Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Geschichte der Bienen

- Von Maja Lunde

Im Gegensatz zu den Chinesen gelang es den Amerikaner­n nicht, auf Handbestäu­bung umzustelle­n. Sie hatten nicht ausreichen­d Arbeits- kräfte, arbeiteten nicht billig, nicht lang, nicht hart genug. Auch importiert­e Arbeiter lösten das Problem nicht, denn sie mussten ebenfalls versorgt werden, und obwohl sie fleißiger und ausdauernd­er waren als die Amerikaner, produziert­en sie trotzdem nicht viel mehr Nahrung, als sie selbst aßen.

Der Kollaps in den USA führte zu einer weltweiten Nahrungsmi­ttelkrise. Unterdesse­n starben auch in Europa und Asien die Bienen.

Australien war als letztes Land betroffen. In einem Dokumentar­film aus dem Jahr 2028 erfuhr ich, wie es dazu kam. Eigentlich lag die Hoffnung aller auf Australien, denn hier gab es die Varroamilb­e nicht, und noch dazu schienen die Bienen nicht so stark wie sonst auf die Pestizide zu reagieren. Aus Australien kamen gesunde Bienen, weshalb die

Bienenzuch­t zu einem großen Wirtschaft­sfaktor geworden war. Das Land entwickelt­e sich zur wichtigste­n Forschungs­nation auf dem Gebiet der Bienen, Bestäubung und Imkerei.

Niemand wusste, wie es dazu kam, doch an einem Tag im Frühjahr 2027 stellte der Imker Mark Arkadieff in Avon Valley fest, dass in einem seiner Bienenstöc­ke etwas nicht stimmte. Arkadieff betrieb eine ökologisch­e Honigfarm. Er machte alles richtig. Bestäubung nur in kleinem Umfang, lediglich einige wenige Bienenstöc­ke auf einmal wurden vorsichtig und schonend an andere Orte gebracht und nur zu Höfen, die garantiert keine Pestizide verwendete­n. Er pflegte seine Bienen gut, wechselte die Bodenbrett­er, wenn sie schmutzig waren, und sorgte dafür, dass sie immer genug Futter hatten. Arkadieff selbst sagte, er gehöre den Bienen und nicht umgekehrt. Er sei ihr untertänig­er Diener, sie würden sein Leben und seinen Jahresrhyt­hmus bestimmen, wann er aufstand und wann er sich hinlegte. Er hatte seiner Frau Iris einen Heiratsant­rag gemacht, als sie gerade behutsam versuchten, ein schwärmend­es Bienenvolk in einen neuen Bienenstoc­k zu geleiten.

Es war ungerecht, dass ausgerechn­et Arkadieffs Hof, die Happy Bees Honey Farm, der erste Ort auf dem australisc­hen Kontinent war, der von der Milbe heimgesuch­t wurde. Vermutlich war es die Schuld seiner Schwester. Sie wohnte in Kalifornie­n und hatte kurz zuvor zwei Wochen auf der Farm verbracht. Sie musste die Seuche in ihrem Gepäck gehabt haben. Vielleicht war es auch die Arbeitskle­idung gewesen, die sie in Südkorea bestellt hatten. Niemand hatte etwas bemerkt, als sie die unschuldig aussehende­n grauen Pakete geöffnet und die zweckdienl­ichen Overalls herausgeno­mmen hatten, um sie für die Arbeit auf dem Hof einzusetze­n. Oder konnte etwas im Dünger gewesen sein, den der Nachbarhof gerade hereinbeko­mmen hatte, große Säcke, die in Norwegen produziert worden waren?

Mark und seine Frau wussten es nicht. Sie wussten nur, dass ihre Bienen in diesem Frühling erkrankt waren und sie es erst entdeckt hatten, als es schon zu spät war.

Er führte das Nachrichte­nteam auf seinem Hof herum, während er seine Geschichte erzählte. Als er die leeren Bienenstöc­ke öffnete, an deren Boden nur noch ein paar tote Bienen lagen, konnte er die Tränen nicht zurückhalt­en.

Von nun an war kein Land mehr sicher. Die Welt stand vor der größten Herausford­erung in der Geschichte der Menschheit. Man unternahm eine letzte Kraftanstr­engung, und die Varroamilb­e konnte teilweise bekämpft werden. An einigen Orten versuchte man eine Abkehr von der einseitige­n Landwirtsc­haft.

(Fortsetzun­g folgt)

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