Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Loslassen und das Leben lieben

Wolfgang Paul hat sein Leben auf den Kopf gestellt: Mit 53 Jahren kündigte er, baute ein Haus und stellt nun sein neues Buch vor – das Ergebnis ausführlic­her Betrachtun­gen des Menschen.

- VON THERESA DEMSKI

DABRINGHAU­SEN Wer mit Wolfgang Paul an einem Tisch sitzt, der entdeckt schnell: Anerkennun­g fällt ihm leicht. Freundlich­e Worte, Wertschätz­ung und Höflichkei­t: Wenn er ins Gespräch kommt, dann plaudert er nicht, sondern will sein Gegenüber wirklich wahrnehmen. „Im Grunde ist es das, was jeder Mensch braucht“, ist sich der heute 57-Jährige sicher, „ohne diese Wertschätz­ung verlieren wir etwas Wesentlich­es.“

Es ist einer der zentralen Sätze seines neuen Buches – und das Ergebnis eines langen Weges. An seinen Einsichten will er die Menschen nun teilhaben lassen. Also hat er seine Betrachtun­gen über den Menschen und das Leben niedergesc­hrieben – es ist ein Appell für mehr Mitgefühl und Miteinande­r, für mehr Liebe und Lob. „Das sind keine ultimative­n Lösungen“, sagt er, „aber es ist ein Ansatz, eine neue Perspektiv­e, die ich anbiete.“

Sein eigenes Leben hat sie bereits verändert und auf den Kopf gestellt. Sein „Schlüssele­rlebnis“nennt er jenen Moment, in dem er die Dinge neu zu ordnen begann. „Ich saß in der Kur und stellte fest: Mein Leben ist gut gelaufen“, sagt er, „ich hatte meinen Glückselig­keitspunkt erreicht.“Vorausgega­ngen allerdings waren dunkle Zeiten, ein schwerer Konflikt mit seinem Chef, eine Arbeitspla­tzsituatio­n,

die begann, ihn krank zu machen. „Ich lasse nicht los, ich bleibe dran und das galt auch für diese Krise“, sagt er. Und deswegen habe er sich psychologi­sche Beratung geholt, sei in die Kur gefahren, wo er begann, die Dinge anders zu sehen. Hauptschul­abschluss, dann Mittlere Reife und plötzlich Türen, die sich zu begonnen hatten zu öffnen. Er hatte Spanisch und Mandarin zur richtigen Zeit gelernt, war befördert worden und anerkannt, hatte sich über Jahrzehnte in Leitungspo­sitionen unersetzba­r gemacht. „Der Moment als ich verstand, wie gut es mir ging, war auch der Moment, in dem ich die Welt nicht mehr drehen, mir selbst nichts mehr beweisen musste“, sagt Paul heute. Er kündigte. Nicht mehr höher und weiter habe er gewollt, sondern einen Ort, der zu ihm passt. Mit der Abfindung baute er gemeinsam mit seiner Frau ein Haus in Dabringhau­sen.

Und damit begann sein neues Leben. Neun Tage nach der Kündigung hatte er eine neue Stelle. Und Wolfgang Paul hatte begonnen, genauer hinzusehen – auf gesellscha­ftliche Entwicklun­gen, auf Mechanisme­n am Arbeitspla­tz, auf Beziehunge­n, auf Fanatismus, Philosophi­en, auf Hormone und Empathie. Seine Gedanken schrieb er auf – nicht ohne sich zuweilen zu quälen. Er machte sich auf die Suche nach einem Verlag und erinnert sich genau an jenen Tag, als er im Vertrag zum ersten Mal als „Autor“bezeichnet wurde. Über Nacht war er zum Schriftste­ller geworden – auch wenn in seinen Schubladen bereits Manuskript­e der vergangene­n Jahre lagen. „Geschriebe­n habe ich schon immer gerne“, sagt Paul. Aber die Betrachtun­gen des Menschen waren ihm so wichtig geworden, dass er sich um die Veröffentl­ichung bemühte und inzwischen auch die Werbetromm­el rührt. Er unternimmt eine kleine Lesetour, um das Buch dem Publikum vorzustell­en. Und inzwischen sitzt er schon an einem nächsten Werk. „Ich experiment­iere mit Humor“, sagt er. Einen Fan hat er schon: Seine Frau, die das neue Projekt erst etwas skeptisch beäugte, ist inzwischen begeistert.

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FOTO: THERESA DEMSKI Einsichten über den Menschen: Wolfgang Paul mit seinem neuen Buch „Der aufrechte gebückte Mensch“.

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