Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Strom darf hier nicht teurer werden“
Henkel-Chef Hans Van Bylen spricht im Samstagsinterview über eine nationale CO2-Steuer, neue Anwendungschancen von Henkel-Produkten in Elektroautos und Handys und eine Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung.
Vor der Zentrale von Henkel steht ein Streetfood-Wagen, als wir Hans Van Bylen besuchen. Er kaufe sich da manchmal einen Imbiss, erzählt der Konzernchef, ergänzt aber: „Meistens esse ich in der Kantine.“
Herr Van Bylen, der von Henkel geförderte Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf landete in der Tabelle unerwartet gut auf dem zehnten Platz, statt wie befürchtet abzusteigen. Wird es auch für Henkel zukünftig wieder deutlich aufwärts gehen?
Natürlich freuen wir uns über den großen Erfolg von Fortuna in der ersten Liga. Das Sponsoring ist Teil unseres Bekenntnisses zum Standort Düsseldorf. Fast 6000 Mitarbeiter sind hier tätig, 3000 haben wir zum Spiel von Fortuna gegen Werder Bremen eingeladen – viele Henkelaner sind im Herzen Fortuna-Fans. Und zur weiteren Zukunft von Henkel: Wir spielen im internationalen Wettbewerb erfolgreich ganz vorne mit. Das wollen wir auch in der kommenden Saison fortsetzen.
Die Henkel-Aktie verlor seit Ihrem Amtsantritt als Konzernchef vor drei Jahren rund 15 Prozent des Wertes.
Damit bin ich natürlich nicht zufrieden. Doch viele Aktien sind unter Druck, weil die Weltwirtschaft langsamer wächst. Aber Henkel ist hervorragend aufgestellt: Wir gehören zu den wertvollsten Unternehmen im Dax 30. Wir haben niedrige Schulden, einen hohen Mittelzufluss von 500 Millionen Euro allein im ersten Quartal, die richtige Strategie und vor allem hochmotivierte Mitarbeiter. Das alles hilft bei dem aktuellen Gegenwind. Haben Sie Sorge, dass der niedrige Aktienkurs zerschlagungswillige Investoren wie Elliott anlockt? Bei Bayer sind die Amerikaner gerade eingestiegen …
Unsere Aktionärsstruktur ist eine ganz andere. Die Familie hat die Mehrheit der Stimmrechte langfristig gebunden. Ein Ankeraktionär gibt Stabilität für ein Unternehmen – auch in unruhigen Zeiten.
Die Anleger waren geschockt, als Sie Ende Januar davor warnten, dass die Gewinne in 2019 niedriger ausfallen als bisher angekündigt.
Vor allem haben wir angekündigt, pro Jahr 300 Millionen Euro mehr in Marketing, Innovationen und die Digitalisierung zu investieren. Das wirkt sich auch auf die Gewinne aus. Dennoch war es die richtige Entscheidung. Inzwischen sind uns auch viele Wettbewerber mit ähnlichen Ankündigungen gefolgt.
Halten Sie an der Januar-Prognose für 2019 fest?
Wir arbeiten hart daran, unsere Ziele zu erreichen, die wir Anfang des Jahres bekanntgegeben haben, auch wenn der Gegenwind höher ist als erwartet. Wir bleiben ein hochprofitables, kerngesundes Unternehmen.
Spüren Sie den Handelskonflikt der USA mit China?
Ja. China ist einer unserer wichtigsten Märkte. Die Abkühlung der Konjunktur in China drückt auch auf unser Geschäft. Im ersten Quartal war unser Umsatz dort rückläufig.
