Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Griechisches Gericht: 15 Jahre Haft für von Pierer
ATHEN Im Strafverfahren um Schmiergeldzahlungen des Siemens-Konzerns in Griechenland hat ein Gericht in Athen am Montag langjährige Haftstrafen gegen den ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer und frühere Manager des Konzerns verhängt. Von Pierer will Berufung einlegen. Die Affäre, um die es geht, liegt lange zurück: 1998 bekam Siemens nach langen Verhandlungen mit der griechischen Fernmeldebehörde OTE den Zuschlag für die Umstellung
des analogen griechischen Telefonnetzes auf Digitaltechnik. Das Auftragsvolumen belief sich auf 693 Millionen Euro. Bei der Vergabe sollen Schmiergelder von 68 Millionen Euro an damalige Entscheider in Griechenland geflossen sein.
Obwohl der Vorwurf der Bestechung inzwischen verjährt ist, wurden 20 der ursprünglich 64 Angeklagten, darunter frühere Siemens-Manager und ehemalige Angestellte des Fernmeldeunternehmens OTE, jetzt wegen Geldwäsche zu Haftstrafen zwischen sechs und 15 Jahren verurteilt. Mehr als 14 Jahre lang ermittelten die griechischen Ankläger, gestützt vor allem auf Erkenntnisse deutscher Staatsanwälte und Gerichte, die sich bereits Mitte der 2000er Jahre mit den Schmiergeldpraktiken bei Siemens beschäftigt hatten. Die meisten in Athen angeklagten deutschen Siemens-Manager mussten sich schon damals in Deutschland vor Gericht verantworten und wurden teils verurteilt, teils freigesprochen. Ihre Verteidiger beantragten deshalb die Einstellung des in Griechenland angestrengten Verfahrens, weil niemand wegen derselben
Sache zweimal vor Gericht gestellt werden darf. Die griechische Justiz setzte sich darüber hinweg und erklärte, es gehe um andere Vorwürfe.
Von Pierer musste in Deutschland wegen der Affäre nie vor Gericht. Er bestritt, von den Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben, akzeptierte aber einen Bußgeldbescheid über 250.000 Euro wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und zahlte an Siemens fünf Millionen Euro Schadenersatz. Der 78-Jährige bezeichnete in einer ersten Stellungnahme das Urteil aus Griechenland als „völlig überraschend“, da die Staatsanwaltschaft erst im Juli für ihn Freispruch beantragt hatte. Von Pierer kündigte Berufung an und will beantragen, dass das griechische Urteil in Deutschland nicht vollzogen wird, „weil es gegen elementare rechtsstaatliche Prinzipien verstößt“. Die deutschen Angeklagten waren nicht zur Urteilsverkündung erschienen. Sie wurden von Anwälten vertreten. Offen blieb, ob das Gericht jetzt Haftbefehle erlässt oder die Vollstreckung aussetzt, bis über die Berufung entschieden ist. Sie könnte zu einer Wiederaufnahme des Mammutverfahrens führen.