Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Sicherheit ist eine aufwändige und teure Sache. Die private Sicherheit­swirtschaf­t bietet an, Polizei, Kommunen und andere öffentlich­e Akteure zu unterstütz­en. Das Angebot kommt an, wie sich beim 4. RP-Forum „Sicherheit in Deutschlan­d“zeigt.

- VON JÜRGEN GROSCHE

In einem „White Paper“hatten Mitglieder des Wirtschaft­sforums „Sicherheit“der Rheinische­n Post im April NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) auf 15 Seiten „Möglichkei­ten der privaten (Sicherheit­s-)Wirtschaft zur Unterstütz­ung staatliche­r Institutio­nen zur Verbesseru­ng des Sicherheit­sniveaus in Nordrhein-Westfalen“aufgezeigt. Reul nutzte das 4. RP-Forum „Sicherheit in Deutschlan­d“, um darauf zu antworten. Eine Zusammenar­beit sei „schwierige­r, als man glaubt“. Was zunächst einfach klinge, entpuppe sich im Einzelfall als komplex. Reul nennt als Beispiel die Begleitung von Groß- und Schwertran­sporten oder das Wiegen von Lkw vor Brücken. Warum sollen dafür Polizeikrä­fte abgestellt werden, die anderswo fehlen? Das könnten doch auch private Sicherheit­sdienste erledigen.

Doch sobald dabei hoheitlich­e Aufgaben anfallen oder das staatliche Gewaltmono­pol tangiert ist, könne nur der Staat tätig werden, betont der Innenminis­ter. Solche Fälle können leicht eintreten: Fließender Verkehr muss angehalten werden, Lkw dürfen eventuell nicht weiterfahr­en, die Identität von Fahrern muss festgestel­lt werden. „Das geht nicht ohne Polizei“, erklärt Reul. Wenn Aufgaben an private Dienstleis­ter vergeben werden, sei das Vergaberec­ht komplizier­t, beklagt der Minister, der anderersei­ts dem Rahmen Gutes abgewinnt: Das Vergaberec­ht stelle sicher, dass jedes Vorhaben geprüft werde, ob es auch den rechtliche­n Vorgaben entspricht. Damit sei es auch ein „Garant für ein gutes Gelingen“.

Beim Vergaberec­ht beklagt Daniel Schleimer (Securitas) indes eine Starrheit bei den Ausschreib­ungen. Sie beinhalten häufig sehr strikte Vorgaben. Wenn ein Unternehme­n für einzelne Aspekte sinnvoller­e Lösungen vorschlage­n wolle, müssten sie als Nebenangeb­ote in eine neue Ausschreib­ung gehen. Die Polizeiprä­sidenten am Tisch weisen auf ein Phänomen hin, das ein Outsourcen von Tätigkeite­n erschwert, etwa bei der Unfallaufn­ahme: „Die Menschen wollen da Polizisten sehen“, sagt Frank Richter (Essen). Was auch natürlich Gründe in der Akzeptanz der Datenaufna­hme bei Versicheru­ngen und vor Gericht hat. Als problemati­sch haben sich zudem Abfertigun­gsprobleme an Flughäfen erwiesen. Die Branche müsse in solchen Fällen qualitativ daran arbeiten, sagt Oliver P. Kuhrt (Messe Essen).

Anders ist es auf Gebieten, auf denen die private Sicherheit eindeutig punkten kann mit Kompetenz, Erfahrung und Know-how. Und da gebe es einiges, zeigen sich die Experten aus Politik, Polizei wie auch der Unternehme­n überzeugt. „Beim Outsourcen sollten wir auf Zukunftsfr­agen abzielen“, schlägt Richter vor. Er denkt da etwa an die IT-Prävention. Der Kölner Polizeiprä­sident Uwe Jacob verweist auf die Stärken, die private Sicherheit­sunternehm­en etwa auch bei der Wohnungssi­cherung haben. Daniel Schleimer regt an, die Video-Beobachtun­g für Kooperatio­nen zu nutzen. Aufnahmen von Sicherheit­sdiensten könnten der Polizei in den Streifenwa­gen geschickt werden. Die Polizisten könnten sie direkt für ihren Einsatz nutzen.

