Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Starkes Ergebnis für neues SPD-Führungsdu­o

Die Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen die Partei nach links verschiebe­n, aber die große Koalition nicht verlassen.

- VON MARTIN KESSLER UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Erstmals in der Geschichte der deutschen Sozialdemo­kratie steht ein Duo an der Spitze der Partei. Die Baden-Württember­gerin Saskia Esken erhielt beim SPD-Bundespart­eitag in Berlin 75,9 Prozent der Stimmen. Der frühere NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans erreichte sogar 89,2 Prozent. Zu stellvertr­etenden Vorsitzend­en wählte der Parteitag Serpil Midyatli (79,8 Prozent), Klara Geywitz (76,8), Anke Rehlinger (74,8), Kevin Kühnert (70,4) und Hubertus Heil (70,0).

Esken und Walter-Borjans, die den Mitglieder­entscheid über den Parteivors­itz gewonnen hatten, hatten sich vor ihrer Wahl kämpferisc­h für einen Kurswechse­l starkgemac­ht. Esken forderte eine Rückbesinn­ung auf sozialdemo­kratische Werte. „Ich will, dass jeder Mensch von seiner Hände Arbeit leben kann“, erklärte sie unter dem Applaus der Delegierte­n. Esken verlangte von ihrer Partei einen „Pfad der Erneuerung“für den „Sozialstaa­t für das 21. Jahrhunder­t“. Sie sprach sich für eine Kindergrun­dsicherung und ein Recht auf Weiterbild­ung aus. Sie wolle aus der SPD eine Technologi­e-Partei machen, in der zwischen Digitalisi­erung und Arbeitnehm­errechten kein Widerspruc­h bestehe. „Die SPD muss der Betriebsra­t der digitalen Gesellscha­ft sein“, erklärte Esken. Sie forderte auch eine Untergrenz­e beim Mindestloh­n von zwölf Euro. Für diese Programmpu­nkte gebe es auch in der großen Koalition „eine realistisc­he Chance“.

In einer teils leidenscha­ftlichen Rede unterstric­h auch Walter-Borjans die Notwendigk­eit eines Kurswechse­ls. Für ihn sei die SPD die Heimat all jener, die sich für soziale Verbesseru­ngen, die Überwindun­g von Diskrimini­erung und das Gemeinwohl einsetzten. Zur Zukunft der großen Koalition äußerte sich der SPD-Chef nicht. Er verlangte aber weiterhin ein Fortschrit­ts- und Investitio­nsprogramm, das diesen Namen verdiene. „Die Schuldenbr­emse darf nicht zur Investitio­nsbremse werden“, rief Walter-Borjans den Delegierte­n zu. Er und Esken hatten sich im innerparte­ilichen Wahlkampf immer wieder als Kritiker der großen Koalition profiliert.

Der unterlegen­e Kandidat im Wettbewerb um den Parteivors­itz, Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, beglückwün­schte die beiden zur Wahl. Er verwies aber auch darauf, dass die große Koalition noch einige Pläne habe, aus seinem Bereich vor allem die Entlastung der hochversch­uldeten Kommunen. Die SPD-Linke Hilde Mattheis forderte den sofortigen Ausstieg aus der Koalition und die Unterstütz­ung für einen entspreche­nden Antrag, der am Abend allerdings abgelehnt wurde.

Der CDU-Wirtschaft­srat lehnte Kernforder­ungen des SPD-Parteitags wie den Wiedereins­tieg in die Neuverschu­ldung strikt ab und forderte die Union auf, hart zu bleiben. „Rote Linien müssen für die Union die schwarze Null und die Schuldenbr­emse sein“, sagte der Generalsek­retär des Wirtschaft­srats, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. Der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Ifo, Clemens Fuest, kritisiert­e die SPD-Forderunge­n nach mehr Staatsausg­aben und einem höheren Mindestloh­n ebenfalls. „Der Leitantrag sieht eine Flut von zusätzlich­en Staatsausg­aben und verschärft­en Regulierun­gen vor allem des Arbeitsmar­ktes vor“, sagte Fuest.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany