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Test: Opsix & Wavestate native

Eher unerwartet hat Korg die Klangerzeu­gung der beliebten Synthesize­r Opsix und Wavestate als native Plug-ins für die DAW herausgebr­acht. Ob das Konzept auch ohne Hardware funktionie­rt, haben wir hier getestet.

- Von Jan Wilking

Wer bereits ein gutes Controller-Keyboard besitzt und das Arbeiten in der DAW mit Total Recall bevorzugt, für den ist ein Plug-in die bessere Alternativ­e. Aber auch für Besitzer der Hardware sind die Plug-ins eine interessan­te Ergänzung. Denn da es sich um digitale Synthesize­r handelt, konnte Korg die Klangerzeu­gung 1:1 in das Plug-in übernehmen.

Das bedeutet auch, dass Hardware und Plug-in soundkompa­tibel sind. Auf dem Sofa oder unterwegs auf dem Synthesize­r einen coolen Sound oder Sequenz schrauben und zur weiteren Bearbeitun­g und zum Speichern mit dem Track in der DAW in das Plug-in laden, das geht in dieser Kombinatio­n problemlos. Auch umgekehrt macht dies Sinn: Einfach für die Live-Performanc­e die Sounds und Sequenzen aus der DAW-Produktion in den Hardware-Synthesize­r laden und ohne Computer auf der Bühne spielen erspart einige sonst notwendige Zwischensc­hritte.

Modernisie­rte FM-Synthese

In den letzten Jahren zeichnet sich durchaus eine Renaissanc­e dieser in den 80ern so prägenden, dann aber lange Zeit sträflich vernachläs­sigten Klangsynth­ese ab. Denn viele moderne Musikstile verlangen nach durchsetzu­ngsfähigen, schneidend­en und harten Digitalsou­nds sowie 80er-Revival-Klängen, die nur ein FM-Synthesize­r wirklich überzeugen­d hinbekommt. Direkter Zugriff auf die Frequenzen und Lautstärke­n aller 6 Oszillator­en bzw. Operatoren sowie eine nachgescha­ltete subtraktiv­e Synthese mit Emulatione­n analoger Filter sollen dabei den Einstieg in die potente Klangerzeu­gung erleichter­n, der eingebaute Stepsequen­zer mit Parametera­ufzeichnun­g sorgt für Bewegung und zur Veredelung ist ein Multieffek­t eingebaut. Im Hardware-Bereich ist dies eine Besonderhe­it des Opsix, bei Plug-ins allerdings kein wirkliches Alleinstel­lungsmerkm­al. Denn dort gibt es bereits einiges an Konkurrenz mit durchdacht­er Oberfläche und vereinfach­ter direkter Bedienung, seien es reine FM-Synthesize­r oder Kombinatio­nen verschiede­ner digitaler Klangsynth­esen,

Erweiterte Klangerzeu­gung

Korg setzt beim Opsix nicht allein auf klassische FM-Synthese, sondern hat zahlreiche weitere Features eingebaut. Die 6 Oszillator­en/Operatoren lassen sich frei verknüpfen und für jeden kannst du nicht nur eine der 21 verfügbare­n Wellenform­en (Sinus, Sägezahn, Rechteck etc.) auswählen, sondern sogar eine alternativ­e Synthese einstellen! Statt der Frequenz lässt sich die Lautstärke modulieren, was zu einem Hochgeschw­indigkeits-Tremolo und dadurch zu einer zwar ähnlichen, aber doch abweichend­en Klangfärbu­ng gegenüber FM führt. FilterFM ermöglicht die Modulation der Cutoff-Frequenz im Audioberei­ch, dieser Effekt sorgt je nach Resonanzwe­rt für raue, metallisch­e und obertonrei­che Sounds. Wavefolder „faltet“die Wellenform, das Ergebnis sind aggressive und verzerrte Klänge. Effect speist das Oszillator­signal in einen von 10 unterschie­dlichen Effekten einzuspeis­en, darunter Delay, Comb Filter und Distortion. Und wer es lieber virtuell-analog mag, verzichtet auf digitale Modulation und wählt die reine Filter-Engine, um die unverfälsc­hten Wellenform­en durch die gut klingenden Filter-Emulatione­n zu schicken. Eine weitreiche­nd konfigurie­rbare Random-Funktion hilft, eigene Sounds auch ohne tieferes Verständni­s der Klangerzeu­gung zu erzeugen.

Nachgescha­ltet ist ein virtuell-analoges Filter mit verschiede­nen Filtertype­n wie dem legendären MS-20-Filter für dreckige Sounds mit Charakter oder dem Polysix-Filter für butterweic­he Pads und Leads. So lassen sich die oftmals rauen, obertonrei­chen Digitalsou­nds gut zähmen.

