Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Jeder kennt Lidl, aber wer ist Schwarz?

Dieter Schwarz, Eigentümer des gleichnami­gen Handelskon­zerns, wird am Dienstag 80 Jahre alt. Der reichste Deutsche führt ein Leben fernab der breiten Öffentlich­keit. Fotos von ihm gibt es kaum.

- VON GEORG WINTERS

NECKARSULM Es gilt die alte Weisheit: Je reicher die Menschen sind, umso weniger gern machen sie sich der breiten Öffentlich­keit zugänglich. Das galt für die verstorben­en Aldi-Gründer Karl und Theodor Albrecht, und es trifft genauso auf Dieter Schwarz zu, der am Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert. Der Eigentümer der gleichnami­gen Handelsgru­ppe, zu der Deutschlan­ds größter Discounter Lidl und der Lebensmitt­elhändler Kaufland gehören, ist den Angaben des Wirtschaft­smagazins Bilanz zufolge mit einem Vermögen von mehr als 41 Milliarden Euro der reichste Deutsche. Und das mit weitem Abstand (siehe nebenstehe­nde Info).

Würde man den viel zitierten Mann auf der Straße nach der Unternehme­nsgruppe Schwarz und deren Chef fragen, würde er wohl mit den Schultern zucken. Ein paar Fotos bei der Google-Bildersuch­e, kein Ort, wo jemals eine Filmkamera Aufnahmen von Dieter Schwarz gemacht hätte, keine wegweisend­en Interviews, in denen der baden-württember­gische Patriarch Schwarz die große Linie für das Imperium vorgegeben hätte. Keine Society, kein Klatsch, kein Tratsch. Vermutlich kennt jeder erwachsene Deutsche Lidl, die meisten haben irgendwann wenigstens einmal eine Zweigstell­e von innen gesehen. Auch Kaufland ist vielen ein Begriff.

Aber Dieter Schwarz? Einer der Großmäzene von Heilbronn, Träger der Verdienstm­edaille des Landes Baden-Württember­g, Ehrenbürge­r der Stadt Heilbronn. Das war’s. In Zeiten, in denen jeder Schnappsch­uss über die sozialen Netzwerke im weltweiten Datennetz ein breites Publikum erreicht, ist das kaum noch vorstellba­r. Und gleichzeit­ig meisterlic­h, weil Schwarz es geschafft hat, sich und seine Familie dem öffentlich­en Leben zu entziehen. Das wird sich an seinem 80. Geburtstag nicht ändern. Keine offizielle Feierstund­e, kein Pressefoto. Die öffentlich­e Abstinenz des Ehemannes und zweifachen Vaters gab es auch schon vor seinem Rückzug aus dem operativen Geschäft 1999, als Dieter Schwarz seinen Anteil auf die gemeinnütz­ige Dieter-Schwarz-Stiftung übertrug. Sie mag entstanden sein durch die Entführung Theo Albrechts 1971, verstärkt worden sein durch die Schlecker-Kinder 16 Jahre später.

Auf jeden Fall steht sie in krassem Widerspruc­h zu der Bedeutung seines Lebenswerk­es. Die Schwarz-Gruppe ist mit mehr als 104 Milliarden Euro das umsatzstär­kste Familienun­ternehmen Deutschlan­ds. Seine Wurzeln sind mehr als eineinhalb Jahrhunder­te alt. Schon 1858 gab es in Heilbronn eine „Specereiun­d Südfrüchte-Handlung“unter dem

Namen A.

Lidl & Cie, sieben Jahrzehnte später die Lidl und Schwarz Lebensmitt­el-Sortiments­großhandlu­ng, in der Dieter Schwarz’ Vater Josef persönlich haftender Gesellscha­fter war.

Als der heutige Eigentümer 1968 seine Handelskar­riere begann und den ersten „Handelshof“mitplante, gab es aber schon keinen Menschen namens Lidl mehr im Unternehme­n. Und da Dieter Schwarz 1973, als er seinen Vater ablöste, den ersten eiDiscount­er aus verständli­genen chen Gründen nicht unter dem Namen „Schwarz-Markt“laufen lassen wollte, kaufte er dem einzig verblieben­en Lidl, den er finden konnte, dem pensionier­ten Berufsschu­llehrer und Heimatmale­r Ludwig Lidl, kurzerhand die Namensrech­te ab. Diese Episode ist den meisten so wenig bekannt wie das Gesicht von Dieter Schwarz. Sie markiert den Start eines Milliarden­imperiums, das längst ein Global Player geworden ist und bei dem Dieter Schwarz die Strategie natürlich auch nach 1999 noch maßgeblich mitbestimm­t hat. Heute ist Lidl die Nummer eins unter den Discounter­n und auch auf dem deutschen Markt (so lange man die beiden Aldi-Gruppen getrennt voneinande­r rechnet), nach der Zahl der Filialen (fast 11.000 in 29 Ländern) der größte Discounter der Welt,

mit einem Anteil von 80 Prozent an den Gesamtumsä­tzen der Gruppe.

Ein Konzern, der vielfach Kritik auf sich gezogen hat, weil er beispielsw­eise Mitarbeite­r bespitzelt und die Bildung von Betriebsrä­ten behindert haben soll, der sich auf der anderen Seite für die Krebshilfe engagiert hat und in Sachen Nachhaltig­keit Projekte vorantreib­t. Ein Unternehme­n, das sich wie Aldi mit der milliarden­schweren Modernisie­rung von Filialen seit Jahren vom alten Image des reinen Biligheime­rs gelöst hat. Und das aktuell immer wieder in den Schlagzeil­en ist, weil die Kaufland-Kette als einer der möglichen Übernehmer von Filialen der SB-Warenhausk­ette Real gilt. Auch dabei sind die öffentlich­en Einlassung­en aus dem Unternehme­n aber vergleichs­weise zurückhalt­end. Ganz in der Tradition von Dieter Schwarz.

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