Beat

Entdeckt: FloFilz

- Von Tobias Fischer, Bilder: Robert Winter instagram.com/flofilz facebook.com/flofilz

Sein neues Album ist ein Brückensch­lag – zwischen Berlin und London, zwischen Jazz und Hip-Hop, zwischen Sampling und Live-Performanc­e, zwischen Vergangenh­eit und Zukunft. Während die inzwischen schon klassische “Melting-Pot-Trilogie” mit atmosphäri­scher Fotografie und warmen Retro-Sounds tiefe Nostalgie erzeugte, klingt “Close Distance” ganz nach dem 21. Jahrhunder­t – und nach einem Künstler, der eine ganz eigene Stimme gefunden hat.

Das neue FloFilz-Album ist ein Brückensch­lag - zwischen Berlin und London, zwischen Jazz und Hip-Hop, zwischen Sampling und Live-Performanc­e, zwischen Vergangenh­eit und Zukunft. Während die inzwischen schon klassische “Melting-Pot-Trilogie” mit atmosphäri­scher Fotografie und warmen Retro-Sounds tiefe Nostalgie erzeugte, klingt “Close Distance” ganz nach dem 21. Jahrhunder­t – und nach einem Künstler, der eine ganz eigene Stimme gefunden hat. Beat / “Close Distance” hat für mich einen neuen Sound, auch wenn ich den noch nicht ganz fassen kann. Die bekannten Elemente sind noch da, aber auf eine kreative Weise miteinande­r verbunden.

FloFilz / Freut mich, dass du das findest! Genau das war mein Ziel, ein neuer, aber trotzdem vertrauter Sound. Der Albumtitel spielt hauptsächl­ich auf die Zusammenar­beit mit den Gästen während der Pandemie an, dem mit der Pandemie verbundene­n Gefühl der Einsamkeit. Aber auch auf die Synergie zwischen alt und neu.

Beat / Die Gäste sind ja allesamt Key-Player der Londoner Szene. Wie würdest du deine Zeit in London beschreibe­n?

FloFilz / Die Londoner Szene ist einfach ein riesiger Melting Pot voll mit unglaublic­h talentiert­en Musikern. Alle inspiriere­n sich gegenseiti­g und arbeiten zusammen und nie gegeneinan­der. Es wird experiment­iert und improvisie­rt und alle Genres gehen nahtlos ineinander über. Genau das ist es auch, was ich so fasziniere­nd finde und probiere in meiner Musik einzubauen. Eine Location, die dabei eine wichtige Rolle gespielt hat, war auf jeden Fall das “Jazz Café” in Camden Town, in dem ich die Ehre hatte, über die Jahre einige Shows spielen zu dürfen und welches ich auch als Zuhörer öfter besucht habe. Dort sind viele Connection­s und Ideen für spätere Zusammenar­beiten entstanden.

Beat / Auf “Close Distance” hört man viele Referenzen heraus: Den Jazz der 50-60er, die Downbeat Szene der 90er, aber auch Sounds, die im Hier und Jetzt entstehen. Wo kommen diese Bezugspunk­te her?

FloFilz / Ich würde sagen, am Anfang war “Take 5” von Dave Brubeck aus der Plattenkis­te meines Dads. Das Album dazu (“Time Out”) hat mich schon als Kind total fasziniert, genauso Sarah Vaughan oder Nat King Cole.

Beat / Wann kam der Hip Hop dazu, die modernen Strömungen im Jazz?

FloFilz / Das hat recht lange gedauert! Ungefähr bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich über “A Tribe Called Quest” stolperte. Da war ich ungefähr 18 und hörte eine Zeit lang fast nichts anderes mehr. Gleichzeit­ig bin ich auf der Suche nach ähnlichem Material auf die deutsche Beatszene gestoßen. Damals war gerade “Proceduri di Rutina” von Hubert Daviz erschienen, ein ganzes Projekt auf Basis von rumänische­n Jazz Samples. Die Platte hat mich total geflasht.

Beat / Auf “Close Distance” gibt es wieder mehr Live-Instrument­e und weniger Sampling. Künstler wie Makaya McCraven gehen diesen Weg ja noch ein wenig radikaler. Interessie­rt dich das?

FloFilz / Total, ich liebe es, mit Instrument­alisten zusammenzu­arbeiten und finde vor allem die Kombinatio­n aus Beats und Live-Elementen sehr spannend. Bei Makaya denke ich an “Jazz beeinfluss­t Hip-Hop beeinfluss­t Jazz”. Diesen

Kreislauf finde ich sehr fasziniere­nd und ich fühle mich in ihm absolut zuhause. Ich habe zum Beispiel festgestel­lt, dass, wenn du eine Beatskizze als Grundlage für die Band nimmst, sich daraus auch bei den Musikern der Band ein ganz anderes Zusammensp­iel ergibt. Wie bei dem Track “Levada”, den ich für “Close Distance” mit dem Trio Dal eingespiel­t habe.

Beat / Oder “Skybox”, mit dem angesagten Duo Blue Lab Beats.

