Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Kampf um Frankreichs Tafelsilber
Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist die Privatisierung von staatlich dominierten Unternehmen ein Prestigeprojekt, doch er stößt auf großen Widerstand.
PARIS Für die Gewerkschaften ist der angekündigte Bahnstreik in Frankreich eine Art späte Rache. Am 5. Dezember werden die Mitarbeiter der Eisenbahngesellschaft SNCF ihre Arbeit niederlegen und gegen die geplante Rentenreform der Regierung protestieren – sie sind entschlossen, das Land lahmzulegen und sich dieses Mal nicht zu beugen. Denn der Rückhalt ist groß, und es scheint, dass sich noch andere unzufriedene Berufsgruppen ihrem Ausstand anschließen werden.
Noch im vergangenen Jahr waren die Eisenbahner nach einem wochenlangen Streik kläglich gescheitert und konnten die geplante Umwandlung der SNCF in eine Aktiengesellschaft nicht verhindern. Zusätzlich mussten die Arbeitnehmer auch die Lockerung des Kündigungsschutzes hinnehmen. Viele Beobachter befürchten, dass dies der erste Schritt in Richtung Privatisierung der französischen Bahn sein könnte, denn Präsident Emmanuel Macron gilt als Freund der Märkte. So hat er zuletzt die Abschaffung des staatlichen Lottomonopols vorangetrieben. In diesen Tagen ging die Lottogesellschaft Française des Jeux (FDJ) an die Pariser Börse. Der Anteil des Staats sinkt dadurch von 72 Prozent auf 20 Prozent. Die Regierung rechnet mit Einnahmen von mehr als zwei Milliarden Euro durch die Privatisierung.
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire äußerte sich angesichts eines starken Starts der Lottogesellschaft an der Börse sehr zufrieden. Das zeige, dass sich die Franzosen nach der Finanzkrise 2008 „mit der Wirtschaft und den Märkten wieder ausgesöhnt“hätten, erklärte der Politiker. Unter den rund 500.000 Zeichnern der Aktie waren nach seinen Angaben auch zahlreiche Kleinanleger. In Frankreich ist es der erste Börsengang eines öffentlichen Unternehmens seit 2005.
Doch so offen, wie Wirtschaftsminister Bruno Le Maire es gerne sehen würde, sind die Franzosen dem Markt gegenüber nicht. Denn die Regierung hat auch die Privatisierung der Pariser Flughafengesellschaft ADP auf den Weg gebracht, um Geld in die Staatskassen zu spülen. Diese ist allerdings nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik äußerst umstritten. Inzwischen hat die Opposition im Parlament in einer historisch einmaligen Allianz der Parteien von ganz links bis ganz rechts das Vorhaben blockiert und ein Referendum in die Wege geleitet. Allerdings müssen rund 4,5 Millionen Unterschriften gesammelt werden, um das Projekt zu stoppen.
Das Problem bei der Privatisierung der Flughäfen bringt auch den geplanten Abbau der Staatsanteile am Energieversorger Engie ins Schlingern – und damit wäre ein wichtiges Prestigeprojekt des Präsidenten Emmanuel Macron in Gefahr. Denn das durch den Verkauf erzielte Geld der Anteile an Lottogesellschaft, Flughäfen und Energieversorger soll unter anderem in einen Innovationsfonds fließen. Geplant ist, mit rund zehn Milliarden Euro die Entwicklung neuer Technologien zu finanzieren. Ein anderer Teil der Einnahmen soll zum Abbau der immensen Staatsschulden genutzt werden. Die sind durch die milliardenschweren sozialen und steuerlichen Versprechungen im Zuge der Proteste der Gelbwesten noch weiter angestiegen.
Als Argument gegen die Privatisierung wird von den Gegnern immer wieder der für den Staat im Grunde schlecht gelaufene Verkauf der Autobahnen im Jahr 2006 ins Feld geführt, als man das Tafelsilber verscherbelt habe. Die Unternehmen machten seitdem satte Gewinne, während die Regierung keinen Einfluss mehr auf die Gebühren habe, die zum Ärger der Franzosen ständig steigen. Auch dürfe der Staat sich aus Sicherheitsgründen etwa bei den Flughäfen nicht zurückziehen. Diese Bedenken seien unbegründet, heißt es von Seiten der Regierung, denn die Sicherheit und der Zoll würde natürlich unter staatlicher Oberhoheit bleiben. So stehen im Moment zentrale Projekte auf der Kippe, als sicher gilt nur, dass das Image des Präsidenten Emmanuel Macron als zupackender Modernisierer schwer gelitten hat.