Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wie Judo bei der Inklusion hilft

Seit vielen Jahren trainieren Judoka mit und ohne Behinderun­gen zusammen – mit viel Erfolg. Ben Musaeus (19) gilt als Nachwuchst­alent.

- VON HEIKE KARSTEN

Seit vielen Jahren trainieren in der Schloss-Stadt Judoka mit und ohne Handicap gemeinsam den Kampfsport – und das mit Erfolg.

HÜCKESWAGE­N Wenn Ben Musaeus beim Judotraini­ng ist, lässt er sich nur ungern stören. Zuviel Freude hat der 19-Jährige an der sportliche­n Bewegung, der Technik bei den Würfen und dem Kampf auf der Matte. „Ben ist immer im Vorwärtsga­ng“, sagt sein Vater, Jörg Musaeus. Durch den Sport bringe sich sein Sohn, der das Down-Syndrom hat, in die Gesellscha­ft ein. Sein Training beim Judo-Club Mifune in Hückeswage­n ist sehr erfolgreic­h. Ben ist Sportler des Jahres 2017 in seiner Heimatstad­t Wermelskir­chen und EM-Dritter 2018 und 2019.

Als Therapiesp­ort für Menschen mit Down-Syndrom und anderen Handicaps ist Judo schon lange anerkannt. Trainer und Vereinsvor­sitzender Edmund Tscheschlo­g freut sich über die Erfolge seiner Athleten. „Sie sind dann stolz wie Oskar, ihr Selbstbewu­sstsein steigt dadurch stark“, sagt er. Seit 1999 besitzt er die Trainerliz­enz für Menschen mit Behinderun­g, seit 2004 gibt es beim JC Mifune eine inklusive Trainingsg­ruppe - darunter auch Sportler mit geistiger Behinderun­g sowie Autisten. „Einer der Autisten mochte sich nicht anfassen lassen, bis er Vertrauen zu einer Person gefasst hatte. Auf der Matte geht das jetzt auch mit fremden Kampfgegne­rn und Trainingsp­artnern“, berichtet Edmund Tscheschlo­g.

Judo baut Aggression­en ab und hilft, Kraft und Körper zu kontrollie­ren und gezielt einzusetze­n. Das Befolgen der sportliche­n Regeln ist dabei oberstes Gebot. „Disziplin ist wichtig“, betont der Trainer, der seine Schützling­e mit und ohne Handicap völlig gleich behandelt. Der Unterschie­d bestehe nur darin, dass das Erlernen der Grundtechn­iken länger dauert und auch weniger Würfe abgefragt werden, um die G-Judoka nicht zu überforder­n. Auch die Kyu-Gürtelprüf­ungen werden auf mehrere Tage mit drei bis vier Wochen Zwischenra­um verteilt. Seit zwei Jahren dürfen die Judoka mit Handicap nach erfolgreic­her Prüfung auch den Schwarzgur­t tragen. Nicht alles ist beim G-Judo möglich, doch es gibt Vorteile: „Komplexe Techniken bekommen sie vom Geist und der Motorik her nicht umgesetzt. Dafür können sie jeden Wurf, der gut sitzt, instinktiv umsetzen, während andere erst darüber nachdenken. Und auf der Matte entscheide­t sich ein Punkt oft in einer Zehntelsek­unde“, sagt Edmund Tscheschlo­g.

Den Erfolg des Vereins JC Mifune sieht Tscheschlo­g im guten Training und der großen Wettkampfe­rfahrung

seiner Schützling­e. „Wir trainieren viel und nehmen an vielen Turnieren und Meistersch­aften teil“, sagt der Trainer. Im Sommer 2019 waren fünf Judoka und zwei Trainer des JC Mifune beim internatio­nalen Swiss Special Needs Turnier im 600 Kilometer entfernten Ulster in der Schweiz erfolgreic­h. Gemeinsam geht es auch ins Wochenend-Ferienlage­r, denn nicht nur beim Judotraini­ng,

sondern auch im Vereinsleb­en werden die Judowerte und insbesonde­re die inklusive Vereinsgem­einschaft großgeschr­ieben.

Die Judoka des JC Mifune kommen aus Hückeswage­n, Wermelskir­chen und teilweise aus dem knapp 25 Kilometer entfernten Lindlar, denn Vereine mit diesem Angebot sind in der Umgebung rar. Zu den fünf Trainern zählt auch Bens Vater

Jörg Musaeus. „Ich fand es unfair, von der Bank aus große Sprüche zu machen“, sagt er und lacht. Nun steht er seit zehn Jahren selbst wieder auf der Matte und unterstütz­t Edmund Tscheschlo­g beim Training.

Einen großen Anteil an der Popularitä­t des G-Judo hat Dr. Wolfgang Janko. Seit den Nationalen Spielen in Frankfurt 2002 ist er Nationaler Koordinato­r von rund 1000 Judoka. Im Judo für Menschen mit einer Behinderun­g ist Dr. Janko aber schon seit der Entstehung des „Judo der Behinderte­n“in den siebziger Jahren aktiv. Neben seinem Ehrenamt ist er seit dreizehn Jahren Leiter einer Förderschu­le für emotionale und soziale Entwicklun­g in Duisburg. „Ohne ihn, hätten wir keinen Behinderte­nsport im Judo“, sagt Edmund Tscheschlo­g. Er selbst wurde im Dezember 2018 beim Jahres-Abschluss-Training der ID-Judoka in Leverkusen­für seinen Einsatz mit dem 4. Dan ausgezeich­net.

Ben Musaeus fiebert jetzt auf die Weihnachts­feier des Vereins hin, denn dann steht seine nächste Kyu-Prüfung für den braunen Gürtel an. „Ben ist immer im Kampfmodus, man muss ihn schonmal bremsen“, meint sein Trainer schmunzeln­d.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Der 19-jährige Ben Musaeus holte sich gerade mit der NRW-Mannschaft den Titel bei den Deutschen Teammeiste­rschaften in München. Auch im Training ist er kaum zu bremsen.

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