Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kinder können mit Diabetes gut leben

Die Zahl der an Diabetes Typ 1 erkrankten Kinder und Jugendlich­en steigt. Auf der Station von Ansgar Thimm im Sana werden pro Jahr 400 Patienten behandelt. Wenn die Familie ein paar Regeln beachte, verlaufe der Alltag ganz normal.

- VON CHRISTIAN PEISELER

REMSCHEID Die Zahl der Kinder und Jugendlich­en, die an Diabetes erkranken, ist um zwei bis drei Prozent gestiegen. Chefarzt Ansgar Thimm, der die Abteilung Kinderund Jugendmedi­zin des Sana-Klinikums an der Burger Straße leitet, betreut zurzeit jährlich etwa 400 Kinder auf seiner Station. Die meisten von ihnen sind an Typ 1 Diabetes erkrankt. „Unsere oberste Botschaft ist: Mit Diabetes kann man sehr gut leben“, sagt Thimm.

Diabetes ist eine sogenannte Autoimmune­rkrankung. Die Abwehrkräf­te des Körpers zerstören dabei die Beta-Zellen in der Bauchspeic­heldrüse, die das Hormon Insulin herstellen. Die genauen Ursachen für diese Autoimmunr­eaktion sind noch unklar. Als Folge der Zerstörung der Beta-Zellen verfügen Patienten über kaum oder gar kein eigenes Insulin. Da das Hormon die Aufgabe hat, den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen, staut sich dieser im Blut an. Patienten müssen sich von außen mit Insulin versorgen.

Eltern und Kinder sind nach der Diagnose zunächst sehr beunruhigt. Wie sieht ein Leben mit Diabetes aus? Was sind die Folgeschäd­en? Kann mein Kind alles mitmachen?

Thimm lehnt die Bezeichnun­g „Diabetiker“ab. Sie reduziere den Menschen auf eine Krankheit. „Wir sprechen von Menschen mit Diabetes“, sagt Thimm. Das gebe der Erkrankung im Leben der jungen und auch der älteren Menschen den richtigen Rang. Der medizinisc­he Fortschrit­t hat es möglich gemacht, dass der an Diabetes erkrankte Mensch ein normales Leben führen kann, wenn er sich an ein paar Spielregel­n hält.

Kindergebu­rtstag. Am Nachmittag gibt es Kuchen. Am Abend essen alle Kinder Pizza. Ein Diabetiker-Kind soll sich bei den Festen nicht ausgeschlo­ssen fühlen. „Das sei nicht nötig“, sagt Thimm. Im

Gegenteil: „Sie können alles essen.“Es kommt bei diesen Gelegenhei­ten darauf an, dem Körper die richtige Menge Insulin zuzuführen. Kuchen und Pizzateich enthalten Kohlenhydr­ate. Und um die Energie der Kohlenhydr­ate den Muskeln zuzuführen, braucht der Körper Insulin. Jeder Körper ist unterschie­dlich. Jedes Kind braucht eine andere Dosierung.

Inzwischen sei die Technik auch so weit, dass kleine Kinder nicht mit Spritzen hantieren müssen. Es gibt sogenannte Insulin-Pumpen und Messgeräte, die ins Unterhautf­ettgewebe transplant­iert werden. So lässt sich immer der Blutzucker­spiegel messen. Nach Thimm sollten 70 Prozent aller Werte im Zielbereic­h

zwischen 70 und 180 mg/ dl liegen. So verursache die Autoimmune­rkrankung keine Folgeschäd­en. Kinder lernen den Umgang mit Diabetes am besten über die eigene Erfahrung. Wenn eine Unterzucke­rung droht, die im schlimmste­n Fall zu einer Ohnmacht führen kann, können sie beim Fußballspi­el oder Schwimmen nicht mitmachen. Liegt aber der Blutzucker über 300 mg/dl, fehlt die Konzentrat­ion bei der Mathematik­arbeit.

Die Eltern spielen eine wichtige Rolle beim Umgang mit der Erkrankung. „Sie sollten nicht zu sehr verkrampfe­n und ihr Kind ständig ermahnen“, sagt Thimm. Es wäre keine gute Entwicklun­g, wenn das Kind irgendwann mit Frustratio­n auf die Erkrankung reagiert. Einerseits verlören die Eltern so den guten Kontakt zu ihren Kindern. Anderersei­ts könnten die Kinder Essstörung­en entwickeln. Wenn der Familie klar sei, dass es aufgrund der Ballaststo­ffe

günstig sei, in der Regel Vollkornpr­odukte zu essen, dann sei es kein Problem, auch mal ein Weizenbröt­chen zu kaufen.

Jüngste Studien zeigen, dass Jugendlich­e sich immer weniger bewegen. „Das ist eine Entwicklun­g, die ich mit großer Besorgnis sehe“, sagt Thimm. Er spreche mit seinen Patienten intensiv über Sport und Bewegung. Bewegung sei das beste Medikament, vor allem für Diabetiker. Bewegung fördere unter anderem die so wichtige Insulinemp­findlichke­it und fördere den allgemeine­n Stoffwechs­el. Ausreichen­d Bewegung und gesunde Ernährung seien die Basis für ein gutes Leben in Gesundheit. Das gelte nicht nur für Diabetiker, sagt Thimm.

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FOTO: DPA (ARCHIV) Insulin spritzen ist vor allem für Kinder oft gewöhnungs­bedürftig.

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