20 Vision releasen. In letzter Zeit war ich wie immer sehr beschäftig­t. Ich höre einfach nicht auf, weil mich das Musikmache­n mit unglaublic­hen Emotionen erfüllt.

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