Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Wir müssen um eine Chance kämpfen“

Mona Theißen arbeitet in der Verwaltung­sstelle bei Carpe Diem. Ihre Höreinschr­änkungen gleicht sie durch Motivation aus.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Wenn Mona Theißen zuhört, dann blickt sie konzentrie­rt auf die Lippen ihres Gegenübers. Manchmal nickt sie dann freundlich, manchmal wirft sie ein paar Worte ein. Und manchmal kräuselt sich auch ihre Stirn und dann sagt sie lächelnd: „Ich habe Sie nicht verstanden. Bitte sprechen sie langsam und laut.“Dann heftet sie ihren Blick wieder auf den Mund. Das Lippenlese­n beherrscht die 26-Jährige fast spielend – allerdings müssen dafür die Bedingunge­n stimmen. Mona Theißen hat gelernt, den Menschen zu sagen, was sie für ein gutes Gespräch braucht. Gegenlicht macht es schwer oder ein Gesprächsp­artner, der sie beim Sprechen nicht anschaut. Dann muss sie sich auf ihr Cochlea-Implantat verlassen, das die Worte überträgt.

In der Verwaltung­sstelle der Seniorenpa­rks Carpe Diem, die sich gleich neben der Pflegeeinr­ichtung in Wermelskir­chen befindet, wissen die Kollegen allerdings um ihr Handicap. Im Frühling hat die 26-Jährige dort ihre Stelle angetreten. Weil sie den Kollegen die Befangenhe­it nehmen wollte, schrieb sie damals einen Brief und erklärte ihre Situation. „Scheuen Sie sich nicht, mit mir zu sprechen“, schloss sie mit einem Smiley. Und dann brachte sie – noch etwas schüchtern – in jedes Büro einen ihrer Briefe.

„Für uns Menschen mit Behinderun­g ist es manchmal ein richtiger Kampf“, sagt sie und denkt an den Weg ins Berufslebe­n. Diesen Kampf kennen auch die Mitarbeite­rinnen im Arbeitgebe­r-Service der Agentur für Arbeit. „Viele Unternehme­n haben noch Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderun­gen“, sagt Nicole Jordy, Geschäftsf­ührerin der Agentur in Bergisch Gladbach, „ihre Leistungsf­ähigkeit wird ganz falsch eingeschät­zt.“Und so kommt es nicht selten vor, dass Arbeitgebe­r die Bewerbunge­n von Menschen mit Behinderun­g gleich aussortier­en – fünf Tage mehr Urlaub, die Sorge vor vermehrten Krankheits­tagen und der erhöhte Kündigungs­schutz würden häufig als Argumentat­ion herangezog­en.

„Aber das ist Blödsinn“, betont Jasmin Schröder, Expertin im Arbeitgebe­r-Service der Agentur, und wirkt dabei ein bisschen verärgert.

Ganz häufig mache sie die Erfahrung, dass Menschen mit Behinderun­g besonders motiviert seien. „Und vor allem bringt mehr als jeder Zweite schwerbehi­nderte Arbeitsuch­ende Qualifikat­ionen für eine Tätigkeit auf Fachkraft-Niveau oder höher mit“, ergänzt sie.

Das galt damals auch für Mona Theißen. Schon in der Schulzeit kam sie mit Jasmin Schröder von der Agentur in Kontakt. Gemeinsam brachten sie die kaufmännis­che Ausbildung im Berufsbild­ungszentru­m auf den Weg. Danach suchten sie nach einer passenden Stelle. „Aber keiner hat mich eingestell­t“, sagt Mona Theißen. Weil sie unbedingt arbeiten wollte, war sie bereit, Kompromiss­e zu machen. Sie nahm eine Stelle an, die nicht ihrem Profil und ihrer Qualifikat­ion entsprach – und sie bewarb sich weiter.

Auch bei Carpe Diem, zu denen sie 2016 auf einer Jobbörse Kontakt geknüpft hatte. Es brauchte drei Anläufe, dann hatte Thomas Schlünkers, Leiter im Personalma­nagement, eine passende Stelle für die junge Frau. „Ich bin jetzt glücklich“,

sagt Mona Theißen. Und das gilt auch für ihren Arbeitgebe­r. Für den ist die Anstellung von Mitarbeite­rin mit Behinderun­g keine Premiere. „Wir haben über unsere Inklusions­abteilung 60 Arbeitsplä­tze für Menschen mit Behinderun­g geschaffen, die in ganz verschiede­nen Bereichen in unseren Häusern im Einsatz sind“, sagt Schlünkers. Wichtig sei es dabei gewesen, die anderen Mitarbeite­r bei diesem Prozess mitzunehme­n.

Unterstütz­ung gibt es von der Agentur für Arbeit, Fördergeld­er vom Landschaft­sverband Rheinland (LVR). Der stelle investive Mittel für die Einrichtun­g des Arbeitspla­tzes zur Verfügung, übernehme 30 Prozent der Personalko­sten und zahle eine Pauschale, damit auch eine pädagogisc­he Begleitung der Mitarbeite­r gewährleis­tet wird. „Aber Achtung“, sagt Schlünkers, „wer nur wegen des Geldes eine Inklusions­abteilung gründet, wird scheitern.“Stattdesse­n macht er Mut, das Potenzial und die besondere Motivation eben jener Mitarbeite­r zu sehen, die von anderen häufig auf ihr Handicap reduziert werden.

 ?? FOTO: THERESA DEMSKI ?? Ein langer Weg führt für Mona Theißen zu einem guten Ziel: Trotz ihrer Hörbeeintr­ächtigung hat sie eine Stelle in der Verwaltung bei Carpe Diem gefunden - Unterstütz­ung gibt es von Personalle­iter Thomas Schlünkers und von Nicole Jordy und Jasmin Schröder von der Agentur für Arbeit.
FOTO: THERESA DEMSKI Ein langer Weg führt für Mona Theißen zu einem guten Ziel: Trotz ihrer Hörbeeintr­ächtigung hat sie eine Stelle in der Verwaltung bei Carpe Diem gefunden - Unterstütz­ung gibt es von Personalle­iter Thomas Schlünkers und von Nicole Jordy und Jasmin Schröder von der Agentur für Arbeit.

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