Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gift in Apotheke war Narkosemit­tel

Laut Kölner Rechtsmedi­zinern starb das Baby wie seine Mutter an Organversa­gen.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Nachdem eine 28-Jährige und ihr neugeboren­es Kind durch ein vergiftete­s Glukose-Präparat aus einer Kölner Apotheke ums Leben gekommen sind, steht nun auch die Todesursac­he des Babys fest: Es starb wie die Mutter an multiplem Organversa­gen, wie Oberstaats­anwalt Ulrich Bremer sagt. Ärzte hatten den Säugling am vergangene­n Donnerstag schon in der 25. Schwangers­chaftswoch­e per Notkaisers­chnitt auf die Welt geholt– seine Überlebens­chancen waren auch deshalb ohnehin kritisch.

Bei dem toxischen Zusatz des Traubenzuc­kerpulvers handelt es sich um ein Narkosemit­tel, das zur lokalen Betäubung eingesetzt wird, entspreche­nd hoch dosiert aber zu Vergiftung­en führen kann. Der WDR hatte zuvor darüber berichtet.

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Unbekannt wegen eines Tötungsdel­iktes. Die Mordkommis­sion muss nun herausfind­en, wie der toxische Stoff in den Glukose-Behälter geraten ist, aus dem heraus das Pulver in der Longeriche­r Apotheke abgefüllt worden war. Verkauft wurde es offenbar fast ausschließ­lich an Schwangere, die mit der Lösung bei Fachärzten auf Schwangers­chaftsdiab­etes getestet wurden.

In der Apotheke arbeitet eine „zweistelli­ge Anzahl“von Mitarbeite­rn, wie Bremer sagt. Sie alle werden noch vernommen. Die Ermittler prüfen Arbeitsabl­äufe, Zuständigk­eiten und wer alles Zugang hatte zu dem Rezepturra­um. Bremer betont, dass alle Mitarbeite­r als Zeugen vernommen werden und nicht als Beschuldig­te gelten.

Nachdem das Gesundheit­samt der Stadt Köln dem Inhaber der Apotheke nach den Todesfälle­n bis auf Weiteres untersagt hat, Medikament­e aus eigener Produktion zu verkaufen oder Präparate abzufüllen, wurde nun verfügt, dass diese Anweisung für alle Kunden sichtbar am Eingang angebracht werden muss.

Der Kölner Fall ist am Mittwoch auch beim Deutschen Apothekent­ag in Düsseldorf Thema. „Wir alle sind sehr betroffen“, sagt Thomas Preis, Vorsitzend­er des Apothekerv­erbands Nordrhein. Darüber spekuliere­n, wie in Köln eine toxische Substanz in ein harmloses Traubenzuc­kerpulver geraten konnte, möchte er nicht. „Das ist Sache der Ermittlung­sbehörden“, sagt er. Preis ist davon überzeugt, dass auch strengere Überprüfun­gen die beiden Todesfälle nicht verhindert hätten. Jedes Gebinde, jedes Behältnis, würde streng kontrollie­rt, bevor der Inhalt an Kunden weitergege­ben wird, sagt Preis. „Es muss also beim Öffnen überprüft worden sein, ob tatsächlic­h Glukose in dem Behälter ist.“

Das Narkosemit­tel muss demnach nachträgli­ch in den Behälter gelangt sein – wovon die Ermittler auch ausgehen. Dass das Traubenzuc­kerpulver beim Hersteller kontaminie­rt wurde, hatte die Staatsanwa­ltschaft früh ausgeschlo­ssen. Ein lokales Narkotikum wird laut Preis oft verwendet und etwa Hautsalben beigemisch­t, um die Haut schmerzune­mpfindlich zu machen. „In der richtigen Dosierung ist das völlig unproblema­tisch.“

Bundesweit würden in Apotheken bis zu 15 Millionen Rezepturen jährlich selbst hergestell­t. „Das ist eine wichtige Säule der Arzneimitt­elversorgu­ng“, sagt Preis. Jeder Apotheker sei nach dem Pharmazies­tudium dazu in der Lage. Für ihn steht fest, dass sich kein Apotheker gegen noch strengere Kontrollen sperren würde. „Aber wir alle arbeiten qualitätsg­esichert, und das Abfüllen von Glukosebri­efchen ist eigentlich eine unproblema­tische Herstellun­gsleistung.“

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FOTO: HSR In der Apotheke soll Narkosemit­tel in die Glukose gelangt sein.

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