Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Zurück in die Zukunft
50 Jahre nach der ersten Mondlandung liefern sich Länder und Privatunternehmen erneut ein Wettrennen zum Erdtrabanten. Es geht um Prestige, um den Mars, um Rohstoffe und die Zukunft der Menschheit.
Es kam für die US-Weltraumbehörde Nasa wie eine Ohrfeige: Ende März forderte US-Vizepräsident Mike Pence vehement, dass 2024 erneut Amerikaner auf dem Mond landen sollen. Das Land würde sonst von China abgehängt. Über die Intention lässt sich indes streiten. Pence war da das Sprachrohr für US-Präsident Donald Trump. Und möglicherweise geht es dem nur darum, noch größer als der legendäre Vorgänger John F. Kennedy zu werden.
Dennoch: Das Ziel steht im Raum und die Nasa ist unter Druck. Zumindest hat das neue „Apollo-Programm“mittlerweile einen Namen: Artemis, nach der griechischen Göttin des Mondes – und weil vor allem eine Frau auf unserem Trabanten landen soll.
Pläne für eine Rakete namens S.L.S. existieren bereits, die der Saturn V aus dem Apollo-Programm mindestens ebenbürtig wäre. Doch ihre Entwicklung hinkt dem Zeitplan hinterher. Sie ist zudem noch nicht getestet worden, aber dafür schon jetzt sehr viel teurer als veranschlagt. Es gibt derzeit kein Landesystem, um Menschen auf dem Mond sicher abzusetzen und wieder starten zu lassen. Astronauten für eine solche Mission wurden auch noch nicht ausgewählt. Und selbst wenn: Wofür sollen sie trainieren, wenn wesentliche Elemente wie eine Rakete nicht vorhanden sind? Von neuen Raumanzügen ganz zu schweigen.
Zudem will die Nasa mit „Gateway“(das Tor) eine kleine Raumstation bauen, die den Mond umkreisen und als Kommando-Zentrale für zukünftige lunare Missionen dienen soll. Das alles muss nun in fünf Jahren erreicht werden. Mit einem Budget, das bei weitem nicht an die Finanzierung des Apollo-Programms in den 1960ern heranreicht: Bis zum Start von Apollo 11 hatten die USA dafür nach heutigen Maßstäben 164 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Trump dagegen ist bereit, in diesem Jahr nur 1,6 Milliarden für seine Mondpläne zu bewilligen. Zusätzlich zum Nasa-Budget von rund 21 Milliarden, aus dem alle Aktivitäten der Weltraumbehörde bezahlt werden.
Ohne Partner scheint das so gut wie unmöglich. Jan Wörner, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, hatte auf unsere Nachfrage im März seine Unterstützung angeboten. Aber die ESA ist ohnehin international breit aufgestellt: Im Mai verkündete man die Zusammenarbeit mit dem Berliner Raumfahrtunternehmen PTScientists, das aus einem Google-Wettbewerb hervorgegangen ist. Mit der Ariane-Gruppe, die auch die europäischen Raketen baut, will
man ein Landemodul (Nutzlast 300 Kilogramm) für lunare Missionen entwickeln. Zudem untersucht die ESA die Möglichkeit, mit 3D-Druckern aus Mondstaub eine Basis zu bauen – unter dem Namen „Moon Village“(Monddorf). Ein Ort, wo Menschen zusammen leben und arbeiten sollen. Schließlich ist es auch das Ziel der USA, dass dieses Mal Astronauten dauerhaft einen lunaren Außenposten besetzen.
China verfolgt hingegen seine eigenen Raumfahrtpläne. Zu Beginn des Jahres hat man mit „Chang’e-4“erfolgreich eine Sonde auf der Rückseite des Mondes abgesetzt. Und das soll erst der Anfang sein. Auch wenn man sich noch etwas bedeckt hält: Im Laufe der nächsten zehn Jahre sollen Chinesen auf dem Mond landen. Die Absichten scheinen aber nicht nur friedlich zu sein: Nach einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums geht man in Peking davon aus, dass zukünftige Konflikte auch im All ausgetragen werden.
