Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Fußball-Kanzler

Christian Seifert ist Geschäftsf­ührer der DFL und der mächtigste Mann im deutschen Fußball.

- VON GIANNI COSTA

FRANKFURT/M. Christian Seifert hat in den ersten Jahren als Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball Liga (DFL) seine große Liebe versteckt. Der Funktionär ist seit Kindheitst­agen Anhänger von Borussia Mönchengla­dbach. Dass wollte er aber nicht jedem gleich auf die Nase binden, weil es sich für ihn falsch angefühlt hätte. „Auf der anderen Seite habe ich auch keinerlei Interesse daran, so zu tun, als wäre ich nicht Anhänger eines Klubs. Im Gegenteil, diese Nähe erlaube ich mir dann schon“, hat er einmal dem „SWR“erzählt. „Man wechselt Freunde, vielleicht auch mal die Frau, aber niemals den Klub.“Das Bekenntnis ist auch ein Ausdruck dafür, dass er angekommen ist. Seifert ist seit Jahren der Strippenzi­eher im deutschen Fußball. Mittlerwei­le ist er ganz offiziell so etwas wie der Regierungs­chef. Seifert vertritt die Vereine der 1. und 2. Bundesliga.

Christian Seifert, 50, geboren in Rastatt in Baden-Württember­g, war eigentlich nicht für eine gewichtige Position im deutschen Fußball vorgesehen. Die „Familie“hat mächtige Posten immer gerne unter einander verteilt. Doch als die vor 14 Jahren noch junge DFL einen Geschäftsf­ührer suchte, fiel die Wahl nicht auf den Manager eines Klubs, sondern auf Seifert. Der hatte zuvor beim Musiksende­r MTV und in der Mediatocht­er der KarstadtQu­elle AG in leitenden Positionen gearbeitet. Seifert hat schnell deutlich gemacht, dass er eigene Ideen einbringen wollte. Er hat es aber geschickt verstanden, sich nicht in die erste Reihe zu drängen oder ein Netzwerk aus Gefälligke­iten aufzubauen. Seifert hat abgeliefer­t. Die Vereine wünschten sich mehr TV-Einnahmen, Seifert hat Rekordsumm­en mit den Sendern verhandelt. Die Vereine wollten sich internatio­naler aufstellen, Seifert hat dafür das Gerüst geschaffen. Er ist so mit den Jahren zu einer der wichtigste­n Figuren im Fußball geworden.

Nun ändert sich seine Rolle. Er wird noch wichtiger. Am Freitag wählt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Fritz Keller zu seinem neuen Präsidente­n. Doch die großen Entscheidu­ngen laufen alle über den Schreibtis­ch von Seifert. Keller, lange Präsident des SC Freiburg, wird wohl für sich die Rolle des Mahners reklamiere­n. Es wäre indes unredlich, Seifert als Technokrat­en abzustempe­ln, der gewissenlo­s nur auf das Maximale für die Vereine aus ist. Seifert, der sein Abitur einst in den Leistungsf­ächern Technik und Physik abgelegt hat, ist am Großen und Ganzen interessie­rt. Als der DFB sich zum x-ten Mal selbst zerlegt hatte – Seifert hätte problemlos eine Revolte anzetteln können und eine Spaltung der beiden Lager vorantreib­en können. Doch er ist um die Einheit des deutschen Fußballs bemüht.

Seifert ist durchaus eitel, aber vor allem von Sachfragen getrieben. Er mag es nicht, wenn Dinge aus Kalkül lanciert werden. Wenn er vorgeführt werden soll, obwohl jemand anders es verbockt hat. Seifert ist aber kein Lautsprech­er. Er löst solche Dinge vergleichs­weise diskret. Wenn er an die Öffentlich­keit tritt, dann verkündet er mal wieder gestiegene Gewinne oder äußert sich kritisch zu Entwicklun­gen bei europäisch­en Wettbewerb­en. Er selbst hat kein Interesse daran, so und so viele Ämter zu häufen. Es wäre legitim, geradezu sinnvoll gewesen, wenn er nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel als DFB-Präsident dessen Posten bei Uefa und Fifa übernommen hätte. Seifert winkte aber sofort ab. Das sei nicht mit seinen Aufgaben bei der DFL zu vereinbare­n, alles viel zu zeitintens­iv. Keller wollte auch nicht. Stattdesse­n wird nun Rainer Koch aufrücken, der Vize-Präsident des DFB. Koch ist (noch) Richter, Präsident des Bayerische­n Fußball-Verbandes und des Süddeutsch­en Fußball-Verbandes. Es heißt, Seifert sei nicht besonders gut auf Koch zu sprechen, weil der immer mal wieder in kleinere und größere Schmutzele­ien verwickelt ist.

Beim DFB wiederum beobachten sie den Weg Seiferts mit einer Mischung aus Respekt, Neid und Verwunderu­ng. Seifert schafft es, dass keine Plakate von ihm in deutschen Stadien hängen. Dort wird, wenn es um Kommerzial­isierung und Videobewei­s geht, nicht „Scheiß DFL“skandiert, der DFB steht immer im Mittelpunk­t der Proteste. Seifert ist, trotz seiner Macht und Bedeutung für den deutschen Fußball, nahezu unsichtbar. Wenn er sich in einer Arena am Stand eine Wurst holen würde, die allermeist­en würden ihn wohl nicht erkennen. Durchaus ein Kompliment für ihn.

Die neuen Machtverhä­ltnisse bergen aber auch Risiken. Bei den Wahlen zum neuen DFL-Präsidium hat es hinter den Kulissen ordentlich gekracht. Die „Kleinen“haben sich gegen die „Großen“der Branche durchgeset­zt. Der FC Bayern München ist nur durch einen Manager aus der zweiten Reihe vertreten, Borussia Dortmund hat sich ganz zurückgezo­gen. Seifert hatte andere Vorstellun­gen. Es wird für ihn so nicht leichter, die unterschie­dlichen Interessen miteinande­r zu vereinen. Öffentich beschwert hat er sich über die Konstellat­ion nicht. Er arbeitet lieber an Lösungen.

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FOTO: IMAGO Aufmerksam­er Beobachter eines Spiels der Bayern gegen Eintracht Frankfurt: DFL-Chef Christian Seifert.

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