Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten“

Das Telefon-Protokoll bestätigt: Donald Trump hat vom ukrainisch­en Präsidente­n Ermittlung­en zu Joe Biden gefordert.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Noch bevor er den Text freigab, auf den Freund und Feind so gespannt warteten, moderierte Donald Trump das Thema schon an, wie üblich mithilfe von Twitter. Ob sich die Demokraten wohl entschuldi­gen würden, wenn man erst nachlesen könne, was er mit dem ukrainisch­en Präsidente­n besprochen habe, fragte er in einem Tweet. „Das sollten sie tun. Ein perfektes Telefonat. Da hab‘ ich sie ganz schön überrascht.“Angeblich ging alles mit rechten Dingen zu bei einem Gespräch, das er Ende Juli mit Wolodymyr Selenskyj führte.

Die Opposition sieht das anders, und zumindest im Ansatz sieht sie sich durch die am Mittwoch veröffentl­ichte Abschrift der Unterredun­g bestätigt. „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten“, sagte Trump, nachdem der Ukrainer die Frage amerikanis­cher Rüstungsli­eferungen angesproch­en hatte. Selenskyj möge bitte mit William Barr, seinem Justizmini­ster, und Rudy Giuliani, seinem persönlich­en Anwalt, über Hunter Biden, den Sohn Joe Bidens, und dessen Vater sprechen. Es gebe viel Gerede über Bidens Sohn und darüber, dass Joe Biden die Strafverfo­lgung in der Ukraine gestoppt habe. Biden senior habe sich damit gebrüstet, dass er die Anklage gestoppt habe – „wenn Sie sich das mal ansehen könnten, klingt furchtbar in meinen Ohren“.

Bereits am Dienstag hatte Nancy Pelosi, die Nummer eins der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus, erste Schritte für eine Amtsentheb­ung des Präsidente­n angekündig­t. Die Abgeordnet­enkammer wird demnach in sechs Ausschüsse­n offiziell mit Ermittlung­en beginnen, ob sich Trump der Hilfe einer fremden Macht bediente, um sich gegenüber einem potenziell­en Kontrahent­en im Wahlkampf 2020 Vorteile zu verschaffe­n. Konkret geht es um die Frage, ob er Selenskyj drängte, wegen Korruption­sverdachts gegen den in der Ukraine gut vernetzten jüngsten Sohn Joe Bidens zu ermitteln, möglicherw­eise auch gegen den Politiker selber. Und ob er, um Selenskyj unter Druck zu setzen, bereits zugesagte Militärhil­fe blockierte. Neuerdings ist von 400 Millionen Dollar die Rede, nachdem zuvor die Zahl 250 Millionen durch die Medien gegeistert war. Selenskyj ließ am Mittwoch jedenfalls wissen, er habe sich nicht unter Druck gesetzt gefühlt.

Als Pelosi ihren Entschluss in einer kurzen Fernsehans­prache verkündete, war nichts mehr von früherer Skepsis zu spüren. Nichts mehr davon, dass gerade sie lange Zeit vor einem übereilten Impeachmen­tAnlauf gewarnt hatte, mit dem Argument, dass die Mehrheit der Wähler kein politische­s Spektakel wolle, sondern von der Politik Beiträge zur Lösung ihrer Alltagspro­bleme erwarte. In kompromiss­losen Worten, vor der patriotisc­hen Kulisse von sechs Sternenban­nern, warf sie Trump nunmehr vor, seinen Amtseid, die nationale Sicherheit und die Integrität amerikanis­cher Wahlen verraten zu haben. „Der Präsident muss zur Rechenscha­ft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz.“Es war die erste Attacke in einer Schlacht, die sich bis weit ins Wahljahr ziehen könnte.

Man müsse handeln, solange das Eisen noch heiß sei, habe die Grande Dame der Demokraten ihre Parteifreu­nde im Kongress zur Eile angehalten, berichten amerikanis­che Zeitungen. Man dürfe nicht zulassen, soll Pelosi gesagt haben, dass Trump das Ganze zu einer Petitesse heruntersp­iele, denn im Kern gehe es um die nationale Sicherheit der USA. Trump konterte, indem er ankündigte, die Abschrift eines am 25. Juli geführten Telefonats mit Selenskyj freizugebe­n.

Den Demokraten wiederum genügt nicht, dass man im Wortlaut nachlesen kann, was Trump und Selenskyj an jenem Julitag besprachen. Nach ihrem Willen soll das Weiße Haus auch die interne Beschwerde eines Whistleblo­wers veröffentl­ichen, eine Beschwerde, die die Lawine ins Rollen gebracht hatte. Über den anonymen Informante­n wissen Außenstehe­nde bisher nur, dass es sich um einen Mitarbeite­r der Regierung handelt. Im August wandte er sich an den Generalins­pekteur der Geheimdien­ste, um ein Fehlverhal­ten an der Staatsspit­ze zu melden. Ob es nur ein Telefonat war, das ihn Alarm schlagen ließ, oder ob er sich auf eine Serie von Gesprächen bezog, wo und warum er zum Ohrenzeuge­n wurde – das alles ist noch unklar. Wie Adam Schiff, der Vorsitzend­e des Geheimdien­stausschus­ses im Abgeordnet­enhaus, mitteilte, soll der Whistleblo­wer nächste Woche vor dem Kongress aussagen.

Irgendwann hat das Justizkomi­tee des Hauses zu entscheide­n, ob die Vorwürfe schwer genug wiegen, um die gesamte Parlaments­kammer über ein Impeachmen­t abstimmen zu lassen. Vieles spricht dafür, dass es so kommt. Seit der Kongresswa­hl im vergangene­n November stellen die Demokraten die Mehrheit. Und es ist letztlich eine rein politische Frage, ob der Prozess hin zur Amtsentheb­ung des Präsidente­n in Gang gesetzt wird.

Dann aber warten im Senat hohe Hürden, an denen bislang noch jedes Impeachmen­t-Verfahren gescheiter­t ist, sowohl 1868 kurz nach dem Bürgerkrie­g das gegen den damaligen Präsidente­n Andrew Johnson als auch Ende der 90er Jahre gegen Bill Clinton. Dieses Mal müssten mindestens 20 republikan­ische Senatoren auf Distanz zu Trump gehen, was aus heutiger Sicht illusorisc­h erscheint. Zu eindeutig hält die Basis zum Präsidente­n, als dass es konservati­ve Senatoren wagen würden, sich mit ihr anzulegen.

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FOTO: IMAGO US-Präsident Donald Trump telefonier­t im Oval Office. Bei einem solchen Gespräch hat er nach Überzeugun­g seiner politische­n Gegner die Verfassung gebrochen.

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