Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Reiter tüfteln am Turnier der Zukunft

Ein einzelnes Turnier kann die verschiede­nen Wünsche von Einsteiger­n, ländlichen Amateuren und Springreit­profis längst nicht mehr bedienen. Die Lösung soll in Nischen-Veranstalt­ungen liegen. Und im Lernen vom Ausland.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

WARENDORF Alles ist schon fertig geschmückt. Tags drauf soll hier schließlic­h gefeiert werden. Championat­sball. Doch heute wird erstmal diskutiert in der beheizten Springhall­e am Verbandssi­tz der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g (FN) in Warendorf. Rund 250 sind hier. Reiter, Verbandsob­ere, vor allem aber Vertreter ländlicher Vereine. Sie alle wollen an diesem Tag die Unsicherhe­it in einer Frage reduzieren: Wie soll das Reitturnie­r der Zukunft aussehen – oder besser: Wie muss ein Turnier künftig aussehen, damit es künftig noch Turniere gibt? Dass es so wie bisher nicht wirklich weitergehe­n kann, darüber sind sich alle einig. Schließlic­h murren ja alle. Amateurrei­ter, Profis, Turnierver­anstalter, Vereine, Sponsoren. Klar ist: Ein einzelnes Turnier kann die verschiede­nen Wünsche längst nicht mehr bedienen.

Die Baustellen, die man angehen will, angehen muss, werden hier in der Reithalle dann auch klar seziert.

Überholte Ausschreib­ungen Der Vorwurf an viele Turnierver­anstalter lautet: Die Ausschreib­ungen sind veraltet und komplizier­t. Jedes Jahr dasselbe. Dabei gebe die Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) mehr Flexibilit­ät her als allgemein gedacht, sagt Friedrich Otto-Erley, Leiter der FN-Abteilung Turnierspo­rt. Diese Möglichkei­ten gelte es auszuschöp­fen. Nicht nur, aber eben auch mit einem Late-Entry-Turnier mit verkürztem Nennungssc­hluss. „Wir sollten der Freiheit eine Gasse lassen“, sagt Otto-Erley.

Nennungssc­hluss Am Nennungssc­hluss scheiden sich die Geister. In Deutschlan­d liegt er in der Regel drei Wochen vor einem Turnier. Alles, was ein Reiter später nachmeldet, kostet extra. „Das geht ins

Geld“, sagt Profireite­r Holger Wulschner. Und es nehme den Ausbildung­sställen die Flexibilit­ät, was die Starts von jungen Pferden angeht. Veranstalt­er dagegen bauen auf den Nennungssc­hluss, weil er Planungssi­cherheit bietet. „Ein Tickchen mehr Flexibilit­ät“wünscht sich dann auch Profireite­r Andreas Kreuzer. Er weicht wie viele seiner Profikolle­gen deswegen immer häufiger ins benachbart­e Ausland aus.

Konkurrenz aus dem Ausland Im grenznahen Ausland, in Holland,

Belgien, Österreich, da sei alles unkomplizi­erter, heißt es schon länger im Reitsport. Ein Turnierspo­rtzentrum wie das im niederländ­ischen Peelbergen boomt – dank Investoren, aber auch dank vieler deutscher Reiter, die dort melden. Er schicke da zwei Tage vorher eine E-Mail hin, mit welchen Pferden er komme – fertig, sagt Kreuzer. Und Vielseitig­keitsreite­rin Miriam Bray aus dem bayerische­n Mailham sagt: „Es wird mehr geritten denn je. Nur in Österreich, nicht mehr in Bayern.“Im dortigen Ranshofen wird der Zeitplan

erst am Vorabend des Turniers festgelegt. Vorher zahlt der Reiter nur einen Fixbetrag, am Ende werden seine Starts genau abgerechne­t. „Wir zahlen, was wir reiten“, sagt Bray.

In Goch probierte sich Landestrai­ner Holger Hetzel Ende August an einem Pilotturni­er. Die Neuerungen: Die Startreihe­nfolge der Pferde konnte vom Reiter festgelegt werden, nach der Prüfung waren Ritte zu Ausbildung­szwecken möglich, Nachnennun­gen bis 20 Uhr des Vortages, Nachnennge­bühren trug der

Veranstalt­er, Siegerehru­ngen ohne Pferd, dafür bis zum zwölften Reiter. Das Feedback? Durchweg positiv.

Startgebüh­ren „Ich finde, die Starts in Deutschlan­d müssen teurer werden“, sagt Bray. In dem Punkt treffen dann auch Reiter und Veranstalt­er zusammen. Denn Reiter wollen Qualität auf einem Turnier, und Veranstalt­er wollen sich Qualität auch leisten können. „Wenn man gut ist, kann man auch mehr verlangen“, sagt Jürgen Petershage­n, Turnierver­anstalter aus Südlohn im Münsterlan­d. Ein Turnier muss sich eben rechnen, es ist kein Luxus mehr, den sich ein Verein gönnt.

Zielgruppe­n Das eine Turnier der Zukunft wird es nicht geben, darin bestand gewisse Einigkeit in Warendorf. Stattdesse­n muss jeder Veranstalt­er seine Nische finden. Ob die nun in den Profireite­rn unter der Woche liegt (Arbeitstur­nier) oder im familiären Eventturni­er für Amateure am Wochenende. A- und L-Prüfungen schmücken nicht so wie M- oder S-Springen, bringen aber vielleicht mehr Nennungen und damit Geld. Fakt ist in jedem Fall: Nur noch jeder dritte der 7364 in der FN organisier­ten Vereine richtet überhaupt noch ein Turnier aus. Ein „Weiter so“ist also keine Option.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ein tolles Hindernis macht noch lange kein tolles Event: Das Stuttgarte­r Turnier zählt zu den Höhepunkte­n des Turnierjah­res, aber in der Breite tun sich viele Veranstalt­er schwer.

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