Was sind die größten Baustellen? Das ist sicherlich das konjunkturelle Umfeld. Die Autoindustrie als einer unserer wichtigsten Kunden steht unter Druck, das merken wir im Klebstoffgeschäft. Nun kommt es darauf an, die Wachstumsfelder zu fördern. Zum Beispiel die Elektromobilität und das autonome Fahren. In einem E-Auto ist das Potenzial für unsere Produkte fast dreimal höher als in einem Auto mit Verbrennungsmotor. Hier geht es um das Thema Leichtbau. Verbundstoffe, die hier verstärkt eingesetzt werden, kann man anders als Stahl nicht schweißen, sondern muss sie kleben. Um die Möglichkeiten der Sparte Adhesive Technologies voll auszuschöpfen, bauen wir hier in Düsseldorf gerade ein neues Forschungs- und Kundenzentrum für 130 Millionen Euro.
Der globale Absatz von Smartphones schrumpft.
Das stimmt. Dennoch bleibt das ein gutes Geschäft für uns. Bis zu 50 Henkel-Anwendungen sind in einem modernen Smartphone. Mit weiteren Innovationen sehen wir noch weiteres Potenzial.
Wie sieht es beim Beauty-Geschäft aus? Viele klassische Marken für Endkunden gelten als verstaubt.
Teil unserer Investitionsoffensive ist, unsere Marken immer weiter voranzubringen, neue Trends aufzugreifen sowie auch moderne Produkte zu entwickeln. Zudem steht das Professional-Geschäft für Friseure exzellent da und macht gute Fortschritte. Auch hier gibt es spannende Innovationen: Beim Friseur können die Kunden zukünftig zum Beispiel ihre Haare mit Hilfe eines Scanners genau analysieren lassen. Dazu wird dann das passende Shampoo zusammengestellt.
Wird die weitere Digitalisierung von Henkel viele Jobs kosten?
Das erwarte ich nicht. Unsere Produktion ist bereits sehr stark automatisiert. Durch bessere Datenanalysen können wir unsere Lagerhaltung weiter optimieren. Wir können bessere Prognosen über Absatzmengen, Rohstoffe und Lagerbestände machen und unsere Produkte besser vermarkten.
Erfindet sich Henkel mit der Digitalisierung neu?
Wir verändern uns jeden Tag. Mit der Digitalisierung ist vor allem kultureller Wandel verbunden: Die Beschäftigten bekommen mehr Eigenverantwortung, sie sollen eigene Ideen einbringen, es gibt mehr dezentrale Teams, das Unternehmen öffnet sich, wir bauen Hierarchien ab. Jeder Mitarbeiter kann freiwillig erkunden, wo er bei digitalen Fähigkeiten dazulernen kann.
Deutschland diskutiert die Einführung einer CO -Steuer, um Firmen 2 und Verbraucher zu CO2-ärmeren Verhalten anzureizen. Brauchen wir eine CO2-Steuer?
Wir haben mit dem europäischen Emissionshandelssystem ein gutes System, an dem die gesamte Industrie, auch die Chemie, teilnimmt. Mit guten Resultaten. Eine zusätzliche Steuer wäre eine Doppelbelastung, mit negativen Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze. Und bedenken Sie: Deutschland steht als führende Industrienation weltweit für nur etwa 2,2 Prozent der CO2-Emissionen. Da würde ein nationaler Alleingang keinen Sinn machen.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Ich denke, wir sollten auf politischer Ebene ein globales System zur Bepreisung von CO2 anstreben, um mehr für einen effektiven Klimaschutz zu bewirken. Zum Beispiel auf der Ebene der G20, die zusammen für rund 80Prozent des globalen CO2-Ausstoßes stehen.
Wie trifft eine CO2-Steuer Henkel?
Henkel ist anders als andere Chemieunternehmen nicht so energieintensiv, aber schon jetzt hat Deutschland die höchsten Strompreise in Europa. Strom darf hier nicht teurer werden.
Haben Sie Sorge vor Schwarz-Grün im Bundestag?
Nein. Wechselnde Koalitionen sind das Wesen einer Demokratie. Wir können mit verschiedenen Koalitionen arbeiten.
2020 wird über Ihren Vertrag gesprochen. Wollen Sie weitermachen?
Ich konzentriere mich darauf, gemeinsam mit dem Vorstand und allen Mitarbeitern, Henkel erfolgreich weiter zu entwickeln.