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Deutsche Thomas Cook ebenfalls insolvent
Condor ist dank Staatshilfe erst einmal gerettet, doch die deutsche Thomas Cook meldete Insolvenz an. Was Reisende beachten müssen.
OBERURSEL (dpa/rky) Der deutsche Reiseveranstalter Thomas Cook kann sich dem Sog der Pleite der britischen Mutter nicht entziehen. Das Unternehmen mit den Marken Neckermann, Öger Tours, Air Marin, Thomas Cook und Bucher Reisen stellte am Mittwoch nach eigenen Angaben Insolvenzantrag. Betroffen seien 660.000 Kunden, die für den Zeitraum bis September 2020 eine Pauschalreise gebucht haben.
DÜSSELDORF Der deutsche Tourismusmarkt ist in Unruhe: Die Airline Condor erhält eine Staatsbürgschaft von 380 Millionen Euro und sucht nun eine neue Heimat. Gleichzeitig meldeten am Mittwoch die Thomas Cook GmbH, die Thomas Cook Touristik GmbH, Bucher Reisen und Öger Tours Insolvenz an, nachdem der britische Mutterkonzern dies am Montag gemacht hatte. Wir beantworten Fragen zur Doppelkrise.
Aktuelle Urlauber Der Deutsche Reiseverband (DRV ) hat bekannt gegeben, dass sich der Insolvenzversicherer Zurich „um die Reisenden kümmert.“Dem DRV sei bestätigt worden, dass Zurich die Kosten für die mit Hotels und Fluggesellschaften „vereinbarten Leistungen“übernehme. Das bedeute, dass „Hotels in den Urlaubsgebieten keinen Grund haben, Urlauber aus Angst vor Zahlungsschwierigkeiten des Veranstalters zur Kasse zu bitten.“Der Insolvenzversicherer sei „zur Rückführung der Reisenden verpflichtet.“Insgesamt geht es um rund 140.000 Personen. 97.000 von ihnen können laut Thomas Cook den Urlaub fortsetzen, weil Zurich dies inklusive Heimkehr bezahlt.
Abwicklung Zurich hat die Firma Kaera gebeten, die Ansprüche von Reisenden zu prüfen und zu erfüllen. Reisende müssen eine Buchungsbestätigung des Veranstalters vorlegen und einen Nachweis über die Anzahlung. Kaera weist darauf hin, Reisende könnten ihre Zahlung widerrufen, wenn sie per Kreditkarte gezahlt haben. Sollte dann keine Gutschrift erfolgen, solle man sich an Kaera wenden. Man kann die Unterlagen auch online einreichen: www.kaera-ag.de.
Der DRV kritisiert, dass manche Hotels von Urlaubern verlangen, ihre Unterkunft erneut zu bezahlen. „Die meisten Hotels verhalten sich sehr fair, aber es gibt leider auch andere Fälle, die völlig inakzeptabel sind“, erklärt dazu der Präsident des DRV, Norbert Fiebig: „Die Urlauber haben ihren Reisepreis bezahlt. Es gibt keinen Grund, sie vor Ort festzuhalten.“
Künftige Reisen 660.000 Kunden haben bereits Reisen bis September 2020 gebucht. Thomas Cook erklärt, der „reguläre Geschäftsbetrieb“sei eingestellt. Bis Donnerstag, 26. September, finden sowieso keine Reisen ab Deutschland statt. Trotz Nachfrage weigert sich Thomas Cook aber, die Vermutung zu bestätigen, dass sämtliche bestehenden Buchungen nicht mehr ausgeführt werden. Der Insolvenzverwalter werde dies entscheiden. Bei Tui heißt es zu dem Problem, man verkaufe die für Thomas Cook reservierten Flugsitze in Tui-Jets erst einmal nicht an andere Kunden und warte ab, was der Insolvenzverwalter entscheide.