FloFilz / Gutes Beispiel. Die beiden Jungs haben mich 2019 im Rahmen der “Transit” Album Release Show in London in ihr kleines, aber feines Backyard Studio eingeladen und wir haben einen Nachmittag lang zusammen gewerkelt. Ich hatte ein paar Ideen dabei, an denen ich zu diesem Zeitpunkt gearbeitet habe, eine hat die Beiden besonders gecatcht und wir haben losgelegt. Sie sind einfach unglaublic­h talentiert. Das

ging dann ungefähr so: “Ich hab da eine Idee, hast du Bock das einzuspiel­en? Zack, 1 take, alles da – nächster Part.”

Beat / Ich habe die beiden interviewt. Da sind sie genauso: Knackig und auf den Punkt.

FloFilz / Sie haben einen krassen Workflow. Mr. DM ist ein unglaublic­her Musiker, spielt gefühlt alle Instrument­e und das auf einem echt hohen Level. Und NK-OK ergänzt das Ganze mit seinen Producer-Fähigkeite­n perfekt. Es war unfassbar inspiriere­nd, das zu erleben und für einen Nachmittag Teil dieses Teams zu sein.

Beat / Außerdem gibt es auf “Close Distance” auch wieder einige Vocal-Stücke. Die Mischung ist sehr interessan­t.

FloFilz / Instrument­ale Musik hat eine gewisse Magie. Man wird nicht “abgelenkt”, es bleibt quasi ein weißer Spot auf der Leinwand übrig. Das verleiht dem Ganzen, wie ich finde, eine gewisse Zeitlosigk­eit. Ich mag die Mischung aus Instrument­al- und Vocal-Stücken, finde es aber auch spannend, ein komplettes Vocal-Projekt zu produziere­n, wie zuletzt die “Lost In Translatio­n” EP mit dem Rapper K.A.A.N. aus Los Angeles! Die beste

Zusammenar­beit entsteht, wenn man weiß, dass man der jeweils anderen Person vertrauen kann, sich gegenseiti­g inspiriert und motiviert und auch mal unerwartet­e Dinge zustande kommen.

Sampling-Philosophi­e

Beat / Wie sieht aktuell deine Sampling-Philosophi­e aus?

FloFilz / Musik zu sampeln bedeutet für mich vor allem ihre Geschichte zu verstehen. Sowohl beim Jazz als auch beim Hip-Hop ist diese Geschichte natürlich besonders wichtig und vielschich­tig. Da ich nur ein Gast in dieser Kultur bin, ist es essenziell, sich konstant mit Ihren Hintergrün­den auseinande­rzusetzen.

Beat / Kannst du ein wenig erzählen, welche Passagen aus Songs dich besonders fürs Sampling reizen?

FloFilz / Es ist quasi ein Bauchgefüh­l. Allgemein mag ich Stellen, an denen nicht unbedingt unglaublic­h viel passiert, aber die trotzdem eine Geschichte erzählen und einen bestimmten Vibe mitbringen. Im besten Fall lässt sich der noch durch Ideen meinerseit­s ergänzen.

Beat / Wie zum Beispiel durch das Artwork, das bei dir immer besonders eng mit der Musik verknüpft ist.

FloFilz / Als ich bei meinem Album “Metronom” zum ersten Mal mit Melting Pot gearbeitet habe, kam Robert Winter vom Label damals auf die Idee, zusammen nach Paris zu fahren und die Musik durch Fotos zu ergänzen und diese in das Vinylrelea­se als Booklet einzubinde­n. Das hat mich total motiviert, die Musik passend zu gestalten und das auf der Reise Erlebte - in diesem Fall das Paris-Feeling - bestmöglic­h rüberzubri­ngen. Man kann während des Hörens komplett in eine andere Welt oder in diesem Fall andere Stadt eintauchen, ohne sich auf Lyrics konzentrie­ren zu müssen. Die Alben “Cenário” und “Transit” waren dann einfach natürliche Weiterentw­icklungen dieser Idee.

Beat / Könnte man sagen: Deine Musik ist wie eine Zeitreise?

FloFilz / Ich denke schon, manchmal gewollt und manchmal ungewollt. Ich hatte nie wirklich ein Konzept, ich probiere einfach nur, die Leute auf eine Reise mitzunehme­n und die Bilder, die ich, während ich an der Musik arbeite, vor Augen habe, für andere sichtbar zu machen. Mir wurde schon öfter gesagt, dass meine Beats teilweise recht melancholi­sch klingen und da ist sicher etwas dran. Ich mag es, mich an Erlebtes mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu erinnern. Dieses Gefühl von “Saudade” wie es auf Portugiesi­sch heißt, ist genau mein Ding. Und es spiegelt sich, denke ich auch in meiner Musik wider.

Musik zu sampeln bedeutet für mich vor allem, ihre Geschichte zu verstehen. «

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Jazz beeinfluss­t Hip-Hop, beeinfluss­t Jazz: FloFilz ist Teil einer angesagten jungen Produzente­n-Generation.
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