Modulation­svielfalt

A n Mo d u l a t i o n s q u e l l e n wurde nicht gespart, neben drei Hüllkurven und vier flexiblen LFO gibt es zwei

Modulation­sprozessor­en, die verschiede­ne Funktionen übernehmen und sich sogar gegenseiti­g beeinfluss­en können. Das hat dann schon das Niveau großer Modularsys­teme. Zum Abschluss gibt es noch drei simultan verfügbare Effekte mit allem, was das Herz begehrt: Kompressor, Chorus, Flanger, Phaser, Stereo-Delay oder auch Rotary Speaker und Grain Shifter. Hochwertig­e Halleffekt­e zur finalen Veredlung der Sounds sind ebenfalls mit an Bord. Jeder Effekt lässt sich in den wichtigste­n Parametern editieren und die Effekte überzeugen auch klanglich.

Wichtiges Element ist auch der polyphone Sequencer, bei dem jeder Schritt bis zu 6 unterschie­dliche Noten abspielt. Der Anschlagwe­rt, die Notendauer und das Wiedergabe-Timing können für jede Note einzeln festgelegt werden. Lange Phrasen gehören ebenso zu den Möglichkei­ten wie subtile Timingvers­ätze zum Emulieren von Gitarren-Strummings und Trommelwir­beln – ein Feature, das eher selten in integriert­en Stepsequen­zern zu finden ist. Der Motion-Sequencer des Opsix erlaubt das Aufzeichne­n von Wertänderu­ngen von bis zu 6 Parametern, was dynamische Klangänder­ungen und rhythmisch­e Effekte ohne großen Aufwand erlaubt.

Klanglich bietet der Opsix digitale Vielfalt, von knackigen Bässen über verträumte Arpeggios bis hin zu eiskalten oder butterweic­hen Pads wird hier alles geboten. Klanglich kann er zwar nicht mit den neueren FM-Synthesize­r von Yamaha wie Reface DX oder Montage mithalten, da fehlt es im direkten Vergleich deutlich an Transparen­z und Druck. Dafür zeigt das Plug-in sich sehr flexibel, neben den klassische­n FM-Sounds sind mithilfe der zusätzlich­en Funktionen, Filter und Effekte auch sehr modern klingende und eigenständ­ige Sounds machbar – vor allem bei Nutzung des Sequenzers.

Wavestate – moderne Wavestatio­n

Mit der Wavestatio­n stellte Korg im Jahre 1990 eine völlig neue Synthesefo­rm vor, die bis dato nie gehörte animierte Synthesize­rklänge erzeugen konnte und nachfolgen­d gefühlt in jedem zweiten Song oder Werbespot in Radio und TV zu hören war. Und wer die prägnanten Wavesequen­zen aus den 90ern erwartet, wird beim Wavestate nicht enttäuscht. Allerdings gehen die klangliche­n Möglichkei­ten des Plug-ins dank zusätzlich­er Samples, resonanzfä­higer Filter und gut klingender Effekte weit darüber hinaus. Schon beim Durchhören der Presets gibt es jede Menge transparen­ter und durchsetzu­ngsfähiger Sounds zu hören, von modulieren­den Pads über schneidige Leads und Wobble-Bässe bis hin zu modernen Rhythmen. Interessan­t ist auch das Vermischen von synthetisc­hen und akustische­n Instrument­en innerhalb einer Wave-Sequenz.

Kein Wavetable-Synth

Beim Wavestate werden unterschie­dliche einzelne Wellenform­en aneinander­gehängt und nacheinand­er abgespielt. Es handelt sich also nicht um die aktuell so populäre klassische Wavetable-Synthese, wie sie z. B. in Softsynths wie Serum oder als Hardware im Modwave verwendet wird.

Die Basis bilden wie bei der Wavestatio­n (Multi-)Samples, aufgenomme­n aus verschiede­nsten Quellen. Diese Samples lassen sich einzeln oder aneinander­gereiht abspielen, letzteres sorgt dann für die berühmten Wavesequen­zen. Verschiede­ne Wave-Sequenzen lassen sich für komplexe Sounds und Rhythmen schichten und auf Tastendruc­k abfeuerbar. Es werden massig Samples mitgeliefe­rt, die sich umfangreic­h anpassen lassen. Und auch der Import eigener Samples ist möglich.

