Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Pflichtteil schützt Angehörige
Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht einen Pflichtteil für Abkömmlinge des Erblassers vor, die vom Erbe ausgeschlossen werden sollen. Das kann ohne frühzeitige Regelung gerade ein Immobilienvermögen schädigen.
Auch wenn Familien natürlich in der Regel auf Harmonie bedacht sind und gerade auch im Kontext von Erbschaftsund Nachfolgeangelegenheiten keine Streitigkeiten aufkommen lassen wollen, sind Auseinandersetzungen bei Vermögensfragen zwischen den Generationen keine Seltenheit. Freilich, Statistiken zur Häufigkeit werden nicht geführt, aber Berater berichten durchaus mit steigender Frequenz davon, dass es gerade zwischen Vermögensinhabern und ihren Kindern immer wieder zu Streitigkeiten ums liebe Geld kommt.
„Oftmals fällt dann der Satz: ‚Ich enterbe dich!‘ Damit ist natürlich gemeint, einen gesetzlichen Erben vom Erbe ausschließen zu wollen. Das ist gutes Recht: Jeder Erblasser kann in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen und so das sogenannte Prinzip der Privatautonomie beziehungsweise der Testierfreiheit ausnutzen. Aber ganz so einfach, wie es sich anhört, ist es nicht“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Christopher Riedel, Berater für Erbrecht und Vermögensnachfolge. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Pflichtteil einen Schutzmechanismus für die nächsten Angehörigen geschaffen, damit diese nur unter ganz bestimmten Bedingungen komplett vom Erbe ausgeschlossen werden können. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht einen Pflichtteil für Abkömmlinge des Erblassers, aber auch für dessen Ehegatten und – in bestimmten Fällen – den Eltern vor. Dies könne sich als sehr komplexe Problematik herausstellen, weiß Christopher Riedel aus der Beratungspraxis. „Das Pflichtteilsrecht kennt vielfältige Konstellationen, die Erblasser und grundsätzlich Pflichtteilsberechtigte beachten müssen. Ohne gute
Beratung entstehen schnell rechtlich konfliktträchtige Probleme.“
Der Hintergrund: „Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Seine Höhe hängt also zum einen von der Erbquote ab, zum anderen aber auch vom Wert des Nachlasses ab. Die Höhe ist dementsprechend von Fall zu Fall unterschiedlich und muss jeweils individuell errechnet werden.“Hinterlässt also beispielsweise ein alleinstehender Erblasser ein Vermögen im Wert von einer Million Euro (netto, nach Abzug aller Schulden) und soll eines der beiden Kinder nichts erhalten, steht diesem von Gesetzes wegen ein Viertel als Pflichtteil zu, also die Hälfte der regulären Quote von 50 Prozent. Das sind in diesem Rechenbeispiel 250.000 Euro.
„Der Pflichtteilsberechtigte kann seine Ansprüche nach dem Eintritt des Erbfalls gegenüber den Erben geltend machen. Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Geldanspruch und muss zügig beglichen werden. Aber was passiert, wenn der Hauptteil des Erbes in einer Immobilie gebunden ist? Oftmals bildet das Familienheim schließlich den größten Einzelgegenstand innerhalb des insgesamt vorhandenen Vermögens“, warnt Christopher Riedel.
In einem solchen Fall kann es für den Erben nötig werden, die Immobilie zu verkaufen und damit das Familienvermögen zu schädigen, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Das gelte natürlich auch bei Renditeimmobilien – je höher der immobile Wert, desto problematischer der Ausgleich des Pflichtteilsanspruchs aus Barmitteln.
Ebenso weist Christopher Riedel darauf hin, dass lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil unter Umständen reduzieren, Schenkungen an andere Personen zu sogenannten Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen können. Damit sollen Vermögensvorbeziehungsweise -nachteile für den von der gesetzlichen Erbfolge Ausgeschlossenen verhindert werden. Auch das könne sich natürlich negativ auf die Immobilie auswirken.
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt plädiert daher dafür, dass sich Vermögenseigentümer frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen, um dafür zu sorgen, dass ein emotionaler Vermögenswert wie das Familienheim auch bei einem möglichen Pflichtteilsszenario nicht „im Feuer“steht. „Wer das Gefühl hat, dass ein gesetzlicher Erbe nicht den regulären Anteil erhalten soll, sollte dies mit Weitsicht planen und weit vor dem Stichtag dafür Sorge tragen, dass eine tragfähige Lösung entwickelt wird. Zum Beispiel ist es möglich, einen Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung zu vereinbaren, um den Erben weit vor dem Erbfall auszuzahlen.“Es ließen sich immer Regelungen für eine einvernehmliche Gestaltung finden – aber besser sei eben, diese nicht erst nach dem Erbfall zu suchen.
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