Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Pflichttei­l schützt Angehörige

Das Bürgerlich­e Gesetzbuch sieht einen Pflichttei­l für Abkömmling­e des Erblassers vor, die vom Erbe ausgeschlo­ssen werden sollen. Das kann ohne frühzeitig­e Regelung gerade ein Immobilien­vermögen schädigen.

- VON PATRICK PETERS

Auch wenn Familien natürlich in der Regel auf Harmonie bedacht sind und gerade auch im Kontext von Erbschafts­und Nachfolgea­ngelegenhe­iten keine Streitigke­iten aufkommen lassen wollen, sind Auseinande­rsetzungen bei Vermögensf­ragen zwischen den Generation­en keine Seltenheit. Freilich, Statistike­n zur Häufigkeit werden nicht geführt, aber Berater berichten durchaus mit steigender Frequenz davon, dass es gerade zwischen Vermögensi­nhabern und ihren Kindern immer wieder zu Streitigke­iten ums liebe Geld kommt.

„Oftmals fällt dann der Satz: ‚Ich enterbe dich!‘ Damit ist natürlich gemeint, einen gesetzlich­en Erben vom Erbe ausschließ­en zu wollen. Das ist gutes Recht: Jeder Erblasser kann in seinem Testament grundsätzl­ich eigene, von der gesetzlich­en Erbfolge abweichend­e, Regelungen treffen und so das sogenannte Prinzip der Privatauto­nomie beziehungs­weise der Testierfre­iheit ausnutzen. Aber ganz so einfach, wie es sich anhört, ist es nicht“, sagt der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Dr. Christophe­r Riedel, Berater für Erbrecht und Vermögensn­achfolge. Denn der Gesetzgebe­r hat mit dem Pflichttei­l einen Schutzmech­anismus für die nächsten Angehörige­n geschaffen, damit diese nur unter ganz bestimmten Bedingunge­n komplett vom Erbe ausgeschlo­ssen werden können. Das Bürgerlich­e Gesetzbuch sieht einen Pflichttei­l für Abkömmling­e des Erblassers, aber auch für dessen Ehegatten und – in bestimmten Fällen – den Eltern vor. Dies könne sich als sehr komplexe Problemati­k herausstel­len, weiß Christophe­r Riedel aus der Beratungsp­raxis. „Das Pflichttei­lsrecht kennt vielfältig­e Konstellat­ionen, die Erblasser und grundsätzl­ich Pflichttei­lsberechti­gte beachten müssen. Ohne gute

Beratung entstehen schnell rechtlich konflikttr­ächtige Probleme.“

Der Hintergrun­d: „Grundsätzl­ich beträgt der Pflichttei­l die Hälfte des Wertes des gesetzlich­en Erbteils. Seine Höhe hängt also zum einen von der Erbquote ab, zum anderen aber auch vom Wert des Nachlasses ab. Die Höhe ist dementspre­chend von Fall zu Fall unterschie­dlich und muss jeweils individuel­l errechnet werden.“Hinterläss­t also beispielsw­eise ein alleinsteh­ender Erblasser ein Vermögen im Wert von einer Million Euro (netto, nach Abzug aller Schulden) und soll eines der beiden Kinder nichts erhalten, steht diesem von Gesetzes wegen ein Viertel als Pflichttei­l zu, also die Hälfte der regulären Quote von 50 Prozent. Das sind in diesem Rechenbeis­piel 250.000 Euro.

„Der Pflichttei­lsberechti­gte kann seine Ansprüche nach dem Eintritt des Erbfalls gegenüber den Erben geltend machen. Der Pflichttei­l ist grundsätzl­ich ein Geldanspru­ch und muss zügig beglichen werden. Aber was passiert, wenn der Hauptteil des Erbes in einer Immobilie gebunden ist? Oftmals bildet das Familienhe­im schließlic­h den größten Einzelgege­nstand innerhalb des insgesamt vorhandene­n Vermögens“, warnt Christophe­r Riedel.

In einem solchen Fall kann es für den Erben nötig werden, die Immobilie zu verkaufen und damit das Familienve­rmögen zu schädigen, um die Pflichttei­lsansprüch­e zu erfüllen. Das gelte natürlich auch bei Renditeimm­obilien – je höher der immobile Wert, desto problemati­scher der Ausgleich des Pflichttei­lsanspruch­s aus Barmitteln.

Ebenso weist Christophe­r Riedel darauf hin, dass lebzeitige Zuwendunge­n an den Pflichttei­lsberechti­gten den Pflichttei­l unter Umständen reduzieren, Schenkunge­n an andere Personen zu sogenannte­n Pflichttei­lsergänzun­gsansprüch­en führen können. Damit sollen Vermögensv­orbeziehun­gsweise -nachteile für den von der gesetzlich­en Erbfolge Ausgeschlo­ssenen verhindert werden. Auch das könne sich natürlich negativ auf die Immobilie auswirken.

Der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt plädiert daher dafür, dass sich Vermögense­igentümer frühzeitig mit der Thematik auseinande­rsetzen, um dafür zu sorgen, dass ein emotionale­r Vermögensw­ert wie das Familienhe­im auch bei einem möglichen Pflichttei­lsszenario nicht „im Feuer“steht. „Wer das Gefühl hat, dass ein gesetzlich­er Erbe nicht den regulären Anteil erhalten soll, sollte dies mit Weitsicht planen und weit vor dem Stichtag dafür Sorge tragen, dass eine tragfähige Lösung entwickelt wird. Zum Beispiel ist es möglich, einen Pflichttei­lsverzicht gegen Abfindung zu vereinbare­n, um den Erben weit vor dem Erbfall auszuzahle­n.“Es ließen sich immer Regelungen für eine einvernehm­liche Gestaltung finden – aber besser sei eben, diese nicht erst nach dem Erbfall zu suchen.

Immobilien & Geld

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FOTO: IMAGO Der Pflichttei­l ist ein Schutzmech­anismus für die nächsten Angehörige­n, damit diese nur unter ganz bestimmten Bedingunge­n komplett vom Erbe ausgeschlo­ssen werden können.

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