Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Chef als Praktikant in der Werkstatt
Die Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft haben den Brückentag genutzt, um Praktika in Handwerksbetrieben zu absolvieren. Geschäftsführer Niocholas Kirch packte in einer Wermelskirchener Auto-Werkstatt mit an – und lernte dazu.
WERMELSKIRCHEN Die Schraube ist gelöst, jetzt braucht es Fingerspitzengefühl. Nicholas Kirch dreht sie mit seiner linken Hand vorsichtig heraus, ganz langsam, dann zieht er sie mit einem Ruck beiseite – und fast fünf Liter pechschwarzes Öl strömen mit einem Mal aus dem Ablass in den Auffangbehälter. Kirchs Finger sind schwarz, das warme, schmierige Motoröl läuft über seine Handfläche Richtung Ärmel. „Da war ich nicht schnell genug“, sagt er. „Das ist bestimmt ein typischer Anfängerfehler.“Auto-Mechatroniker
„Ich will die Arbeitsabläufe in so einer Werkstatt besser kennenlernen“ Nicholas Kirch Kreishandwerkerschaft
Marco Weyand vom Autohaus Hildebrandt kann den Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land beruhigen: „Das passiert die ersten zehn, 15 Male, das ist ganz normal.“Er reicht ihm ein Tuch zum Abwischen.
Wie sich sein Praktikant so schlägt? „Ganz gut. Er ist einer von denen, die mit anpacken und ihre Hilfe anbieten“, sagt der 20-Jährige, der vor sechs Monaten seine Ausbildung abgeschlossen hat und Motoröl normalerweise alleine wechselt. Mit seinem Kollegen auf Zeit ist er per Du, beide bilden ein Team und schrauben gemeinsam an dem Nissan Micra, der hoch auf der Hebebühne steht und bei der ersten Inspektion gründlich unter die Lupe genommen wird. Der Ölwechsel ist nur einer von vielen Punkten auf der Checkliste.
Tatsächlich schlüpft Nicholas Kirch am Freitag für acht Stunden in Arbeitslatzhose und Sicherheitsschuhe, um die Arbeit in der Auto-Werkstatt besser kennenzulernen. „Bei der Kreishandwerkerschaft kümmere ich mich auch um
alles rund ums Auto – aber eben nur auf dem Papier“, sagt der Jurist, der unter anderem für die Kfz-Schiedsstelle zuständig ist. Dort melden sich beispielsweise Kunden, die unzufrieden sind mit dem Werkstatt-Service – Fälle, in denen Fachleute wie er vermitteln müssen.
Wie so eine Werkstatt genau funktioniert und was es allein bei einer Auto-Inspektion zu beachten gilt, lernt auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkschaft am besten, wenn er „live“dabei ist. „Ich helfe zum ersten Mal in einer Auto-Werkstatt“, sagt der 38-Jährige, der sich nicht zu schade ist, sich die Hände schmutzig zu machen. Das muss man auch in einer Werkstatt – nicht nur beim Ölwechsel, der eigentlich zu den einfachen Übungen zählt. „Mir ist wichtig, die Arbeitsabläufe in so einer Werkstatt besser kennenzulernen“, sagt Kirch. „Deshalb mache ich das Praktikum.“Parallel kneten 19 seiner Kollegen beim Bäcker Teig, heben Pfannen mit einem Dachdecker aufs Dach, sägen Holz beim Tischler passend oder packen in anderen Betrieben mit an. Nicholas Kirch hat es vergleichsweise gut, zumindest in Bezug auf die Zeit. „Ich habe um 7.45 Uhr angefangen, eine Kollegin musste heute Morgen bereits um 3 Uhr anfangen. Sie ist beim Bäcker“, erzählt er. Und: Die Arbeit in der Auto-Werkstatt mache ihm Spaß, weil er auch grundsätzlich autoaffin sei. „Es ist interessant, auch die technischen Zusammenhänge mal in der Praxis zu sehen.“
„Er ist einer von denen, die mit anpacken und ihre Hilfe anbieten. Das ist gut“ Marco Weyand Kfz-Mechatroniker
Den Micra – der Wagen ist erst ein Jahr alt – prüft der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft mit Mechatroniker Weyand auf Herz und Nieren: Nach dem Ölwechsel kontrollieren sie den Gehalt des Frostschutzmittels im Kühlwasser, die Bremsen, das Anzugsdrehmoment der Radmuttern, die Anschnallgurte bis hin zur Haltbarkeit der Utensilien im Verbandskasten. „Dass das so umfangreich ist, hätte ich nicht gedacht“, sagt Kirch.
Bei der Arbeit sieht der Jurist auch, dass selbst einfache Dinge wie Ölwechsel gerade bei modernen Autos immer mehr Arbeitsschritte erfordern. Denn um etwa an die Öl-Ablassschraube unter dem Auto zu kommen, müssen die Werkstatt-Mitarbeiter erst einmal eine riesige Kunststoffverkleidung abschrauben – vom Ölfilter, der sich hinter einem Gewirr von Schläuchen versteckt, ganz zu schweigen. Allerdings: Geschäftsführer Nicholas Kirch gewinnt durch seinen kurzen Praktikanten-Job zahlreiche Eindrücke. „Die sind für die Arbeit im Büro sicher wertvoll.“