Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Jeder kennt Lidl, aber wer ist Schwarz?
Dieter Schwarz, Eigentümer des gleichnamigen Handelskonzerns, wird am Dienstag 80 Jahre alt. Der reichste Deutsche führt ein Leben fernab der breiten Öffentlichkeit. Fotos von ihm gibt es kaum.
NECKARSULM Es gilt die alte Weisheit: Je reicher die Menschen sind, umso weniger gern machen sie sich der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Das galt für die verstorbenen Aldi-Gründer Karl und Theodor Albrecht, und es trifft genauso auf Dieter Schwarz zu, der am Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert. Der Eigentümer der gleichnamigen Handelsgruppe, zu der Deutschlands größter Discounter Lidl und der Lebensmittelhändler Kaufland gehören, ist den Angaben des Wirtschaftsmagazins Bilanz zufolge mit einem Vermögen von mehr als 41 Milliarden Euro der reichste Deutsche. Und das mit weitem Abstand (siehe nebenstehende Info).
Würde man den viel zitierten Mann auf der Straße nach der Unternehmensgruppe Schwarz und deren Chef fragen, würde er wohl mit den Schultern zucken. Ein paar Fotos bei der Google-Bildersuche, kein Ort, wo jemals eine Filmkamera Aufnahmen von Dieter Schwarz gemacht hätte, keine wegweisenden Interviews, in denen der baden-württembergische Patriarch Schwarz die große Linie für das Imperium vorgegeben hätte. Keine Society, kein Klatsch, kein Tratsch. Vermutlich kennt jeder erwachsene Deutsche Lidl, die meisten haben irgendwann wenigstens einmal eine Zweigstelle von innen gesehen. Auch Kaufland ist vielen ein Begriff.
Aber Dieter Schwarz? Einer der Großmäzene von Heilbronn, Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, Ehrenbürger der Stadt Heilbronn. Das war’s. In Zeiten, in denen jeder Schnappschuss über die sozialen Netzwerke im weltweiten Datennetz ein breites Publikum erreicht, ist das kaum noch vorstellbar. Und gleichzeitig meisterlich, weil Schwarz es geschafft hat, sich und seine Familie dem öffentlichen Leben zu entziehen. Das wird sich an seinem 80. Geburtstag nicht ändern. Keine offizielle Feierstunde, kein Pressefoto. Die öffentliche Abstinenz des Ehemannes und zweifachen Vaters gab es auch schon vor seinem Rückzug aus dem operativen Geschäft 1999, als Dieter Schwarz seinen Anteil auf die gemeinnützige Dieter-Schwarz-Stiftung übertrug. Sie mag entstanden sein durch die Entführung Theo Albrechts 1971, verstärkt worden sein durch die Schlecker-Kinder 16 Jahre später.
Auf jeden Fall steht sie in krassem Widerspruch zu der Bedeutung seines Lebenswerkes. Die Schwarz-Gruppe ist mit mehr als 104 Milliarden Euro das umsatzstärkste Familienunternehmen Deutschlands. Seine Wurzeln sind mehr als eineinhalb Jahrhunderte alt. Schon 1858 gab es in Heilbronn eine „Specereiund Südfrüchte-Handlung“unter dem
Namen A.
Lidl & Cie, sieben Jahrzehnte später die Lidl und Schwarz Lebensmittel-Sortimentsgroßhandlung, in der Dieter Schwarz’ Vater Josef persönlich haftender Gesellschafter war.
Als der heutige Eigentümer 1968 seine Handelskarriere begann und den ersten „Handelshof“mitplante, gab es aber schon keinen Menschen namens Lidl mehr im Unternehmen. Und da Dieter Schwarz 1973, als er seinen Vater ablöste, den ersten eiDiscounter aus verständligenen chen Gründen nicht unter dem Namen „Schwarz-Markt“laufen lassen wollte, kaufte er dem einzig verbliebenen Lidl, den er finden konnte, dem pensionierten Berufsschullehrer und Heimatmaler Ludwig Lidl, kurzerhand die Namensrechte ab. Diese Episode ist den meisten so wenig bekannt wie das Gesicht von Dieter Schwarz. Sie markiert den Start eines Milliardenimperiums, das längst ein Global Player geworden ist und bei dem Dieter Schwarz die Strategie natürlich auch nach 1999 noch maßgeblich mitbestimmt hat. Heute ist Lidl die Nummer eins unter den Discountern und auch auf dem deutschen Markt (so lange man die beiden Aldi-Gruppen getrennt voneinander rechnet), nach der Zahl der Filialen (fast 11.000 in 29 Ländern) der größte Discounter der Welt,
mit einem Anteil von 80 Prozent an den Gesamtumsätzen der Gruppe.
Ein Konzern, der vielfach Kritik auf sich gezogen hat, weil er beispielsweise Mitarbeiter bespitzelt und die Bildung von Betriebsräten behindert haben soll, der sich auf der anderen Seite für die Krebshilfe engagiert hat und in Sachen Nachhaltigkeit Projekte vorantreibt. Ein Unternehmen, das sich wie Aldi mit der milliardenschweren Modernisierung von Filialen seit Jahren vom alten Image des reinen Biligheimers gelöst hat. Und das aktuell immer wieder in den Schlagzeilen ist, weil die Kaufland-Kette als einer der möglichen Übernehmer von Filialen der SB-Warenhauskette Real gilt. Auch dabei sind die öffentlichen Einlassungen aus dem Unternehmen aber vergleichsweise zurückhaltend. Ganz in der Tradition von Dieter Schwarz.