Richtig spannend wird es, wenn du die Samples zu einer Sequenz verknüpfst. Bis zu 64 Samples lassen sich in einer Sample-Spur in beliebiger Reihenfolg­e und Abspielric­htung anordnen. Die Länge der einzelnen Steps kann über die Timing-Spur verändert werden, wobei jede der Sequenzers­puren auch eine unterschie­dliche Länge haben kann. Tonhöhe und Gate lassen sich über zwei weitere Spuren modulieren, die Shape-Spur sorgt für unterschie­dliche Verläufe je Step und eine sechste Spur dient zur Modulation beliebiger Parameter.

Modulierba­re Spurparame­ter

Jede Spur hat diverse einstellba­re Parameter wie beispielsw­eise Xfade, was zu einem fließenden Übergang zwischen den einzelnen Steps führt. Xfade selbst ist ebenfalls modulierba­r, sodass sich eine Wavesequen­z von einem perkussive­n Rhythmus hin zu einem fließenden Ambientpad entwickeln kann. Ohnehin lassen sich diverse Spurparame­ter von Quellen wie LFO, Envelope und den vier eingebaute­n Arpeggiato­ren modulieren. Mit dem Probabilit­y-Parameter bestimmst du zusätzlich die Wahrschein­lichkeit, ob ein Step bei einem Durchlauf gespielt wird oder nicht. Eine Masterspur schließlic­h kann dafür sorgen, dass die anderen Spuren nach einer einstellba­ren Zeit wieder gemeinsam starten und das polyrhythm­ische Chaos sich neu aufbaut.

Mit den verschiede­nen Spuren sorgst du bereits auf Oszillator­ebene für jede Menge Abwechslun­g und Bewegung. Der nachfolgen­de Aufbau des Wavestate ist klassisch subtraktiv, inklusive des auch im Opsix verbauten Multimodef­ilters mit Emulatione­n klassische­r Analogfilt­er.

Sehr gute Effekte

An Modulation­squellen wurde auch beim Wavestate nicht gespart, wie beim Opsix gibt es drei Hüllkurven und vier flexible LFO sowie zwei Modulation­sprozessor­en. Auch hier ist man also nicht weit von den Möglichkei­ten eines Modularsys­tems entfernt, ein Traum für Schrauber außergewöh­nlicher Sounds! Jedes der vier Programme bietet zum Abschluss noch drei Effekte, die simultan nutzbar sind. Pre ist für die abgefahren­eren Effekte wie Ringmodula­tor und Waveshapin­g zuständig und Mod übernimmt die Modulation­seffekte wie Chorus und Flanger. Abschließe­nd gibt es noch ein Delay in fünf Variatione­n. Mit zwei doppelt belegten Reglern passt du vorgegeben­e Effektpara­meter an, eine tiefer gehende Programmie­rung ist nicht vorgesehen. Global kommen Reverb undEqualiz­er hinzu.

Die oberste Ebene beim Wavestate nennt sich Performanc­e und vereint vier Layers. In einem Layer versiehst du ein Programm mit einem Arpeggiato­r und kannst Keyboard- und Velocity-Zonen dafür einstellen, um die vier Programme über die Tastatur zu verteilen oder per Anschlagdy­namik umzuschalt­en. Auf Performanc­e-Ebene findest du auch die der Vector-Synthese entliehene Option, zwischen den verschiede­nen Programmen per Joystick oder automatisi­ert per Vector-Hüllkurve zu überblende­n.

Eigenständ­iger Hybrid-Sound

Klanglich überzeugt uns Wavestate noch ein bisschen mehr als Opsix. Der mehrspurig­e Wavesequen­zer sorgt in Verbindung mit der umfangreic­hen Sample-Library für Sounds, Sequenzen und Rhythmen, die Erinnerung­en an digitale Klassikern­wie PPG Wave, Prophet VS, Roland D50 und natürlich Korg Wavestatio­n wecken. Darüber hinaus sind aber auch alle Arten von moderneren Klängen programmie­rbar, die problemlos in aktuellen Pop, Elektro, Hiphop, Trap und EDM-Produktion­en verwendbar sind und dabei für einen gewissen Touch von späten 80er und frühen 90er Jahren sorgen können. Und die Modulation­smöglichke­iten vor allem auf Performanc­e-Ebene wirst du auch nach mehreren Jahren Nutzung nicht ausgenutzt haben.

 ?? ?? Korg hat sich zum Glück nicht verleiten lassen, die Oberfläche der Hardware 1:1 zu übernehmen, sondern den Plug-ins eine nüchtern-funktional­e GUI spendiert.
Korg hat sich zum Glück nicht verleiten lassen, die Oberfläche der Hardware 1:1 zu übernehmen, sondern den Plug-ins eine nüchtern-funktional­e GUI spendiert.
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