Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Gift in Apotheke war Narkosemittel
Laut Kölner Rechtsmedizinern starb das Baby wie seine Mutter an Organversagen.
KÖLN Nachdem eine 28-Jährige und ihr neugeborenes Kind durch ein vergiftetes Glukose-Präparat aus einer Kölner Apotheke ums Leben gekommen sind, steht nun auch die Todesursache des Babys fest: Es starb wie die Mutter an multiplem Organversagen, wie Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sagt. Ärzte hatten den Säugling am vergangenen Donnerstag schon in der 25. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt– seine Überlebenschancen waren auch deshalb ohnehin kritisch.
Bei dem toxischen Zusatz des Traubenzuckerpulvers handelt es sich um ein Narkosemittel, das zur lokalen Betäubung eingesetzt wird, entsprechend hoch dosiert aber zu Vergiftungen führen kann. Der WDR hatte zuvor darüber berichtet.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt wegen eines Tötungsdeliktes. Die Mordkommission muss nun herausfinden, wie der toxische Stoff in den Glukose-Behälter geraten ist, aus dem heraus das Pulver in der Longericher Apotheke abgefüllt worden war. Verkauft wurde es offenbar fast ausschließlich an Schwangere, die mit der Lösung bei Fachärzten auf Schwangerschaftsdiabetes getestet wurden.
In der Apotheke arbeitet eine „zweistellige Anzahl“von Mitarbeitern, wie Bremer sagt. Sie alle werden noch vernommen. Die Ermittler prüfen Arbeitsabläufe, Zuständigkeiten und wer alles Zugang hatte zu dem Rezepturraum. Bremer betont, dass alle Mitarbeiter als Zeugen vernommen werden und nicht als Beschuldigte gelten.
Nachdem das Gesundheitsamt der Stadt Köln dem Inhaber der Apotheke nach den Todesfällen bis auf Weiteres untersagt hat, Medikamente aus eigener Produktion zu verkaufen oder Präparate abzufüllen, wurde nun verfügt, dass diese Anweisung für alle Kunden sichtbar am Eingang angebracht werden muss.
Der Kölner Fall ist am Mittwoch auch beim Deutschen Apothekentag in Düsseldorf Thema. „Wir alle sind sehr betroffen“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Darüber spekulieren, wie in Köln eine toxische Substanz in ein harmloses Traubenzuckerpulver geraten konnte, möchte er nicht. „Das ist Sache der Ermittlungsbehörden“, sagt er. Preis ist davon überzeugt, dass auch strengere Überprüfungen die beiden Todesfälle nicht verhindert hätten. Jedes Gebinde, jedes Behältnis, würde streng kontrolliert, bevor der Inhalt an Kunden weitergegeben wird, sagt Preis. „Es muss also beim Öffnen überprüft worden sein, ob tatsächlich Glukose in dem Behälter ist.“
Das Narkosemittel muss demnach nachträglich in den Behälter gelangt sein – wovon die Ermittler auch ausgehen. Dass das Traubenzuckerpulver beim Hersteller kontaminiert wurde, hatte die Staatsanwaltschaft früh ausgeschlossen. Ein lokales Narkotikum wird laut Preis oft verwendet und etwa Hautsalben beigemischt, um die Haut schmerzunempfindlich zu machen. „In der richtigen Dosierung ist das völlig unproblematisch.“
Bundesweit würden in Apotheken bis zu 15 Millionen Rezepturen jährlich selbst hergestellt. „Das ist eine wichtige Säule der Arzneimittelversorgung“, sagt Preis. Jeder Apotheker sei nach dem Pharmaziestudium dazu in der Lage. Für ihn steht fest, dass sich kein Apotheker gegen noch strengere Kontrollen sperren würde. „Aber wir alle arbeiten qualitätsgesichert, und das Abfüllen von Glukosebriefchen ist eigentlich eine unproblematische Herstellungsleistung.“