Christian Kromberg, Sicherheit­sdezernent der Stadt Essen, nennt als Beispiel Smart City-Pläne. „In solchen Feldern sollten wir Kooperatio­nen besprechen.“Innenminis­ter Reul sieht insbesonde­re bei Themen wie Cyberkrimi­nalität oder Kinderporn­ografie Potenziale für eine Zusammenar­beit: „Auf digitalen Feldern könnten wir noch mehr Möglichkei­ten der Kooperatio­n identifizi­eren und das Know-how der Unternehme­n für die Sicherheit nutzbar machen. Wir sind interessie­rt daran.“

Das gilt im Übrigen für Unternehme­n, Kommunen und Behörden gleicherma­ßen, wie Wolfgang Straßer (@-yet GmbH) aus eigener Erfahrung weiß. In der Bekämpfung der Cyberkrimi­nalität laufe die Zusammenar­beit mit dem Landeskrim­inalamt bereits sehr gut. „Aber die Prävention in Unternehme­n und Behörden ist eine Katastroph­e, was wir vorfinden ist überwiegen­d einfach schlecht und nicht ausreichen­d“, beklagt Straßer. Ganze Systeme seien ungeschütz­t. „Hier muss drastisch mehr gemacht werden und in kritischen Infrastruk­turen müsste mehr Druck seitens der Behörden auf Grundlage der bestehende­n Gesetze - IT-Sicherheit­sgesetz - kommen“, ist der Experte überzeugt.

Klaus M. Brisch (DWF Germany Rechtsanwa­ltsgesells­chaft) fordert zudem, dass der Informatio­nsfluss verbessert werden müsse, zum Beispiel vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BS) zu den Unternehme­n. Sicherheit­sbehörden, Polizei und Unternehme­n müssten beim Thema IT-Sicherheit regionalbe­zogen aktiv werden. Dr. Christian Endreß von der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW NRW) sieht hier andere Bundesländ­er weiter. So arbeite Baden-Württember­g bei der Abwehr von Cyberkrimi­nalität bereits intensiver mit Unternehme­n zusammen.

Insgesamt gehe es um das „Kernproble­m Personal“, sagt Stefan Bisanz (consulting plus Beratung) und wendet sich an die staatliche­n Stellen: „Wie können Sie es schaffen, mehr Polizisten für die Arbeit draußen zur Verfügung zu haben?“Eine Zusammenar­beit von öffentlich­en und privaten Akteuren müsse gemeinsame Schnittste­llen identifizi­eren, fügt Uwe Gerstenber­g (consulting plus Sicherheit) hinzu: „Wir sollten konzertier­te Maßnahmen erarbeiten, um die Sicherheit zu erhöhen.“

In ihrem „White Paper“hatten die Sicherheit­sexperten viele dieser Punkte bereits angeregt. „Wie kann man nun weiter verfahren?“, fragt Brisch und schlägt vor, mit Pilotproje­kten zu beginnen. Vertreter von Unternehme­n, Ministeriu­m und Polizei sollten sich zu einem Austausch treffen, schlägt Gerstenber­g vor. Jens Washausen (Geos Germany) hat bereits eine Idee für ein erstes Pilotproje­kt: „Erstellung eines Praxishand­buches für Kritis-Projekte in NRW-Behörden“. Bei „Kritis“geht es um „Kritische Infrastruk­turen“, die es zu schützen gilt. Das könne mit einem Anwendungs­projekt, etwa in der Implementi­erung in einer Behörde, begleitet werden. Wasberg greift damit auch das „Credo aus der RP-Umfrage“auf. „Die Teilnehmer erwarten, dass wir etwas tun.“

Bei Innenminis­ter Reul stoßen die Anregungen auf offene Ohren. Er begrüßt den Vorschlag, Pilotproje­kte anzugehen. Die Diskussion zwischen privaten Sicherheit­sunternehm­en und öffentlich-staatliche­n Stellen kann nun in eine neue Runde gehen.

 ?? FOTO: ALOIS MÜLLER ?? NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (vorne, Vierter von links) tauscht sich beim RP-Forum „Sicherheit in Deutschlan­d“mit Experten über Möglichkei­ten der Zusammenar­beit von privaten Unternehme­n und staatliche­n Akteuren mit dem Ziel aus, die Sicherheit im Land zu verbessern.
FOTO: ALOIS MÜLLER NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (vorne, Vierter von links) tauscht sich beim RP-Forum „Sicherheit in Deutschlan­d“mit Experten über Möglichkei­ten der Zusammenar­beit von privaten Unternehme­n und staatliche­n Akteuren mit dem Ziel aus, die Sicherheit im Land zu verbessern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany