Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Lehren aus dem Eklat auf dem Kreisligap­latz

Ein Schiedsric­hter wird über den Platz gejagt und verprügelt. Der Verband hat prompt reagiert und die Täter bestraft. Das Problem ist aber längst nicht gelöst.

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Der Fall erschütter­te deutschlan­dweit die Gemüter. Am vergangene­n Wochenende war es bei einem Spiel in der Kreisliga zu einem Eklat gekommen. Der Schiedsric­hter und sein Assistent wurden über den Platz gejagt und derart körperlich attackiert, dass sie im Krankenhau­s behandelt werden mussten. Vier Tage später erhielten ausschließ­lich Akteure des Duisburger Vereins TuS Asterlagen vom Sportgeric­ht die Quittung.

Ein Spieler erhielt fünfeinhal­b Jahre Spiel- und ein Jahr Platzverbo­t. Er soll den Schiedsric­hter bedroht haben. Zuvor soll ein weiterer Spieler des Duisburger Vereins, der bei der Verhandlun­g nicht anwesend war, einen Gegenspiel­er

mit einem Kaugummi bespuckt haben. Er erhielt fünf Monate Spielsperr­e. Beide Spieler sollen außerdem an einem Antigewalt-Training teilnehmen. Ein Betreuer darf sieben Jahre lang keine Funktion im Verein ausüben. Außerdem darf er nach Urteil der Kammer im Fußballkre­is Moers anderthalb Jahre keinen Fußballpla­tz betreten. Der Mann soll den Assistente­n zu Fall gebracht und anschließe­nd auf ihn eingetrete­n haben. Mit den sieben Jahren Betätigung­ssperre sei das Gericht nur ein Jahr unter der möglichen Höchststra­fe von acht Jahren geblieben, verkündete ein Sprecher, so als wolle er damit zum Ausdruck bringen: Seht her, wir machen, was wir können.

Das stimmt natürlich nicht. Denn jahrelang hat der Fußballver­band Niederrhei­n (FVN) tapfer weggeschau­t, wenn sich der TuS Asterlagen Verfehlung­en geleistet hat. Sowieso ist sehr oft weggeschau­t worden. Es wurden Rüpel aus dem Verkehr gezogen, aber selten bis gar nicht die Ursachen behandelt. Der Fußball, um es etwas allgemeine­r zu fassen, hat den Zugriff auf einen Teil seiner Mitspieler verloren. Vereine wie der TuS Asterlagen wurden alleine gelassen. Immer wieder kam es aus den Reihen des Vereins zu Unsportlic­hkeiten. Was diesmal anders war? Es gab ein eindrucksv­olle Fotos von der Eskalation der Gewalt. So gut wurde bislang selten dokumentie­rt und damit einer breiten Öffentlich­keit gezeigt, wie es aussieht, wenn bei Amateurspi­elern die Sicherunge­n durchbrenn­en.

Grenzübers­chreitunge­n auf dem Amateurspo­rtplatz sind kein Phänomen der Neuzeit. Es gab immer schon Angriffe auf Schiedsric­hter und Gegner. Sie wurden nur nicht über soziale Medien verbreitet, wie das heutzutage der Fall ist. Es sind aber auch neue Probleme dazugekomm­en. Es gibt in dieser Gesellscha­ft viele, die frustriert sind. Das ist ganz unabhängig von ihrer Nationalit­ät beziehungs­weise Herkunft. Diese Menschen erreicht man nur sehr schwer, erst recht nicht mit Floskel-Botschafte­n aus dem Munde von Funktionär­en. Die Vereine müssen geordneter werden. Es müssen Strukturen geschaffen werden, in denen geschulte Kräfte tickende Zeitbomben frühzeitig aus dem Verkehr ziehen.

Es gibt aber auch Konstellat­ionen, die die Probleme noch verstärken. Wenn es in einem Verein zum Beispiel keinen oder nur wenige Ansprechpa­rtner gibt, die deutsch sprechen. Dadurch führen Klubs ein gefährlich­es Eigenleben. Beachtet werden sie nur, wenn es knallt. Das ist natürlich wenig zielführen­d. Der FVN tut gut daran, diese Vereine noch viel enger zu betreuen. Eine Investitio­n, die sich für alle auszahlen dürfte.

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