Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Wut auf die Eliten
Wer gegen etablierte Politiker mobilisiert, ist bei Wahlen oft erfolgreich. Das könnte noch immer eine Folge der Finanzkrise von 2008 sein.
Es war wieder ein Ergebnis, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Das Außenseiter-Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken schlug das Favoriten-Paar Olaf Scholz und Klara Geywitz. Und der Gewinner Walter-Borjans erklärte den Sieg damit, dass sich die Mitglieder nicht „von oben sagen lassen wollen, wer die Partei repräsentiert“.
Der Erfolg des Duos reiht sich in die jüngsten Ereignisse ein, in denen Außenseiter gewinnen, indem sie die etablierten Eliten angreifen. Im Grunde verlief die Wahl bei allen inhaltlichen Unterschieden nach der gleichen Logik ab wie das Brexit-Votum in Großbritannien oder die Erfolge der Fünf-Sterne-Bewegung des Kabarettisten Beppe Grillo in Italien.
Das Ökonomen-Trio Christoph Trebesch, Manuel Funke und Moritz Schularick hat diesem Phänomen eine statistische Grundlage gegeben. Die Wissenschaftler haben die Folgen von 100 Finanzkrisen in 800 Wahlen in demokratischen Systemen seit 1870 untersucht. Sie fanden heraus, dass sich mit Kritik an Eliten nach Bankencrashs und Kursstürzen leicht Wahlen gewinnen lassen.
Als typisches Beispiel nannten die Ökonomen die Finanzkrise von 2009. Verunsicherte Sparer, gefährdete Arbeitnehmer, perspektivlose Berufsanfänger wenden sich gern politischen Angeboten zu, die in der Unfähigkeit der herrschenden Eliten den Hauptgrund für die gegenwärtige Misere sehen. Was hätte denn sonst gegen die führenden Genossen gesprochen. Schließlich hat die SPD mit Mindestlohn, Kita-Gesetz oder Grundrente mehr durchgesetzt als es ihrer Stärke entspricht. Doch das reichte nicht, um der Basis den Verbleib in der Groko schmackhaft zu machen. Jetzt riskieren die Mitglieder die politische Stabilität, deren Wert sie auch wegen der gewaltigen Verschiebungen durch die Finanzkrise nicht richtig wertschätzen können.
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