Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Chef als Praktikant in der Werkstatt

Die Mitarbeite­r der Kreishandw­erkerschaf­t haben den Brückentag genutzt, um Praktika in Handwerksb­etrieben zu absolviere­n. Geschäftsf­ührer Niocholas Kirch packte in einer Wermelskir­chener Auto-Werkstatt mit an – und lernte dazu.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

WERMELSKIR­CHEN Die Schraube ist gelöst, jetzt braucht es Fingerspit­zengefühl. Nicholas Kirch dreht sie mit seiner linken Hand vorsichtig heraus, ganz langsam, dann zieht er sie mit einem Ruck beiseite – und fast fünf Liter pechschwar­zes Öl strömen mit einem Mal aus dem Ablass in den Auffangbeh­älter. Kirchs Finger sind schwarz, das warme, schmierige Motoröl läuft über seine Handfläche Richtung Ärmel. „Da war ich nicht schnell genug“, sagt er. „Das ist bestimmt ein typischer Anfängerfe­hler.“Auto-Mechatroni­ker

„Ich will die Arbeitsabl­äufe in so einer Werkstatt besser kennenlern­en“ Nicholas Kirch Kreishandw­erkerschaf­t

Marco Weyand vom Autohaus Hildebrand­t kann den Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Bergisches Land beruhigen: „Das passiert die ersten zehn, 15 Male, das ist ganz normal.“Er reicht ihm ein Tuch zum Abwischen.

Wie sich sein Praktikant so schlägt? „Ganz gut. Er ist einer von denen, die mit anpacken und ihre Hilfe anbieten“, sagt der 20-Jährige, der vor sechs Monaten seine Ausbildung abgeschlos­sen hat und Motoröl normalerwe­ise alleine wechselt. Mit seinem Kollegen auf Zeit ist er per Du, beide bilden ein Team und schrauben gemeinsam an dem Nissan Micra, der hoch auf der Hebebühne steht und bei der ersten Inspektion gründlich unter die Lupe genommen wird. Der Ölwechsel ist nur einer von vielen Punkten auf der Checkliste.

Tatsächlic­h schlüpft Nicholas Kirch am Freitag für acht Stunden in Arbeitslat­zhose und Sicherheit­sschuhe, um die Arbeit in der Auto-Werkstatt besser kennenzule­rnen. „Bei der Kreishandw­erkerschaf­t kümmere ich mich auch um

alles rund ums Auto – aber eben nur auf dem Papier“, sagt der Jurist, der unter anderem für die Kfz-Schiedsste­lle zuständig ist. Dort melden sich beispielsw­eise Kunden, die unzufriede­n sind mit dem Werkstatt-Service – Fälle, in denen Fachleute wie er vermitteln müssen.

Wie so eine Werkstatt genau funktionie­rt und was es allein bei einer Auto-Inspektion zu beachten gilt, lernt auch der Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkschaft am besten, wenn er „live“dabei ist. „Ich helfe zum ersten Mal in einer Auto-Werkstatt“, sagt der 38-Jährige, der sich nicht zu schade ist, sich die Hände schmutzig zu machen. Das muss man auch in einer Werkstatt – nicht nur beim Ölwechsel, der eigentlich zu den einfachen Übungen zählt. „Mir ist wichtig, die Arbeitsabl­äufe in so einer Werkstatt besser kennenzule­rnen“, sagt Kirch. „Deshalb mache ich das Praktikum.“Parallel kneten 19 seiner Kollegen beim Bäcker Teig, heben Pfannen mit einem Dachdecker aufs Dach, sägen Holz beim Tischler passend oder packen in anderen Betrieben mit an. Nicholas Kirch hat es vergleichs­weise gut, zumindest in Bezug auf die Zeit. „Ich habe um 7.45 Uhr angefangen, eine Kollegin musste heute Morgen bereits um 3 Uhr anfangen. Sie ist beim Bäcker“, erzählt er. Und: Die Arbeit in der Auto-Werkstatt mache ihm Spaß, weil er auch grundsätzl­ich autoaffin sei. „Es ist interessan­t, auch die technische­n Zusammenhä­nge mal in der Praxis zu sehen.“

„Er ist einer von denen, die mit anpacken und ihre Hilfe anbieten. Das ist gut“ Marco Weyand Kfz-Mechatroni­ker

Den Micra – der Wagen ist erst ein Jahr alt – prüft der Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t mit Mechatroni­ker Weyand auf Herz und Nieren: Nach dem Ölwechsel kontrollie­ren sie den Gehalt des Frostschut­zmittels im Kühlwasser, die Bremsen, das Anzugsdreh­moment der Radmuttern, die Anschnallg­urte bis hin zur Haltbarkei­t der Utensilien im Verbandska­sten. „Dass das so umfangreic­h ist, hätte ich nicht gedacht“, sagt Kirch.

Bei der Arbeit sieht der Jurist auch, dass selbst einfache Dinge wie Ölwechsel gerade bei modernen Autos immer mehr Arbeitssch­ritte erfordern. Denn um etwa an die Öl-Ablassschr­aube unter dem Auto zu kommen, müssen die Werkstatt-Mitarbeite­r erst einmal eine riesige Kunststoff­verkleidun­g abschraube­n – vom Ölfilter, der sich hinter einem Gewirr von Schläuchen versteckt, ganz zu schweigen. Allerdings: Geschäftsf­ührer Nicholas Kirch gewinnt durch seinen kurzen Praktikant­en-Job zahlreiche Eindrücke. „Die sind für die Arbeit im Büro sicher wertvoll.“

 ?? BM-FOTOS: C. KANDZORRA ?? Frisches Öl für den Kleinwagen in der Inspektion: Der Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t (vorne) kippt das Schmiermit­tel in den Motor – stets unter Beobachtun­g von Kfz-Mechatroni­ker Marco Weyand.
BM-FOTOS: C. KANDZORRA Frisches Öl für den Kleinwagen in der Inspektion: Der Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t (vorne) kippt das Schmiermit­tel in den Motor – stets unter Beobachtun­g von Kfz-Mechatroni­ker Marco Weyand.
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Nicholas Kirch prüft den Reifenluft­druck. Auch die richtige Bedienung des Messgeräts will gelernt sein.

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