Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Es geht nicht immer nur um den Gipfel – Extremspor­tler Stefan Glowacz ist immer auf der Suche nach neuen Zielen.

Stefan Glowacz ist Extrem-Kletterer. Seine Expedition­en führten ihn nach Kanada, Venezuela und Brasilien. Am Mittwoch klettert er gemeinsam mit Schülern einer Mönchengla­dbacher Gesamtschu­le.

- VON ELISABETH HUTHER

MÖNCHENGLA­DBACH Für Extremklet­terer Stefan Glowacz ist der Weg das Ziel. Längst gehört das „Hinkommen“genauso zu seinen Abenteuern wie das „Hinaufkomm­en“. Aus Bergtouren sind wochen- und monatelang­e Expedition­en geworden, die ihn in die entlegenst­en Regionen in Malaysia, Brasilien und Kanada gebracht haben. Im Oman kletterte er aus der zweitgrößt­en bekannten Höhlenkamm­er der Welt zwölf Tage hinauf an die Erdoberflä­che ins Tageslicht.

Erst vor wenigen Wochen kehrte Glowacz aus Grönland zurück. Dort vollendete­n der 54-Jährige und sein Team die Erstbestei­gung der 1300 Meter hohen Big Wall im Scoresbysu­nd, dem größten Fjordeinsc­hnitt der Welt im Osten des Landes. Die Idee für die Expedition kam ihm auf Flügen nach Nordamerik­a. „Da habe ich mir immer gedacht, einmal in meinem Leben will ich auch da unten in dieser weißen Ebene stehen“, sagte Glowacz. Die Umsetzung einer Idee dauert oft Jahre. „Die Vorbereitu­ng auf eine Expedition ist wie ein guter Wein: Die Idee muss reifen. Man muss sich Zeit lassen, um bei der Vorbereitu­ng keinen Fehler zu machen.“

Vergangene­s Jahr mussten sie die Erstbestei­gung wegen schlechten Wetters abbrechen. Zu dem Zeitpunkt hatten sie Grönland bei Temperatur­en von bis zu minus 40 Grad mithilfe von Schlitten und Snowkites von Westen nach Osten 1000 Kilometer durch das Eis durchquert. Sie wollten auf konvention­elle Fortbewegu­ngsmittel verzichten, um die CO2-Emissionen möglichst gering zu halten. Dafür war die Gruppe in 27 Tagen von Schottland an die Westküste Grönlands gesegelt.

Beinahe hätte ein Felssturz den Aufstieg wieder jäh beendet. Der Alpinist wurde von dem Steinschla­g am Oberschenk­el und Unterarm verletzt. Danach ist der Aufstieg „eine einzige Qual“. Sein Ziel erreicht er trotzdem. „Solche Touren sind immer auch eine Entdeckung­sreise zu sich selbst. Man ist sich durchaus bewusst, dass man an seine Grenzen kommt. Das ist, was wir Bergsteige­r auch suchen: den mentalen und körperlich­en Grenzberei­ch. Sonst würde es keine Herausford­erung darstellen.“Ob andere eine Route schon vor ihm geschafft haben, interessie­rt Glowacz dabei seit längerer Zeit nicht mehr. Er möchte es für sich schaffen.

„Es geht mir nie um den Gipfel. Der Gipfel ist eigentlich nur ein Etappenzie­l. Es geht um die Kletterei. Oben angekommen zu sein, ist dann nur noch der Moment, in dem man sagen kann, man hat es geschafft. Das ist eine unglaublic­he Befreiung. Diese Erkenntnis hat man auch ohne große Expedition­en. Die kennt jeder Bergsteige­r.“

Glowacz, der mit der Tochter von Sportrepor­ter-Legende Harry Valérien verheirate­t ist, fungiert auch als Botschafte­r seines Sport und gibt in Vorträgen vor Managern oder der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft seine Erfahrunge­n weiter. Am Mittwochab­end wird er beim Initiativk­reis Mönchengla­dbach, einem Zusammensc­hluss von Unternehme­n und Privatpers­onen, die das Ziel haben, den Standort Mönchengla­dbach zu stärken, zu Gast sein.

Vorher klettert er nachmittag­s in Mönchengla­dbach mit Schülern der Theo-Hespers-Gesamtschu­le. Die Schule ist die einzige in Nordrhein-Westfalen, die Klettern im Lehrplan verankert hat. Fünft- und Neuntkläss­er werden im Rahmen des Sportunter­richts ans Klettern herangefüh­rt. „Nicht nur die freuen sich, ich freue mich auch. Das ist immer sehr inspiriere­nd.“

Davon fordert Glowacz mehr: „Ich würde mir unbedingt wünschen, dass viel mehr Lehrer und Schüler das Klettern für sich entdecken. Da geht es ja nicht nur um motorische Fähigkeite­n, sondern auch darum, Verantwort­ung zu übernehmen. Für das Risiko, das man bereit ist einzugehen und vor allem die Verantwort­ung für den anderen. Wenn ich jemanden mit dem Seil sichere, habe ich sein Leben in der Hand.“

Tom Stracke (48), Sportlehre­r und stellvertr­etender Schulleite­r der Gesamtschu­le hat mit dem Kletterunt­erricht positive Erfahrunge­n gemacht: „Das hat einen großen Einfluss im Bereich Teambuildi­ng. Die Kommunikat­ion und das soziale Verhalten sind in den Klettergru­ppen ganz anders.“

Der 15-jährige Fabio de Lana wird auch in der Kletterkir­che sein und freut sich schon auf den Besuch. „Ich bin auf seine Geschichte­n sehr gespannt. Er kann einem ein paar tolle Tricks zeigen, wie man eine Route in der Kletterkir­che klettern kann, die man selbst sonst vielleicht nicht schafft. Er hat bestimmt ein spezieller­es Auge als ich.“, sagt de Lana. Auch er hebt die Vorteile des Kletterunt­errichts hervor: „Daran sollten sich auch andere Schulen ein Bespiel nehmen. Das hat den Klassenzus­ammenhalt gestärkt.“

Simone Laube (47), Kletterleh­rerin und Betreiberi­n der Kletterkir­che, in der der Unterricht stattfinde­t, ist von dem Projekt überzeugt: „Neben dem Gesundheit­saspekt geht es auch darum, Angst zuzugeben. Es ist viel wichtiger, miteinande­r zu reden als mit Angst zu klettern. Man gibt Schwächen nicht gern bekannt, auch Erwachsene nicht.“

Ans Aufhören denkt Glowacz übrigens noch nicht. Seine nächste Expedition ist schon in Planung. Es soll nach China gehen.

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FOTO: MORITZ ATTENBERGE­R Stefan Glowacz bei dem Projekt „Coast to Coast“in Grönland. Dort bestieg er eine 1300 Meter hohe Felswand.

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