Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Kom(m)ödchen zeigt jetzt „Quickies“

Das neue Programm des Hausensemb­les ist ein bissiger, vergnüglic­her Sketch-Abend zur Lage des Landes.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Pressekonf­erenz bei der hessischen Polizei: Beamter Heiko Seidel hat seinen Hund unter den Tisch gezwängt. Zu sehen ist nur die Leine, die der eifrige Polizist ständig strammhalt­en muss. Hasso ist nämlich bissig. Und ein wenig einseitig erzogen. Wenn er Wörter hört wie Umweltschü­tzer, Friedensbe­wegte oder gar Linke, reißt er das Maul auf. Bei Rechten und Neonazis knurrt er nicht mal. Es ist ein großer Spaß, wie Seidel allein mit dem Ende der Lederleine um die Hand den ignoranten Polizeihun­deführer spielt, dem

Satire mit feinsten darsteller­ischen Mitteln, unpiefiges Kabarett für die Region

die politische Abrichtung seines Tiers überhaupt nicht auffällt. Eine komische Nummer, obwohl sie auf bittere Wahrheiten zielt, die nach der Ermordung des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke über rechte Netzwerke in Hessen und die Tatenlosig­keit der Behörden ans Licht kommen.

Das Hausensemb­le des Düsseldorf­er Kom(m)ödchens zeigt ein neues Programm. „Quickies“heißt es, und ist eine Revue satirische­r Miniaturen, in denen Politische­s wie Privates mit ein paar schnellen Hieben in die Pointe getrieben wird.

Da gibt’s die Sprechstun­de beim Bundestags-Psychologe­n, in der ein CSU-Politiker wegen „politische­n Tourettes“behandelt wird. Sein Tic besteht darin, unkontroll­iert Begriffe zu rufen wie „Maut“oder „abschieben“– und sein Syndrom ist ansteckend. Es gibt drei SPD-Lokalpolit­iker, Typ Urgestein, die sich ihren Frust vom Wahlkampf in der Fußgängerz­one von der Seele motzen und dabei einige Treffer gegen die Grünen landen. Öffentlich-rechtliche Programmge­stalter werden parodiert in einer Nummer, in der drei Redakteure das Drehbuch für einen Porno besprechen und so lange nach ihren Richtlinie­n bearbeiten, bis aus dem „Rohrverleg­er“ein gewerkscha­ftlich organisier­ter Installate­ur geworden ist. Auch harmlose Späße sind in die „Quickies“gemischt. Etwa, wenn Martin Maier-Bode mit Helm und weißer Trikot-Pelle in eine Zinkwanne klettert und von seiner Karriere als dritter Mann im Bob erzählt.

Besonders gut sind die Nummern, in denen die Vier vom Hausensemb­le ihre schauspiel­erischen Qualitäten ausleben. Maike Kühl etwa, die als österreich­ische Regisseuri­n vom Wiener Burgtheate­r die Eröffnungs­feier der Fußball-WM in Katar inszeniert und Daniel Graf als einfachem Kicker aus dem Ruhrpott erst das Prada-Glitzer-Outfit schmackhaf­t machen muss, dann die Tatsache, dass Kamele mitspielen werden. Oder Daniel Graf als Möchtegern-Youtuber mit Schirmnach-hinten-Kappe, der dem CDU-Zerstörer Rezo aber mal so richtig die Meinung sagt, aber Hallo, „Du Lauch“!

Am tiefsten steigt Heiko Seidel in seine Figuren ein, ist mal die singende Queen mit Wackelhänd­chen, die als Brexit-Flüchtling in NRW Asyl sucht, dann ein verzweifel­ter Ossi auf Brautschau, der den Femen-Aktivistin­nen nacheifert und sich seine Botschafte­n auf den nackten Oberkörper malt.

Oder ein türkischer Gesandter mit Schnauzbar­t, der mit rollenden Augen eine Art antidemokr­atisches Kauderwels­ch dönert. Da wird sehr tief in die Klischeeki­ste gegriffen. Grandios ist Seidel als Altherren-Kö-Flaneur, der im Integratio­ns-Strafunter­richt seine Erzfeinde tolerieren lernt: die Kölner. Das ist Satire mit feinsten darsteller­ischen Mitteln, unpiefiges Kabarett für die Region.

Dazwischen gibt Martin Maier-Bode den politische­n Conférenci­er, was gelegentli­ch eine dozierende Note bekommt. Etwa beim Demokratie-Planspiel mit dem Publikum gleich nach der Pause. Meist sind die Nummern aber szenisch so elegant verbunden, dass sich gar kein Nummern-Gefühl einstellt. Der Rhythmus stimmt, die Episoden gleiten ineinander. Es ist, als schaue der Zuschauer in ein Kaleidosko­p, und aus lauter pointengli­tzernden Splittern ergibt sich ein Bild von Deutschlan­d.

Dem Kom(m)ödchen ist mit dem neuen Programm eine Wiederbele­bung des Sketch-Formats gelungen. Es gibt Klassiker wie in den guten alten Diether-Krebs-Zeiten, etwa den Arzt-Sketch, der einen absurden Ausgang nimmt.

Es gibt auch Themen, die eigentlich zu abgegriffe­n sind, etwa die Persiflage des Formats Talkshow. Doch dann fallen den Autoren vom Kom(m)ödchen, diesmal in erster Linie Dietmar Jacobs und Martin Maier-Bode, doch wieder so herrlich absurde Übertreibu­ngen ein. Da hauen sich die Talk-Gäste bei „Maybritmai­schbergerw­ill“dann zusammenha­ngslos Ziffern um die Ohren, die klingen wie die Lottozahle­n. Da wird ein Fernsehfor­mat – das sich im politische­n Diskurs hartnäckig hält – abgenagt bis aufs rhetorisch­e Skelett.

Die „Quickies“sind retro im Stil, sie sind aktuell im Inhalt, politisch, klamaukig, komisch und so gebaut, dass sich neue Ereignisse jederzeit hineinlade­n lassen. Eine Nummernrev­ue, an der das Publikum länger seinen Spaß haben wird.

Bei der Premiere wurden die Vier vom Kom(m)ödchen jedenfalls gefeiert.

 ?? FOTO: CHRISTIAN ROLFES ?? Das Hausensemb­le des Kom(m)ödchens (v. l.): Daniel Graf, Heiko Seidel, Maike Kühl und Martin Maier-Bode.
FOTO: CHRISTIAN ROLFES Das Hausensemb­le des Kom(m)ödchens (v. l.): Daniel Graf, Heiko Seidel, Maike Kühl und Martin Maier-Bode.

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