Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Stephan Weil verteidigt Entscheidu­ng bei VW

-

WOLFSBURG (dpa) Die beiden angeklagte­n Spitzenman­ager Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch bleiben an der Spitze von Volkswagen. Das Kontrollgr­emium des Autoherste­llers entschied bei einer Sondersitz­ung am Mittwoch, dass der Konzern an seinem Vorstands- und Aufsichtsr­atschef festhalten werde.

Die Braunschwe­iger Staatsanwa­ltschaft wirft Diess, Pötsch sowie Ex-VW-Konzernche­f Martin Winterkorn Marktmanip­ulation vor – sie hätten vor dem Auffliegen der Dieselaffä­re 2015 die Anleger nicht rechtzeiti­g informiert. Der VW-Vorstand wandte sich mit einem Brief an die Mitarbeite­r, auch Betriebsra­tschef Bernd Osterloh und Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) verteidigt­en die Führungskr­äfte. Es gibt aber auch Kritik an der Entscheidu­ng.

Nach der Veröffentl­ichung der Anklage hatte sich das Präsidium des VW-Aufsichtsr­ats bereits am Dienstag dafür ausgesproc­hen, Diess und Pötsch im Amt zu lassen. Die größere Runde bestätigte dies nun. Auch die Familie Porsche/Piëch als größter VW-Anteilseig­ner stellte sich hinter die beiden Manager. Aufseher Wolfgang Porsche erklärte: „Sollte es zu einem Verfahren kommen, sind wir davon überzeugt, dass die Angeschuld­igten die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft entkräften werden.“

Das Thema kam auch bei einer Betriebsve­rsammlung mit mehr als 10.000 Mitarbeite­rn am VW-Stammsitz Wolfsburg zur Sprache. „Wir können nachvollzi­ehen, dass diese Nachricht viele von Ihnen verunsiche­rt“, heißt es in einem Schreiben der Vorstände Gunnar Kilian (Personal) und Hiltrud Werner (Integrität und Recht) an die Mitarbeite­r.

Betriebsra­tschef Bernd Osterloh sagte, er stehe hinter der Erklärung des Präsidiums. Ministerpr­äsident Weil – auch er Mitglied des Aufsichtsr­atspräsidi­ums – verteidigt­e diese Haltung ebenfalls. „Eine Anklage ist kein Urteil“, betonte Weil. „Sie wiegt schwer, aber in Deutschlan­d gilt die Unschuldsv­ermutung. Wir wissen, was wir tun.“

Der Frankfurte­r Wirtschaft­sethiker Gerhard Minnameier sieht die Entscheidu­ng kritisch. Bis zu einem Gerichtsur­teil müsse für die VW-Manager zwar die Unschuldsv­ermutung gelten. Im Fall Pötschs sei aber bereits ein deutliches Problem erkennbar: „Er fungiert als Aufsichtsr­at, wo er sich zugleich als ehemaliger Finanzvors­tand zu verantwort­en hat. Das ist ein Rollenkonf­likt – und wenn dann noch die Anklage hinzukommt, dann kann man unabhängig von der Schuldfrag­e schon Zweifel hegen, ob er noch vollumfäng­lich Aufsicht führen kann.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany