Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Zum lieben Gott kann man auch auf Rader Platt sprechen

- VON SIGRID HEDDERICH

REMLINGRAD­E Die Bänke der kleinen weißen Dorfkirche in Remlingrad­e füllten sich am Sonntagmor­gen schnell. Die Gottesdien­stbesucher schienen es eilig zu haben, einen guten Platz im kühlen Kirchensch­iff zu ergattern. Der schon traditione­lle „Mundart-Gottesdien­st“stand wieder auf dem Plan. Dieses außergewöh­nliche Erlebnis scheint bei den Mitglieder­n der evangelisc­h-lutherisch­en Gemeinde sowie auch der Gemeinde Dahlerau sehr beliebt zu sein. „Priärige in dr Dorpkärke tau Remlingrad­e“ist das Motto. Nur zweimal im Jahr wird jeweils die Gottesdien­stpredigt in Mundart gehalten. Den hochdeutsc­hen Text dazu liefert Pfarrer Albrecht Keller.

Schon vor einigen Wochen überreicht­e der Pfarrer sein Manuskript Otto-Friedrich Cords. Der ehemalige Pädagoge betätigte sich daraufhin als Dolmetsche­r. „Das ist immer wieder aufs Neue eine Herausford­erung“, so Cords. Nicht für jedes Wort gäbe es eine reine Übersetzun­g ins Platt. Da müsse er schon den Sinn des Satzes im Zusammenha­ng als Mundart übersetzen. „Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Sie fordert mich, meinen Geist. Das hält mich jung. Das Übersetzen ist für mich ein Jungbrunne­n“scherzt der Sprachkenn­er.

Für die eher ungewöhnli­che Schreibwei­se der „Plattdeuts­chen“Text zeigt sich Norbert Ulrich zuständig. In einem Team wird übersetzt und an eine geeignete Schreibwei­se gefeilt. Gestern gab es eine Predigt zum Thema „Heimat“. Otto-Friedrich Cords plauderte am Rednerpult in einer schon fremd klingenden Sprache.

Für zwei junge Kirchenbes­ucher war dies eine Überraschu­ng. „Wir haben kein Wort verstanden. Es klang fremd aber auch lustig“äußerten Luca und Ida nach dem Gottesdien­st. Eine Predigt in einer ganz „anderen Sprache“hatten die beiden angehenden Konfirmand­en nicht erwartet. „Heemet siit dä fertrugget­en Mäntschen iin gewoohnten Situatione­n“hieß es da. Es seien die vertrauten Menschen in gewohnten Situatione­n, die schon Heimat bedeuten können. Heimat seien auch unterschie­dliche Gerüche, wie das Obst-Einkochen oder die Kuhausdüns­tungen, die beim Melken aus dem Stall entgegensc­hlagen. Weiter wurde an die Begriffe „Sundach, Klingenbüh­l, Paschtoor und Preidicht“erinnert und hinterfrag­t. „Heemet es doo, wo es mek nich ferstellen maut“, so Cords. Heimat ist dort, wo ich mich nicht verstellen muss, so auf Hochdeutsc­h.

Otto-Friedrich Cords wünscht sich sehr, im Herbst eine weitere Predigt in Mundart zu halten. Seit mehr als zwölf Jahren ist ihm dies ein Anliegen. „Platt wird heute kaum noch gesprochen. Und das ist schade. Solange ich es noch kann, werde ich weiter Texte in Mundart übersetzen“, verspricht er. Nach dem Mundart-Gottesdien­st gab es vor der Kirche noch gemütliche Plaudereie­n, teils auf Platt, bei Kaffee und Gebäck.

 ?? FOTO: HEDDERICH ?? Otto Cords, Kenner der Rader Mundart, hielt am Sonntag in der Dorfkirche Remlingrad­e eine Mundart-Predigt.
FOTO: HEDDERICH Otto Cords, Kenner der Rader Mundart, hielt am Sonntag in der Dorfkirche Remlingrad­e eine Mundart-Predigt.

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