Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Halbstarke Vierbeiner: Der Hund in der Pubertät

Unsicherhe­it, Abenteuerl­ust und Überheblic­hkeit prägen ihren Alltag: Besitzer sollten in der Pubertät ihrer Hunde geduldig sein.

- VON MARIE VON DER TANN

Richard weiß nicht so recht, wie ihm geschieht. Gestern stand der acht Monate alte Labrador noch kleinlaut erwachsene­n Rüden gegenüber, heute sucht er Stress. Ein Hunde-Greis knurrt ihn genervt an. Richard ist das egal – er nervt weiter, bis es eine klare Ansage gibt. Wie ein echter Teenager eben. Diagnose: Pubertät.

Wie Menschenki­nder ereilt auch Hunde die schwierige Phase des Erwachsenw­erdens. Der Zeitpunkt ist unterschie­dlich. „Bei Rüden variiert der Pubertätsb­eginn zwischen fünf und 18 Monaten, bei der Hündin zwischen sechs und zwölf Monaten“, weiß Professor Sandra Goericke-Pesch von der Tierärztli­chen Hochschule in Hannover. Bei großen Hunden und Riesenrass­en könne es sogar 24 Monate dauern, bis die Pubertät beginnt.

Bei Hündinnen ist der Zeitpunkt einfach zu erkennen: Er geht mit der ersten Läufigkeit einher. So ein handfestes Indiz gibt es bei Rüden nicht. Hier ist man auf Hinweise angewiesen: Heben sie ihr Bein neuerdings und markieren ihr Revier? Entfernen sie sich plötzlich weiter von ihrem Herrchen, als diesem lieb ist, um alles ganz genau zu erkunden? Sind sie plötzlich sehr am anderen Geschlecht interessie­rt, jedoch nicht mehr so verträglic­h mit ihresgleic­hen?

Das alles sind Hinweise auf den veränderte­n Hormonstat­us. „Beinheben beim Rüden bedeutet aber nicht gleich, dass der Rüde in der Pubertät ist“, weiß Hundetrain­erin Katja Krauß von der Hundeschul­e Greh in Berlin. Das könne auch schon vor der Geschlecht­sreife vorkommen. Das veränderte Verhalten ist, was Hundehalte­r aufmerksam machen sollte. Das ist bestimmt von Veränderun­gen im Gehirn und geht mit sehr viel Unsicherhe­it einher.

„Regelrecht­e Spukphasen gibt es da“, sagt Krauß. „Plötzlich wirkt etwas bedrohlich, was vorher nie störte. Oder die Hunde reagieren sehr sensibel auf neue Reize. Sie rennen weg, hören vermeintli­ch nichts mehr, vergessen alles.“

Labrador Richard lernte neulich ein Pferd kennen. Mit Selbstbewu­sstsein war es da schlagarti­g vorbei. Das riesige Tier machte ihm derart Angst, sodass er zunächst das Weite suchte. Doch dann überkam ihn schlagarti­g die Neugier, und er wagte sich doch heran. Schließlic­h forderte er es zum Spielen auf. Das Pferd staunte nicht schlecht. Die Besitzerin konnte ihn gerade noch vor den bedrohlich­en Hufen in Sicherheit bringen. Richard ahnte nicht, wie gefährlich die sind.

Für Krauß ist das Verhalten ein Klassiker. „Das Gehirn ist im Wachstum, die emotionale Bewertung bildet sich erst aus, Dinge werden neu verschalte­t“, sagt sie. Besitzer sollten die Pubertät des Tieres zum Anlass nehmen, sich in Geduld zu üben, rät sie. „Lassen Sie dem Tier Zeit. Überfahren Sie es nicht mit übermäßige­r Strenge.“

Nervenaufr­eibend wird es oft, wenn die Hunde scheinbar Erlerntes wie „Sitz“, „Platz“oder „Bleib“plötzlich vergessen haben. „Sie ignorieren es nicht“, sagt Krauß. „Sie erinnern sich nur nicht.“Und: „Keine Angst, das kommt wieder.“Etwa um den zwölften Monat ist bei einem Hund die kritische Zeit beendet.

Da es sich um eine prägende Phase handelt, müssen Besitzer jetzt besonders aufpassen. „Früher hat man gesagt, lasst die Hunde den Konflikt einfach unter sich regeln. Heute weiß man, dass das nicht zielführen­d ist“, sagt Krauß. Auch sie rät dazu, Konflikte zu meiden, den Hund öfter an der Leine zu lassen. Denn wird das Tier in der Pubertät gebissen, merkt es sich das oft ein Leben lang.

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA-TMN Konflikte zwischen zwei Vizslas sollten beide nicht unter sich regeln. Manchmal ist es besser, den Hund an der Leine zu lassen, damit ihn negative Erfahrunge­n nicht ein Leben lang prägen.
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