Test: Opsix & Wavestate native
Eher unerwartet hat Korg die Klangerzeugung der beliebten Synthesizer Opsix und Wavestate als native Plug-ins für die DAW herausgebracht. Ob das Konzept auch ohne Hardware funktioniert, haben wir hier getestet.
Wer bereits ein gutes Controller-Keyboard besitzt und das Arbeiten in der DAW mit Total Recall bevorzugt, für den ist ein Plug-in die bessere Alternative. Aber auch für Besitzer der Hardware sind die Plug-ins eine interessante Ergänzung. Denn da es sich um digitale Synthesizer handelt, konnte Korg die Klangerzeugung 1:1 in das Plug-in übernehmen.
Das bedeutet auch, dass Hardware und Plug-in soundkompatibel sind. Auf dem Sofa oder unterwegs auf dem Synthesizer einen coolen Sound oder Sequenz schrauben und zur weiteren Bearbeitung und zum Speichern mit dem Track in der DAW in das Plug-in laden, das geht in dieser Kombination problemlos. Auch umgekehrt macht dies Sinn: Einfach für die Live-Performance die Sounds und Sequenzen aus der DAW-Produktion in den Hardware-Synthesizer laden und ohne Computer auf der Bühne spielen erspart einige sonst notwendige Zwischenschritte.
Modernisierte FM-Synthese
In den letzten Jahren zeichnet sich durchaus eine Renaissance dieser in den 80ern so prägenden, dann aber lange Zeit sträflich vernachlässigten Klangsynthese ab. Denn viele moderne Musikstile verlangen nach durchsetzungsfähigen, schneidenden und harten Digitalsounds sowie 80er-Revival-Klängen, die nur ein FM-Synthesizer wirklich überzeugend hinbekommt. Direkter Zugriff auf die Frequenzen und Lautstärken aller 6 Oszillatoren bzw. Operatoren sowie eine nachgeschaltete subtraktive Synthese mit Emulationen analoger Filter sollen dabei den Einstieg in die potente Klangerzeugung erleichtern, der eingebaute Stepsequenzer mit Parameteraufzeichnung sorgt für Bewegung und zur Veredelung ist ein Multieffekt eingebaut. Im Hardware-Bereich ist dies eine Besonderheit des Opsix, bei Plug-ins allerdings kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal. Denn dort gibt es bereits einiges an Konkurrenz mit durchdachter Oberfläche und vereinfachter direkter Bedienung, seien es reine FM-Synthesizer oder Kombinationen verschiedener digitaler Klangsynthesen,
Erweiterte Klangerzeugung
Korg setzt beim Opsix nicht allein auf klassische FM-Synthese, sondern hat zahlreiche weitere Features eingebaut. Die 6 Oszillatoren/Operatoren lassen sich frei verknüpfen und für jeden kannst du nicht nur eine der 21 verfügbaren Wellenformen (Sinus, Sägezahn, Rechteck etc.) auswählen, sondern sogar eine alternative Synthese einstellen! Statt der Frequenz lässt sich die Lautstärke modulieren, was zu einem Hochgeschwindigkeits-Tremolo und dadurch zu einer zwar ähnlichen, aber doch abweichenden Klangfärbung gegenüber FM führt. FilterFM ermöglicht die Modulation der Cutoff-Frequenz im Audiobereich, dieser Effekt sorgt je nach Resonanzwert für raue, metallische und obertonreiche Sounds. Wavefolder „faltet“die Wellenform, das Ergebnis sind aggressive und verzerrte Klänge. Effect speist das Oszillatorsignal in einen von 10 unterschiedlichen Effekten einzuspeisen, darunter Delay, Comb Filter und Distortion. Und wer es lieber virtuell-analog mag, verzichtet auf digitale Modulation und wählt die reine Filter-Engine, um die unverfälschten Wellenformen durch die gut klingenden Filter-Emulationen zu schicken. Eine weitreichend konfigurierbare Random-Funktion hilft, eigene Sounds auch ohne tieferes Verständnis der Klangerzeugung zu erzeugen.
