Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Thunberg warnt Staats- und Regierungs­chefs

Die Vereinten Nationen kommen zum Gipfel zusammen, und die Hauptrolle spielt Greta Thunberg. Sie rüttelt das Klima-Treffen in New York auf.

- VON FRANK HERRMANN

NEW YORK Im Grunde, sagt Greta Thunberg, sei falsch, was sie hier tue. Eigentlich müsste sie, am anderen Ufer des Ozeans, in der Schule sitzen, statt hier auf dieser Bühne. Nun aber kämen alle zu ihr, damit sie ihnen Hoffnung einflöße. Thunberg hält den Staatenlen­kern eine Standpauke: „Wir stehen am Beginn einer massenhaft­en Auslöschun­g. Und alles, wovon Ihr reden könnt, ist euer Geld, sind eure Märchen vom ewigen Wirtschaft­swachstum. Wie könnt Ihr es wagen“, empört sich Thunberg. „Wir werden euch das nicht durchgehen lassen. Die Welt wacht auf, und es wird Veränderun­gen geben, ob Ihr es wollt oder nicht.“

UN-Generalsek­retär António Guterres hat zum Auftakt des Klimagipfe­ls einen „Jugenddial­og“auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Seine Generation, räumt er ein, sei ihrer Verantwort­ung, den Planeten zu schützen, nicht gerecht geworden. Und noch immer gebe es einige, die das Offensicht­liche nicht wahrhaben wollten: „Wir stecken im Klimaloch, und um aus dem Loch herauszuko­mmen, müssen wir aufhören, zu graben.“Doch wenn man jetzt die Laufschuhe anziehe, könne man das Rennen noch gewinnen, versucht es Guterres mit einer Metapher. Thunberg setzt seiner Poesie knallharte Prosa entgegen: Es sei ja populär, daran zu glauben, dass es reiche, den Ausstoß von Treibhausg­asen innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Das aber bedeute nur eine fünfzigpro­zentige Chance, die Erwärmung der Erde bei unter 1,5 Grad Celsius zu halten.

Kein Zweifel, es ist der Tag der Greta Thunberg, die, ob sie es nun will oder nicht, wie ein Rockstar im Rampenlich­t steht. Angela Merkel nutzt die Chance, sich mit der Schwedin fotografie­ren zu lassen. Beide sitzen, in der Lobby vorm Plenarsaal, in tiefen Sesseln. Kurz darauf kreuzen sich Thunbergs Wege auch mit denen von Donald Trump, der an diesem Montag mal wieder für eine Überraschu­ng gut war. Eigentlich wollte er der Klimakonfe­renz fernbleibe­n und mit einer Veranstalt­ung über religiöse Freiheit gegenhalte­n. Doch kurz bevor der indische Premiermin­ister Narendra Modi ans Pult tritt, setzt sich auch Trump in den Saal der Generalver­sammlung, um zuzuhören. Gemeinsam mit dem Besucher aus Delhi hat er sich tags zuvor auf einer Kundgebung in Houston von mehreren Zehntausen­d Menschen feiern lassen, die meisten Amerikaner indischer Herkunft. Dass er sich nun doch auf dem Klimakongr­ess sehen lässt, ist wohl als Geste gegenüber Modi zu verstehen. Nach dem Inder spricht Angela Merkel. Als sie fertig ist, ist auch Trumps Stippvisit­e vorbei.

Auf drei Minuten, so hatte es Guterres verfügt, sollten Staats- und Regierungs­chefs ihre Redebeiträ­ge beschränke­n. Und reden dürfe nur, wer konkrete Klimapläne vorzustell­en habe. Zum Auftakt ist es ein Quartett, dem diese Ehre zuteil wird: die Neuseeländ­erin Jacinda Ardern, Hilda Heine, die Präsidenti­n der Marshall-Inseln, einer durch den Anstieg des Meeresspie­gels bedrohten Inselgrupp­e im Pazifik, und schließlic­h Modi und Merkel.

Die Bundeskanz­lerin spricht vom Ziel, bis 2050 klimaneutr­al zu sein, bis 2022 aus der Kernenergi­e auszusteig­en und spätestens bis zum Jahr 2038 aus der „Kohlekraft­werkswirts­chaft“. Deutschlan­d, erklärt sie, werde seine Mittel für den internatio­nalen Kampf gegen den Klimawande­l im Vergleich zu 2014 von zwei auf vier Milliarden Euro verdoppeln. Davon sollten 1,5 Milliarden Euro in den „Green Climate Fonds“eingezahlt werden. Deutschlan­d stelle ein Prozent der Weltbevölk­erung, verursache aber zwei Prozent der weltweiten Emissionen. „Wenn alle

so handeln würden wie Deutschlan­d, würden sich die Emissionen weltweit verdoppeln. Jeder weiß, was das bedeutet.“Deshalb habe man sich vorgenomme­n, bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 55 Prozent der nationalen Kohlendiox­idemission­en einzuspare­n.

Rebecca Freitag, Studentin der Umweltwiss­enschaften an der Berliner Humboldt-Uni, ist enttäuscht. Was Merkel vorgestell­t habe, sei „Pillepalle“, sagt sie. In New York hat Freitag, Deutschlan­ds Jugenddele­gierte für nachhaltig­e Entwicklun­g, der stellvertr­etenden UN-Generalsek­retärin Amina Mohammed einen USB-Stick mit 1,3 Millionen Unterschri­ften übergeben – Unterschri­ften alarmierte­r junger Leute. Die Kanzlerin sei theoretisc­h eingegange­n auf das Anliegen ihrer Generation. „Ich sehe aber keine praktische­n Maßnahmen, die den Worten entspreche­n.“

 ?? FOTO: DPA/TWITTER ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) trifft sich am Rande des UN-Klimagipfe­ls mit Klimaaktiv­istin Greta Thunberg. Das Foto wurde von Regierungs­sprecher Steffen Seibert via Twitter verbreitet.
FOTO: DPA/TWITTER Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) trifft sich am Rande des UN-Klimagipfe­ls mit Klimaaktiv­istin Greta Thunberg. Das Foto wurde von Regierungs­sprecher Steffen Seibert via Twitter verbreitet.

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