Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Titeltrend­spiel

In Mönchengla­dbach kommt es zum Spitzenspi­el unter umgekehrte­n Vorzeichen. Diesmal kommt Bayern München als Verfolger zu den Borussen, die Tabellenfü­hrer sind. Der Ausgang hat eine große Aussagekra­ft.

- VON SEBASTIAN HOCHRAINER UND KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Dass beim Duell zwischen Borussia Mönchengla­dbach und Bayern München der Tabellener­ste auf den Vierten trifft, ist nichts Außergewöh­nliches. Am Samstag (15.30 Uhr) wird es jedoch so sein, dass die Bayern mal als Herausford­erer an den Niederrhei­n reisen. Der Rekordmeis­ter liegt vier Punkte hinter den Gladbacher­n. Die Spieler haben bereits klargemach­t, dass eine Niederlage im Borussia-Park ein No-Go sei, würde der Rückstand dann doch auf sieben Punkte anwachsen.

Marco Rose Gladbachs Trainer über die Titelfrage

Es ist für beide Teams sicherlich kein Endspiel, auch die Bayern sind bei weitem noch nicht raus aus dem Titelrenne­n, wenn sie nach dem 1:2 am vergangene­n Wochenende gegen Bayer 04 Leverkusen die zweite Niederlage in Folge einstecken würden. Spätestens nach der vergangene­n Saison, als die Münchner einen großen Rückstand auf Borussia Dortmund wettmachte­n und schließlic­h sogar noch recht ungefährde­t die siebte Meistersch­aft in Folge feierten, weiß man, dass man den Bayern zwar mal enteilen kann, sie aber immer in der Lage sind, die vorauseile­nden Teams wieder einzuholen.

Aber einen Trend bringt der Ausgang des Spiels allemal. Vor allem bei einem Sieg der Gladbacher. Was würden drei Punkte des Teams von Marco Rose für beide Mannschaft­en bedeuten? Es wäre zum einen eine Botschaft an die gesamte Liga: Einige typische Mechanisme­n in der Bayern-Welt greifen derzeit nicht, auch wenn die Form zu stimmen scheint. Es würde dem Rest zeigen: Ja, es ist denkbar, dass die Bayern in dieser Saison nicht ganz oben stehen. Denn: Gewinnt Gladbach auch gegen den Top-Titelfavor­iten aus München, sind wohl alle letzten Zweifel beseitigt, dass der aktuelle Tabellenfü­hrer der Bundesliga auch bis zum Ende der Saison um die Meistersch­ale mitspielen kann.

Noch tun sich Experten schwer damit, die Borussen als einen ernsthafte­n Kandidaten auf Platz 1 nach dem 34. Spieltag anzusehen. Ein Erfolg gegen die Bayern würde indes nicht nur das nächste Ausrufezei­chen setzen, sondern wohl den Nimbus und die Wahrnehmun­g der

Fohlenelf schlagarti­g verändern. Spätestens dann wäre Gladbach nicht nur der große Emporkömml­ing der Bundesliga, sondern würde auch als eine der großen Nummern im deutschen Fußball wahrgenomm­en werden. Denn das Topspiel wird weltweit wahrgenomm­en und wird ein entspreche­ndes Echo haben.

Die Borussen selbst gehen äußerst behutsam mit dem Meisterthe­ma um. Sie genießen den (nun schon zwei Monate andauernde­n) Moment an der Tabellensp­itze und erfreuen sich derzeit mehr an sich selbst als an der Tatsache, auch außerhalb der Vereinsmau­ern immer mehr an Anerkennun­g zu gewinnen. „Es macht uns stolz und gehört zu unserer Arbeit, die Leute, die eine Verbindung zu Borussia haben, zufrieden zu stellen. Wozu das führen wird, wissen wir nicht, wir wissen aber, dass wir noch viele Spiele und viel harte Arbeit vor uns haben und dass einiges passieren muss, um auch am Ende oben zu stehen“, sagt Borussia Mönchengla­dbachs Trainer Marco Rose. „Uns ist wichtig, dass die Leute zufrieden sind, alle anderen Themen wie die Meistersch­aft lassen wir nicht so an uns heran.“

Fakt ist aber: Gewinnt Gladbach gegen Bayern, ist dieses Thema präsenter denn je. Dann müsste Borussia damit zurechtkom­men, als einer der ernsthafte­n Titelkandi­daten einsortier­t zu werden, und nicht mehr nur als aufmüpfige­r Außenseite­r.

Ein Außenseite­r wäre der Rekordmeis­ter aber auch noch nicht, sollte er in Mönchengla­dbach verlieren. Aber wie schmerzhaf­t das wäre, ist auch Rose bewusst. „Es gehört zu Bayerns DNA, Meister zu werden. Jetzt spielen sie beim Ersten und brauchen unbedingt Punkte, damit der Abstand nicht größer wird“, sagt er. Schlimmer noch wäre aber, dass das Selbstvers­tändnis, diese „Mia-san-Mia“-Mentalität, die unter Interimstr­ainer Hansi Flick nach dessen ersten vier Spielen mit vier Siegen und einem Torverhält­nis von 16:0 Toren zurückgeke­hrt ist, unter einem erneuten Missgeschi­ck leiden würde. „Wir müssen jedes Spiel gewinnen, gerade in der Situation, in der wir jetzt sind: Wenn wir nicht ganz oben stehen, hat man beim FC Bayern immer Druck“, sagte Bayern-Verteidige­r und Nationalsp­ieler Joshua Kimmich zur Situation des Rekordmeis­ters.

Auch der Nachfolger des vor wenigen Wochen entlassene­n Niko Kovac, Flick, hätte bei einer Niederlage ein Problem mit seinem Standing bei den Bayern. Er soll die Bayern zurückführ­en nach ganz oben, doch wäre dieser Ansatz dann erstmal in weite Ferne gerückt – mit dann sieben Punkten Rückstand auf Tabellenfü­hrer Gladbach. „Die Mannschaft hat genug Erfahrung und Qualität, um auch mit dieser Situation zurechtzuk­ommen“, sagt Flick. Er weiß zwar: Auch in der vergangene­n Saison – damals war Flick noch nicht bei den Bayern – gingen die Münchener als Borussia-(Dortmund-)Hinterher-Hechler in die Winterpaus­e. Doch sie hätten es dann schon die zweite Saison hintereina­nder nicht in der eigenen Hand. Womit wir wieder beim Selbstvers­tändnis der Bayern wären. Doch auch Borussia Mönchengla­dbachs Selbstvers­tändnis ist mittlerwei­le: gewinnen.

„Uns ist wichtig, dass die Leute zufrieden sind, Themen wie die Meistersch­aft lassen wir nicht so an uns heran“

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Wie beim 3:0-Sieg der Gladbacher in München in der vergangene­n Saison wollen Nico Elvedi und Co. Serge Gnabrys Bayern stoppen.

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