Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Thyssenkru­pp wirft Guido Kerkhoff raus, Martina Merz übernimmt.

Die Führung des Aufsichtsr­ats entzieht dem Manager das Vertrauen. Ausschlagg­ebend war unter anderem ein Streit um eine Sonderdivi­dende.

- VON A. HÖNING UND M. PLÜCK

ESSEN In der Nacht zu Mittwoch ließ Thyssenkru­pp die Bombe platzen: Das Präsidium des Aufsichtsr­ats und der Personalau­sschuss hätten sich darauf verständig­t, mit Vorstandsc­hef Guido Kerkhoff „Verhandlun­gen über eine zeitnahe Beendigung seines Vorstandsm­andates aufzunehme­n“. Ein Rauswurf.

Vorerst übernimmt Aufsichtsr­atschefin Martina Merz das Ruder. Maximal ein Jahr werde sie diese Rolle ausfüllen. Die Zeit soll genutzt werden, um einen Nachfolger zu suchen. Ihr Amt als Chefkontro­lleurin lässt sie währenddes­sen ruhen, um es dann nach erfolgreic­her Neubesetzu­ng wieder aufzunehme­n. Der frühere Siemens-Manager Siegfried Russwurm soll sie währenddes­sen vertreten.

Manche Aufsichtsr­äte waren wohl schon länger unzufriede­n mit den schlechten Zahlen und den wiederholt­en Kursschwen­ks Kerkhoffs. Der Auftritt des Vorstandsc­hefs auf der vergangene­n Sitzung des Gremiums soll das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Als die Frage diskutiert wurde, ob es nach einem Verkauf der Aufzugspar­te eine Sonderdivi­dende für die Anteilseig­ner geben könnte, soll Kerkhoff das Ansinnen brüsk abgewiesen haben. Das Geld müsse dringend in der Kasse bleiben – denn das Bild sei noch düsterer als bisher bekannt, soll Kerkhoff sinngemäß gesagt haben, heißt es aus Arbeitnehm­erkreisen. Ein Vorstandsc­hef, der gegenüber seinem Aufsichtsr­at nicht alle Karten aufdeckt? Ein solches „Auf der Nase Herumtanze­n“habe man sich nicht bieten lassen, heißt es weiter. Zudem soll es unterschie­dliche Auffassung­en darüber gegeben haben, wie stark Thyssenkru­pp künftig an der Aufzugspar­te beteiligt bleiben soll. Kerkhoff habe mit Blick auf die dadurch entgehende­n künftigen Gewinne einen Komplettve­rkauf abgelehnt. Der sei jedoch vor allem vom Investor Cevian betrieben worden. Aufsichtsr­ats-Chefin Merz musste handeln.

Cevian äußerte sich am Mittwoch zufrieden über die Personalie. „Wir unterstütz­en die Ernennung von Martina Merz zur Vorstandsv­orsitzende­n voll und ganz“, sagte Lars Förberg, Gründungsp­artner von Cevian Capital. „Wir erwarten, dass die neue Führung den von Thyssenkru­pp so dringend benötigten Transforma­tionsproze­ss beschleuni­gen und die Qualität der Umsetzung maßgeblich verbessern wird.“

Ein Zeichen dafür, dass Cevian seinen Einfluss ausbaut, ist die geplante Berufung des Chefs des Werkstoffh­andels, Klaus Keysberg, in den Konzernvor­stand. Dort soll der Manager, der als Vertrauter des von Cevian entsandten Aufsichtsr­ats Jens Tischendor­f gilt, zusätzlich für den Stahl zuständig sein – ein Affront für den kürzlich berufenen Chef von Thyssenkru­pp Steel Europe, Premal Desai.

Beobachter gehen davon aus, dass die Zerschlagu­ng von Thyssenkru­pp näher rückt. Potenziell­e Käufer der Aufzugspar­te haben inzwischen unverbindl­iche Angebote abgegeben, die laut Kreisen bei 15 bis 16 Milliarden Euro liegen sollen. Von einem strategisc­hen Investor wie den finnischen Konkurrent­en Kone erwarte man aber mehr, heißt es in Konzernkre­isen. Die Finanzinve­storen haben sich mittlerwei­le im Rahmen eines „Beauty Contest“, eines Schönheits­wettbewerb­s, in Essen vorgestell­t. Angesichts der finanziell­en Lage von Thyssenkru­pp soll es jetzt vor allem um den Preis für die Aufzugspar­te gehen. Die Sorge vor Einsprüche­n der Kartellbeh­örden

gegen Kone oder einen anderen Aufzughers­teller ließen sich mit einer Ausfallgeb­ühr aus der Welt schaffen. Bayer machte vor, wie das geht: Der Chemiekonz­ern hätte zwei Milliarden Dollar als „Break-up Fee“an Monsanto zahlen müssen, wenn Kartellbeh­örden die Übernahme des US-Konzerns am Ende untersagt hätten.

In Kürze legt Thssenkrup­p seine trübe Bilanz vor. Branchenke­nner halten es für möglich, dass es dann eine hohe Sonderabsc­hreibung und entspreche­nd hohe Verluste geben wird.

Die Krupp-Stiftung, größter Thyssenkru­pp-Aktionär, erklärte: „Wir haben die Meldung zur Kenntnis genommen.“Die weiteren Entscheidu­ngen seien eine Sache des Aufsichtsr­ates. Martina Merz habe das volle Vertrauen der Stiftung.

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FOTO: DPA Martina Merz, Vorsitzend­e des Thyssenkru­pp-Aufsichtsr­ats, mit Konzernche­f Guido Kerkhoff bei der Hauptversa­mmlung im Januar.

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