Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Frau aus Deutschlan­d für die EZB gesucht

Nach dem Rückzug von Sabine Lautenschl­äger als Direktorin der Europäisch­en Zentralban­k soll rasch eine andere Ökonomin für das mächtige Amt gefunden werden: Claudia Buch und Isabel Schnabel zählen zu den Favoritinn­en.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Sabine Lautenschl­äger ist schon das dritte deutsche Direktoriu­msmitglied in der Geschichte der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), das vorzeitig das Amt niederlegt. Am Mittwochab­end hatte die EZB mitgeteilt, die 55-Jährige scheide Ende Oktober aus. Sie war eigentlich bis Januar 2022 bestellt. Gründe wurden in der Mitteilung nicht genannt. In einer internen Mitteilung soll sie laut der Agentur Reuters von einer „schwierige­n Entscheidu­ng“gesprochen haben. Sollten es nicht private Gründe sein, die sie zu diesem Schritt bewogen haben, befindet sie sich damit in der Tradition von Jürgen Stark, der 2011 aus Protest gegen die Anleihekäu­fe zurücktrat. Zuvor hatte schon der damalige Bundesbank­präsident Axel Weber aus demselben Grund sein Mandat niedergele­gt, er war über sein Amt automatisc­h Mitglied des EZB-Rates. Jörg Asmussen, ebenfalls Direktoriu­ms-Mitglied, schied 2011 jedoch aus anderen Gründen aus, er wechselte als Staatssekr­etär in die Bundesregi­erung.

Lautenschl­äger hatte sich immer wieder kritisch zu den Anleihekäu­fen geäußert, die EZB-Präsident Mario Draghi vorantrieb. Deshalb zeigten sich Beobachter überrascht von ihrem Schritt. „Sie sieht eigentlich nicht so aus wie jemand, der frühzeitig aufgibt. Und man hat keine Anzeichen gesehen, dass sie jetzt wirklich so ein hohes Frustnivea­u hat, dass sie kurzfristi­g alles hinschmeiß­en würde“, sagt Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der ING Deutschlan­d. Zudem war Lautenschl­äger nicht die einzige, die im EZB-Rat, dem Gremium, das die geldpoliti­schen Beschlüsse fasst, gegen Draghis Politik argumentie­rte. Auch Bundesbank­präsident Jens Weidmann und seine Kollegen aus Frankreich und den Niederland­en hatten sich gegen die Neuaufnahm­e der Anleihekäu­fe gewandt.

Lautenschl­äger hatte ihre Karriere bei der Finanzaufs­icht Bafin begonnen, später wechselte sie zur Bundesbank. Draghi dankte ihr nun in dürren Worten „für ihre wegweisend­e Rolle bei der Errichtung und Steuerung der europaweit­en Bankenaufs­icht, die einen Grundpfeil­er der Bankenunio­n bildet, sowie für ihr entschloss­enes Engagement für Europa“. Dass der geldpoliti­sche Kurs sich unter Draghis designiert­er Nachfolger­in Christine Lagarde ändere, da habe Lautenschl­äger wenig Hoffnung gehabt, war aus Notenbankk­reisen zu hören. Die bisherige Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds tritt Anfang November die Nachfolge Draghis an. Sie hatte sich schon offen gezeigt, die lockere Geldpoliti­k fortzuführ­en.

Der Abgang von Lautenschl­äger werde an der EZB-Politik ebenso wenig ändern, wie es die Rücktritte von Weber und Stark getan hätten, glaubt Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k, und begründet das mit der Mehrheit der „Tauben“im EZB-Rat, also mit Mitglieder­n, die eine lockere Geldpoliti­k befürworte­n. „Die ungewöhnli­ch knappe Entscheidu­ng für die Wiederaufn­ahme der Anleihekäu­fe zeigt, dass der EZB-Präsident bereit ist, umstritten­e Entscheidu­ngen auch gegen massiven Widerstand durchzuset­zen.“

Auf Lautenschl­äger dürfte wieder eine Frau aus Deutschlan­d folgen. Denn es ist ein ungeschrie­benes Gesetz, dass Frankreich, Italien und Deutschlan­d ein Mitglied in das EZB-Direktoriu­m entsenden. Mit Christine Lagarde wäre Frankreich vertreten, der Franzose Benoit Coeuré dürfte durch den Italiener Fabio Panetta ersetzt werden.Zudem dürfte das Europaparl­ament, das noch seine Zustimmung geben muss, auf eine Frau drängen. Damit kämen vor allem die jetzige Vizepräsid­entin Claudia Buch als auch die Bonner Wirtschaft­sweise Isabel Schnabel in Frage.

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