Nachgeschaltet ist ein virtuell-analoges Filter mit verschiedenen Filtertypen wie dem legendären MS-20-Filter für dreckige Sounds mit Charakter oder dem Polysix-Filter für butterweiche Pads und Leads. So lassen sich die oftmals rauen, obertonreichen Digitalsounds gut zähmen.
Modulationsvielfalt
A n Mo d u l a t i o n s q u e l l e n wurde nicht gespart, neben drei Hüllkurven und vier flexiblen LFO gibt es zwei
Modulationsprozessoren, die verschiedene Funktionen übernehmen und sich sogar gegenseitig beeinflussen können. Das hat dann schon das Niveau großer Modularsysteme. Zum Abschluss gibt es noch drei simultan verfügbare Effekte mit allem, was das Herz begehrt: Kompressor, Chorus, Flanger, Phaser, Stereo-Delay oder auch Rotary Speaker und Grain Shifter. Hochwertige Halleffekte zur finalen Veredlung der Sounds sind ebenfalls mit an Bord. Jeder Effekt lässt sich in den wichtigsten Parametern editieren und die Effekte überzeugen auch klanglich.
Wichtiges Element ist auch der polyphone Sequencer, bei dem jeder Schritt bis zu 6 unterschiedliche Noten abspielt. Der Anschlagwert, die Notendauer und das Wiedergabe-Timing können für jede Note einzeln festgelegt werden. Lange Phrasen gehören ebenso zu den Möglichkeiten wie subtile Timingversätze zum Emulieren von Gitarren-Strummings und Trommelwirbeln – ein Feature, das eher selten in integrierten Stepsequenzern zu finden ist. Der Motion-Sequencer des Opsix erlaubt das Aufzeichnen von Wertänderungen von bis zu 6 Parametern, was dynamische Klangänderungen und rhythmische Effekte ohne großen Aufwand erlaubt.
Klanglich bietet der Opsix digitale Vielfalt, von knackigen Bässen über verträumte Arpeggios bis hin zu eiskalten oder butterweichen Pads wird hier alles geboten. Klanglich kann er zwar nicht mit den neueren FM-Synthesizer von Yamaha wie Reface DX oder Montage mithalten, da fehlt es im direkten Vergleich deutlich an Transparenz und Druck. Dafür zeigt das Plug-in sich sehr flexibel, neben den klassischen FM-Sounds sind mithilfe der zusätzlichen Funktionen, Filter und Effekte auch sehr modern klingende und eigenständige Sounds machbar – vor allem bei Nutzung des Sequenzers.
Wavestate – moderne Wavestation
Mit der Wavestation stellte Korg im Jahre 1990 eine völlig neue Syntheseform vor, die bis dato nie gehörte animierte Synthesizerklänge erzeugen konnte und nachfolgend gefühlt in jedem zweiten Song oder Werbespot in Radio und TV zu hören war. Und wer die prägnanten Wavesequenzen aus den 90ern erwartet, wird beim Wavestate nicht enttäuscht. Allerdings gehen die klanglichen Möglichkeiten des Plug-ins dank zusätzlicher Samples, resonanzfähiger Filter und gut klingender Effekte weit darüber hinaus. Schon beim Durchhören der Presets gibt es jede Menge transparenter und durchsetzungsfähiger Sounds zu hören, von modulierenden Pads über schneidige Leads und Wobble-Bässe bis hin zu modernen Rhythmen. Interessant ist auch das Vermischen von synthetischen und akustischen Instrumenten innerhalb einer Wave-Sequenz.
Kein Wavetable-Synth
Beim Wavestate werden unterschiedliche einzelne Wellenformen aneinandergehängt und nacheinander abgespielt. Es handelt sich also nicht um die aktuell so populäre klassische Wavetable-Synthese, wie sie z. B. in Softsynths wie Serum oder als Hardware im Modwave verwendet wird.
Die Basis bilden wie bei der Wavestation (Multi-)Samples, aufgenommen aus verschiedensten Quellen. Diese Samples lassen sich einzeln oder aneinandergereiht abspielen, letzteres sorgt dann für die berühmten Wavesequenzen. Verschiedene Wave-Sequenzen lassen sich für komplexe Sounds und Rhythmen schichten und auf Tastendruck abfeuerbar. Es werden massig Samples mitgeliefert, die sich umfangreich anpassen lassen. Und auch der Import eigener Samples ist möglich.
