Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Reiter tüfteln am Turnier der Zukunft
Ein einzelnes Turnier kann die verschiedenen Wünsche von Einsteigern, ländlichen Amateuren und Springreitprofis längst nicht mehr bedienen. Die Lösung soll in Nischen-Veranstaltungen liegen. Und im Lernen vom Ausland.
WARENDORF Alles ist schon fertig geschmückt. Tags drauf soll hier schließlich gefeiert werden. Championatsball. Doch heute wird erstmal diskutiert in der beheizten Springhalle am Verbandssitz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf. Rund 250 sind hier. Reiter, Verbandsobere, vor allem aber Vertreter ländlicher Vereine. Sie alle wollen an diesem Tag die Unsicherheit in einer Frage reduzieren: Wie soll das Reitturnier der Zukunft aussehen – oder besser: Wie muss ein Turnier künftig aussehen, damit es künftig noch Turniere gibt? Dass es so wie bisher nicht wirklich weitergehen kann, darüber sind sich alle einig. Schließlich murren ja alle. Amateurreiter, Profis, Turnierveranstalter, Vereine, Sponsoren. Klar ist: Ein einzelnes Turnier kann die verschiedenen Wünsche längst nicht mehr bedienen.
Die Baustellen, die man angehen will, angehen muss, werden hier in der Reithalle dann auch klar seziert.
Überholte Ausschreibungen Der Vorwurf an viele Turnierveranstalter lautet: Die Ausschreibungen sind veraltet und kompliziert. Jedes Jahr dasselbe. Dabei gebe die Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) mehr Flexibilität her als allgemein gedacht, sagt Friedrich Otto-Erley, Leiter der FN-Abteilung Turniersport. Diese Möglichkeiten gelte es auszuschöpfen. Nicht nur, aber eben auch mit einem Late-Entry-Turnier mit verkürztem Nennungsschluss. „Wir sollten der Freiheit eine Gasse lassen“, sagt Otto-Erley.
Nennungsschluss Am Nennungsschluss scheiden sich die Geister. In Deutschland liegt er in der Regel drei Wochen vor einem Turnier. Alles, was ein Reiter später nachmeldet, kostet extra. „Das geht ins
Geld“, sagt Profireiter Holger Wulschner. Und es nehme den Ausbildungsställen die Flexibilität, was die Starts von jungen Pferden angeht. Veranstalter dagegen bauen auf den Nennungsschluss, weil er Planungssicherheit bietet. „Ein Tickchen mehr Flexibilität“wünscht sich dann auch Profireiter Andreas Kreuzer. Er weicht wie viele seiner Profikollegen deswegen immer häufiger ins benachbarte Ausland aus.
Konkurrenz aus dem Ausland Im grenznahen Ausland, in Holland,
Belgien, Österreich, da sei alles unkomplizierter, heißt es schon länger im Reitsport. Ein Turniersportzentrum wie das im niederländischen Peelbergen boomt – dank Investoren, aber auch dank vieler deutscher Reiter, die dort melden. Er schicke da zwei Tage vorher eine E-Mail hin, mit welchen Pferden er komme – fertig, sagt Kreuzer. Und Vielseitigkeitsreiterin Miriam Bray aus dem bayerischen Mailham sagt: „Es wird mehr geritten denn je. Nur in Österreich, nicht mehr in Bayern.“Im dortigen Ranshofen wird der Zeitplan
erst am Vorabend des Turniers festgelegt. Vorher zahlt der Reiter nur einen Fixbetrag, am Ende werden seine Starts genau abgerechnet. „Wir zahlen, was wir reiten“, sagt Bray.
In Goch probierte sich Landestrainer Holger Hetzel Ende August an einem Pilotturnier. Die Neuerungen: Die Startreihenfolge der Pferde konnte vom Reiter festgelegt werden, nach der Prüfung waren Ritte zu Ausbildungszwecken möglich, Nachnennungen bis 20 Uhr des Vortages, Nachnenngebühren trug der
Veranstalter, Siegerehrungen ohne Pferd, dafür bis zum zwölften Reiter. Das Feedback? Durchweg positiv.
Startgebühren „Ich finde, die Starts in Deutschland müssen teurer werden“, sagt Bray. In dem Punkt treffen dann auch Reiter und Veranstalter zusammen. Denn Reiter wollen Qualität auf einem Turnier, und Veranstalter wollen sich Qualität auch leisten können. „Wenn man gut ist, kann man auch mehr verlangen“, sagt Jürgen Petershagen, Turnierveranstalter aus Südlohn im Münsterland. Ein Turnier muss sich eben rechnen, es ist kein Luxus mehr, den sich ein Verein gönnt.
Zielgruppen Das eine Turnier der Zukunft wird es nicht geben, darin bestand gewisse Einigkeit in Warendorf. Stattdessen muss jeder Veranstalter seine Nische finden. Ob die nun in den Profireitern unter der Woche liegt (Arbeitsturnier) oder im familiären Eventturnier für Amateure am Wochenende. A- und L-Prüfungen schmücken nicht so wie M- oder S-Springen, bringen aber vielleicht mehr Nennungen und damit Geld. Fakt ist in jedem Fall: Nur noch jeder dritte der 7364 in der FN organisierten Vereine richtet überhaupt noch ein Turnier aus. Ein „Weiter so“ist also keine Option.