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Das Titeltrendspiel
In Mönchengladbach kommt es zum Spitzenspiel unter umgekehrten Vorzeichen. Diesmal kommt Bayern München als Verfolger zu den Borussen, die Tabellenführer sind. Der Ausgang hat eine große Aussagekraft.
MÖNCHENGLADBACH Dass beim Duell zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München der Tabellenerste auf den Vierten trifft, ist nichts Außergewöhnliches. Am Samstag (15.30 Uhr) wird es jedoch so sein, dass die Bayern mal als Herausforderer an den Niederrhein reisen. Der Rekordmeister liegt vier Punkte hinter den Gladbachern. Die Spieler haben bereits klargemacht, dass eine Niederlage im Borussia-Park ein No-Go sei, würde der Rückstand dann doch auf sieben Punkte anwachsen.
Marco Rose Gladbachs Trainer über die Titelfrage
Es ist für beide Teams sicherlich kein Endspiel, auch die Bayern sind bei weitem noch nicht raus aus dem Titelrennen, wenn sie nach dem 1:2 am vergangenen Wochenende gegen Bayer 04 Leverkusen die zweite Niederlage in Folge einstecken würden. Spätestens nach der vergangenen Saison, als die Münchner einen großen Rückstand auf Borussia Dortmund wettmachten und schließlich sogar noch recht ungefährdet die siebte Meisterschaft in Folge feierten, weiß man, dass man den Bayern zwar mal enteilen kann, sie aber immer in der Lage sind, die vorauseilenden Teams wieder einzuholen.
Aber einen Trend bringt der Ausgang des Spiels allemal. Vor allem bei einem Sieg der Gladbacher. Was würden drei Punkte des Teams von Marco Rose für beide Mannschaften bedeuten? Es wäre zum einen eine Botschaft an die gesamte Liga: Einige typische Mechanismen in der Bayern-Welt greifen derzeit nicht, auch wenn die Form zu stimmen scheint. Es würde dem Rest zeigen: Ja, es ist denkbar, dass die Bayern in dieser Saison nicht ganz oben stehen. Denn: Gewinnt Gladbach auch gegen den Top-Titelfavoriten aus München, sind wohl alle letzten Zweifel beseitigt, dass der aktuelle Tabellenführer der Bundesliga auch bis zum Ende der Saison um die Meisterschale mitspielen kann.
Noch tun sich Experten schwer damit, die Borussen als einen ernsthaften Kandidaten auf Platz 1 nach dem 34. Spieltag anzusehen. Ein Erfolg gegen die Bayern würde indes nicht nur das nächste Ausrufezeichen setzen, sondern wohl den Nimbus und die Wahrnehmung der
Fohlenelf schlagartig verändern. Spätestens dann wäre Gladbach nicht nur der große Emporkömmling der Bundesliga, sondern würde auch als eine der großen Nummern im deutschen Fußball wahrgenommen werden. Denn das Topspiel wird weltweit wahrgenommen und wird ein entsprechendes Echo haben.
Die Borussen selbst gehen äußerst behutsam mit dem Meisterthema um. Sie genießen den (nun schon zwei Monate andauernden) Moment an der Tabellenspitze und erfreuen sich derzeit mehr an sich selbst als an der Tatsache, auch außerhalb der Vereinsmauern immer mehr an Anerkennung zu gewinnen. „Es macht uns stolz und gehört zu unserer Arbeit, die Leute, die eine Verbindung zu Borussia haben, zufrieden zu stellen. Wozu das führen wird, wissen wir nicht, wir wissen aber, dass wir noch viele Spiele und viel harte Arbeit vor uns haben und dass einiges passieren muss, um auch am Ende oben zu stehen“, sagt Borussia Mönchengladbachs Trainer Marco Rose. „Uns ist wichtig, dass die Leute zufrieden sind, alle anderen Themen wie die Meisterschaft lassen wir nicht so an uns heran.“
Fakt ist aber: Gewinnt Gladbach gegen Bayern, ist dieses Thema präsenter denn je. Dann müsste Borussia damit zurechtkommen, als einer der ernsthaften Titelkandidaten einsortiert zu werden, und nicht mehr nur als aufmüpfiger Außenseiter.
Ein Außenseiter wäre der Rekordmeister aber auch noch nicht, sollte er in Mönchengladbach verlieren. Aber wie schmerzhaft das wäre, ist auch Rose bewusst. „Es gehört zu Bayerns DNA, Meister zu werden. Jetzt spielen sie beim Ersten und brauchen unbedingt Punkte, damit der Abstand nicht größer wird“, sagt er. Schlimmer noch wäre aber, dass das Selbstverständnis, diese „Mia-san-Mia“-Mentalität, die unter Interimstrainer Hansi Flick nach dessen ersten vier Spielen mit vier Siegen und einem Torverhältnis von 16:0 Toren zurückgekehrt ist, unter einem erneuten Missgeschick leiden würde. „Wir müssen jedes Spiel gewinnen, gerade in der Situation, in der wir jetzt sind: Wenn wir nicht ganz oben stehen, hat man beim FC Bayern immer Druck“, sagte Bayern-Verteidiger und Nationalspieler Joshua Kimmich zur Situation des Rekordmeisters.
Auch der Nachfolger des vor wenigen Wochen entlassenen Niko Kovac, Flick, hätte bei einer Niederlage ein Problem mit seinem Standing bei den Bayern. Er soll die Bayern zurückführen nach ganz oben, doch wäre dieser Ansatz dann erstmal in weite Ferne gerückt – mit dann sieben Punkten Rückstand auf Tabellenführer Gladbach. „Die Mannschaft hat genug Erfahrung und Qualität, um auch mit dieser Situation zurechtzukommen“, sagt Flick. Er weiß zwar: Auch in der vergangenen Saison – damals war Flick noch nicht bei den Bayern – gingen die Münchener als Borussia-(Dortmund-)Hinterher-Hechler in die Winterpause. Doch sie hätten es dann schon die zweite Saison hintereinander nicht in der eigenen Hand. Womit wir wieder beim Selbstverständnis der Bayern wären. Doch auch Borussia Mönchengladbachs Selbstverständnis ist mittlerweile: gewinnen.
„Uns ist wichtig, dass die Leute zufrieden sind, Themen wie die Meisterschaft lassen wir nicht so an uns heran“