Russlands Präsident Wladimir Putin möchte ebenfalls zurück zum Mond. Nach 2030 sollen Kosmonauten ihren Fuß in den lunaren Staub setzen. Allerdings strebt Moskau internationale Kooperationen an. Mit der ESA, mit China und auch den USA. Vor allem beim Bau der Raumstation „Gateway“. Aber Dmitri Rogosin, Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, stellte bereits klar, dass „Russland da nicht der Juniorpartner“sein könne.
Alle diese Länder und Organisation sind jedoch nicht alleine: Kanada, Japan, Indien, Südkorea, Israel und sogar Luxemburg wollen teils in staatlicher, teils in privater Initiative mit eigenen Sonden zum Mond oder sich an den Projekten beteiligen. Und es gibt noch mehr Menschen mit großen Plänen.
Der exzentrische Milliardär Elon Musk hat in kurzer Zeit sein Unternehmen „SpaceX“zu einem der erfolgreichsten Mitspieler in der kommerziellen Raumfahrt gemacht. Bis 2023 will er nun dem japanischen Milliardär Yusaku Maezawa, der dafür auch bezahlt, samt einer Gruppe von Künstlern einen Rundflug um den Mond ermöglichen.
Für Musk ist das nur ein Test für seine neue Rakete, mit der er die Besiedlung des Mars möglich machen möchte – und die vor dem Nasa-Raumschiff fertig sein könnte. Dennoch hat Frederick „Jim“Bridenstine als Chef der US-Weltraumbehörde jede Kooperation mit „SpaceX“bei den Mondplänen ausgeschlossen. Nur die eigenen Raketen und Kapseln seien für das Artemis-Projekt geeignet. US-Vize-Präsident Mike Pence ist da offener: „Wenn kommerzielle Raketen der einzige Weg sind, um amerikanische Astronauten in fünf Jahren zum Mond zu bringen, dann werden es eben kommerzielle Raketen sein.“
Aber es gibt noch einen Spieler: Amazon-Gründer Jeff Bezos. Im Mai stellte er seine Vision einer Mondlande-Fähre namens „Blue Moon“vor, die sein eigenes Raumfahrt-Unternehmen „Blue Origin“entwickelt hat. Der Nasa hat er bereits seine Hilfe angeboten.
Aber warum wollen alle zum Mond? „Eine dauerhafte Präsenz dort wäre ein erster Schritt zum
Mars“, sagte Nasa-Chef Bridenstine dem US-Nachrichtensender CNN. Denn auf dem Mond gibt es Eis in den Tiefen der Krater am Südpol. Das würde nicht nur Trinkwasser liefern. Daraus ließen sich auch Atemluft und Raketentreibstoff gewinnen. Und: Eine erste Astronautin auf dem Mond könnte Frauen weltweit inspirieren und für Wissenschaft und Technik begeistern.
Andere Gründe sind weltlicher: Es geht um sogenannte seltene Erden. Diese Gruppe von 17 Elementen wird in elektronischen Hightech-Produkten, Smartphones, Computern und Akkus eingesetzt. Derzeit ist China Hauptlieferant dieser Rohstoffe mit einem Weltmarktanteil von 95 Prozent. Sicher auch ein Grund für Peking, den Mond ins Visier zu nehmen. Dort findet sich zudem Helium-3, das potenzielle Energie-Quellen wie Kernfusion möglich machen könnte.
Für Elon Musk und Jeff Bezos steht sogar noch mehr auf dem Spiel: die Zukunft der Menschheit. „Um die Erde zu erhalten, müssen der Weltraum und die unbegrenzten Ressourcen und Energien dort erschlossen werden“, heißt es auf der Website von Bezos’ Weltraumunternehmen „Blue Origin“. In der Vision des Milliardärs werden Menschen in Raumstationen im Erdorbit und auf dem Mond leben. Für Elon Musk dagegen hat vor allem die Besiedlung des Mars Priorität. Der Mond wäre da nur ein Zwischenschritt. Denn „wenn wir nur auf der Erde bleiben, werden wir eines Tages zwangsläufig untergehen“, sagt Musk.
„Wenn wir auf der Erde bleiben, werden wir eines Tages zwangsläufig untergehen“Elon Musk Unternehmer