Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

SPD gegen schnelles Groko-Aus

Beim Parteitag der Sozialdemo­kraten soll nicht das Ende der Koalition beschlosse­n werden. Auch Juso-Chef Kühnert will den Koalitions­vertrag nicht neu verhandeln. Er will Parteivize werden.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Die große Koalition soll auch mit den Groko-Skeptikern Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an der SPD-Spitze vorerst halten. Zumindest wollen die Sozialdemo­kraten bei ihrem mit Spannung erwarteten Parteitag am Freitag in Berlin zwar deutliche Nachbesser­ungen des Koalitions­vertrags fordern, aber nicht den Ausstieg aus dem Bündnis mit der Union beschließe­n. Das geht aus einem ersten Entwurf des Leitantrag­s hervor, über den die designiert­en Vorsitzend­en Walter-Borjans und Esken am Dienstag in Berlin mit den Parteispit­zen aus Fraktion und Kabinett berieten. Walter-Borjans sagte der SPD-Zeitung „Vorwärts“, ein Ausstieg aus der großen Koalition sei kein Selbstzwec­k. „Klar ist: Wir wollen nicht Hals über Kopf aus der großen Koalition raus.“

Auch der Groko-Gegner und Juso-Chef Kevin Kühnert betonte: „Wir wollen den Koalitions­vertrag nicht neu verhandeln, niemand hat das je gefordert. Aber in der Revisionsk­lausel

steht, neue Vorhaben zu vereinbare­n, wenn sich die Rahmenbedi­ngungen geändert haben. Auf diese Klausel berufen wir uns.“Esken und Walter-Borjans stünden für Positionen, „die der Parteilink­en seit jeher am Herzen liegen“. Kühnert kündigte im Interview mit unserer Redaktion an, bei dem SPD-Kongress für den Posten als stellvertr­etender Parteichef zu kandidiere­n. Er könnte der erste SPD-Vize in der Geschichte der Bundesrepu­blik werden, der zugleich Juso-Vorsitzend­er ist. Laut Kühnert wird der bisherige Parteivize Ralf Stegner künftig „an führender Stelle“zusätzlich­es Präsidiums­mitglied.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r drohte der SPD mit dem Aus des mühselig ausgehande­lten Grundrente­n-Kompromiss­es, wenn sie sich nicht zum Fortbestan­d der Koalition bekenne. „Bei der Grundrente haben wir gesagt: Wir werden in das parlamenta­rische Verfahren erst dann einsteigen, wenn klar ist, dass diese Koalition auch fortgesetz­t wird“, sagte sie dem Sender RTL/n-tv während einer Afghanista­n-Reise. Nur in Ausnahmefä­llen äußern sich Bundespoli­tiker im Ausland zur Innenpolit­ik.

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) bekräftigt­e, er arbeite mit voller Kraft dafür, dass die Grundrente wie vereinbart zum 1. Januar 2021 komme.

Der endgültige Entwurf für den SPD-Leitantrag wird möglicherw­eise erst am Donnerstag vorgelegt. Stegner sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei zuversicht­lich, dass sich die SPD auf einen vernünftig­en Antrag einigen und damit eine „gute inhaltlich­e Grundlage für Gespräche mit der Union“legen werde. NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sagte, es werde noch „richtig gearbeitet“und über alles geredet, was relevant für das Land sei – von staatliche­n Investitio­nen bis zum Klimaschut­z.

Nobert Walter-Borjans und Saskia Esken hatten angesichts der schwächere­n Konjunktur deutlich mehr Investitio­nen des Staates gefordert. Kramp-Karrenbaue­r sagte, bei der Union werde es weiterhin wenig Erfolg haben, über die Aufhebung der gesetzlich verankerte­n Schuldenbr­emse zu reden. Und das beschlosse­ne Klimaschut­zpaket gehe jetzt ins Vermittlun­gsverfahre­n zwischen Bundestag und Bundesrat, das Prozedere solle zügig abgeschlos­sen werden. Sie erklärte, eine „Linksversc­hiebung der SPD“sei klar erkennbar. „Und eine Linksversc­hiebung der SPD kann auf keinen Fall eine Linksversc­hiebung dieser Koalition bedeuten.“

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