Neustart Thomas Cook in Deutschland hat Medienberichten zufolge um eine Staatsbürgschaft in Höhe von 375 Millionen
Euro gebeten, um doch weitermachen zu können. Stefanie Berk, Vorsitzende der Geschäftsführung der Thomas Cook GmbH sagt, sie hoffe, dass „die Traditionsmarken Neckermann Reisen, Öger Tours und Bucher Reisen die Chance bekommen, bald wieder in gewohnter Weise am Markt aktiv sein zu können“. Das sei man den „langjährigen Kunden“und den 2000 „engagierten Mitarbeitern schuldig.“Diese Formulierung lässt offen, ob das Unternehmen hofft, Reisen für Herbst/Winter doch durchführen zu können.
Versicherungsgrenze Kaera weist darauf hin, dass die Einzahlungen der Kunden bei Thomas Cook nur bis 110 Millionen Euro versichert seien. Falls die zu erstattenden Beträge diesen Höchstbetrag überrschreiten, würden sich die Erstattungsansprüche entsprechend reduzieren. Wenn die 110 Millionen Euro nur 70 Prozent des Schadens tragen, würde jeder Kunde also nur 70 Prozent seines Schadens erhalten.
Staatshilfe für Kunden Falls die Versicherung nicht ausreicht, wird der Staat nicht einspringen, teilt das Bundesjustizministerium mit. Der Staat könnte aber doch noch ins Spiel kommen, wenn ihm ein Verstoß bei der Umsetzung der EU-Richtlinie für die Haftung bei Pauschalreisen von 2017 nachgewiesen würde. Deutschland hatte die Richtlinie aus Sicht von Verbraucherschützern nämlich unzureichend in deutsches Recht umgesetzt, weil es die Haftungsobergrenze von 110 Millionen Euro nicht angehoben hatte. Der Verstoß müsse aber rechtssicher nachgewiesen werden, erst dann gebe es eine Möglichkeit, dass der Staat in Haftung genommen werden könnte. Verbraucherschützer Methmann meint jedenfalls, die Thomas-Cook-Pleite sei „ein Fall für Staatshaftung.“Die Bundesregierung sei oft darauf hingewiesen worden, dass 110 Millionen Euro Haftung zu wenig sind.
Marktlage Thomas Cook ist mit jährlich drei Millionen Kunden in Deutschland der nach Tui zweitgrößte Abnehmer von Tickets für Ferienflüge in Deutschland. Wenn alle diese Buchungen bei den Airlines Condor, Eurowings oder auch Tuifly
wegfallen, kommen Zehntausende Tickets auf den Markt, was für Schnäppchen sorgen könnte. Andererseits werden natürlich viele Kunden, deren Reisen storniert werden, versuchen, Ersatztickets zu erhalten. „Der Markt könnte in den nächsten Wochen sehr in Bewegung sein“, sagt der Branchenexperte Gerald Wissel, „es könnte zu manchen Zielen und zu manchen Zeiten sehr günstige Flüge geben, aber auch Engpässe“.
Geschäft Condor wird dank Staatsbürgschaft den Flugbetrieb diesen Herbst/Winter wie geplant durchführen. Das begrüßt Thomas Schnalke, Chef des Flughafens Düsseldorf: „Wir freuen uns für die Mitarbeiter und Kunden der Condor, die mit dieser wichtigen Entscheidung positiv in die Zukunft blicken können.“Zum Hintergrund: Condor ist mit 456 Flügen im September zweitwichtigste Airline in Düsseldorf hinter Eurowings/Lufthansa. Langfristig peilt Condor-Chef Ralf Teckentrup an, sich einer anderen größeren Airline anzuschließen oder mit Partnern zusammenzugehen, was auch Tuifly sein könnte: „Unabhängig zu bleiben ist keine sinnvolle Lösung.“Er hält es auch für denkbar, dass ein Finanzinvestor Condor für eine Übergangszeit kauft. Immerhin sei das Unternehmen konstant profitabel und sei nur in Turbulenzen gekommen, weil der Mutterkonzern Thomas Cook in Großbritannien Insolvenz anmelden musste.