Richtig spannend wird es, wenn du die Samples zu einer Sequenz verknüpfst. Bis zu 64 Samples lassen sich in einer Sample-Spur in beliebiger Reihenfolge und Abspielrichtung anordnen. Die Länge der einzelnen Steps kann über die Timing-Spur verändert werden, wobei jede der Sequenzerspuren auch eine unterschiedliche Länge haben kann. Tonhöhe und Gate lassen sich über zwei weitere Spuren modulieren, die Shape-Spur sorgt für unterschiedliche Verläufe je Step und eine sechste Spur dient zur Modulation beliebiger Parameter.
Modulierbare Spurparameter
Jede Spur hat diverse einstellbare Parameter wie beispielsweise Xfade, was zu einem fließenden Übergang zwischen den einzelnen Steps führt. Xfade selbst ist ebenfalls modulierbar, sodass sich eine Wavesequenz von einem perkussiven Rhythmus hin zu einem fließenden Ambientpad entwickeln kann. Ohnehin lassen sich diverse Spurparameter von Quellen wie LFO, Envelope und den vier eingebauten Arpeggiatoren modulieren. Mit dem Probability-Parameter bestimmst du zusätzlich die Wahrscheinlichkeit, ob ein Step bei einem Durchlauf gespielt wird oder nicht. Eine Masterspur schließlich kann dafür sorgen, dass die anderen Spuren nach einer einstellbaren Zeit wieder gemeinsam starten und das polyrhythmische Chaos sich neu aufbaut.
Mit den verschiedenen Spuren sorgst du bereits auf Oszillatorebene für jede Menge Abwechslung und Bewegung. Der nachfolgende Aufbau des Wavestate ist klassisch subtraktiv, inklusive des auch im Opsix verbauten Multimodefilters mit Emulationen klassischer Analogfilter.
Sehr gute Effekte
An Modulationsquellen wurde auch beim Wavestate nicht gespart, wie beim Opsix gibt es drei Hüllkurven und vier flexible LFO sowie zwei Modulationsprozessoren. Auch hier ist man also nicht weit von den Möglichkeiten eines Modularsystems entfernt, ein Traum für Schrauber außergewöhnlicher Sounds! Jedes der vier Programme bietet zum Abschluss noch drei Effekte, die simultan nutzbar sind. Pre ist für die abgefahreneren Effekte wie Ringmodulator und Waveshaping zuständig und Mod übernimmt die Modulationseffekte wie Chorus und Flanger. Abschließend gibt es noch ein Delay in fünf Variationen. Mit zwei doppelt belegten Reglern passt du vorgegebene Effektparameter an, eine tiefer gehende Programmierung ist nicht vorgesehen. Global kommen Reverb undEqualizer hinzu.
Die oberste Ebene beim Wavestate nennt sich Performance und vereint vier Layers. In einem Layer versiehst du ein Programm mit einem Arpeggiator und kannst Keyboard- und Velocity-Zonen dafür einstellen, um die vier Programme über die Tastatur zu verteilen oder per Anschlagdynamik umzuschalten. Auf Performance-Ebene findest du auch die der Vector-Synthese entliehene Option, zwischen den verschiedenen Programmen per Joystick oder automatisiert per Vector-Hüllkurve zu überblenden.
Eigenständiger Hybrid-Sound
Klanglich überzeugt uns Wavestate noch ein bisschen mehr als Opsix. Der mehrspurige Wavesequenzer sorgt in Verbindung mit der umfangreichen Sample-Library für Sounds, Sequenzen und Rhythmen, die Erinnerungen an digitale Klassikernwie PPG Wave, Prophet VS, Roland D50 und natürlich Korg Wavestation wecken. Darüber hinaus sind aber auch alle Arten von moderneren Klängen programmierbar, die problemlos in aktuellen Pop, Elektro, Hiphop, Trap und EDM-Produktionen verwendbar sind und dabei für einen gewissen Touch von späten 80er und frühen 90er Jahren sorgen können. Und die Modulationsmöglichkeiten vor allem auf Performance-Ebene wirst du auch nach mehreren Jahren Nutzung nicht ausgenutzt haben.