Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Borussia will zurück in die Zukunft
Beim 2:1 von Borussia Mönchengladbach gegen die Münchner ist Ramy Bensebaini mit zwei Toren der Mann des Tages. Wer ist der Linksverteidiger, der die Meisterträume beim Bundesliga-Spitzenreiter weiter wachsen lässt?
Nach dem 2:1 gegen den FC Bayern durch einen Doppelpack von Ramy Bensebaini (rechts) wächst in Mönchengladbach der Glaube an die erste Deutsche Meisterschaft seit 1977 (im Bild links: Allan Simonsen).
MÖNCHENGLADBACH Es schien, als sei Ramy Bensebaini der Einzige im ausverkauften Borussia-Park, den die Situation kalt ließ. So stand er völlig unaufgeregt, geradezu entspannt sogar, in der Nachspielzeit des Bundesliga-Spitzenspiels zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München einige Schritte vom Ball entfernt, der auf dem Elfmeterpunkt lag. Dann lief er an, verzögerte kurz und schoss die Kugel technisch perfekt mit seinem linken Fuß ins von ihm aus rechte Eck, ließ Bayern-Keeper Manuel Neuer keine Chance. Danach ging Bensebaini Richtung Nordkurve des Stadions, wo die Gladbacher Fans sich im Freudentaumel jubelnd in den Armen lagen. Seine Haltung aufrecht, sein Blick eine Mischung aus Stolz und Freude, keine hastigen Bewegungen. Diese Momente beschreiben den Algerier, der die Meisterträume der Gladbacher auf die nächste Stufe hievte.
Wenn man im Klub nach ihm fragt, ist die häufigste Bezeichnung, mit der der im Sommer für acht Millionen Euro vom französischen Erstligisten Stade Rennes verpflichtete Linksverteidiger umschrieben wird: „ein feiner Kerl“. Bensebaini ist höflich, grüßt jeden, gibt sich Mühe, die sprachliche Barriere – er spricht Französisch und etwas Englisch – zu überwinden, er lächelt immer. Er gehört zur „French Connection“der Gladbacher, zu der die französisch-sprechenden Denis Zakaria, Marcus Thuram, Ibrahima Traoré, Alassane Plea und Mamadou Doucouré gehören. Bensebaini ist der Ruhepol dieses Ensembles, der Gentlemen.
Gladbach zeigt, dass Grüppchenbildung nichts Schlechtes im Fußball sein muss. Bensebaini und Co. kommen fast immer als letztes auf den Trainingsplatz, sie absolvieren die Übungen in den Einheiten gemeinsam, auch privat unternehmen sie viel, oft in Düsseldorf. Bensebaini ist ein Freund von Mode, er kleidet sich gern in schicker Designer-Kleidung, „ein feiner Kerl“eben. Auch Dank der French Connection sagt er: „Es fühlt sich an, als wäre ich schon ewig bei Borussia.“
Dabei kam er erst vor knapp vier Monaten, als frisch gebackener Afrika-Cup-Sieger mit seinem Heimatland Algerien. Er ist ein stolzer Nordafrikaner, sein islamischer Glaube gibt ihm zusätzliche Kraft, vor dem Anpfiff steht er immer mit ausgebreiteten Armen und den Handflächen nach oben betend auf dem Platz. Da ist er bei sich, der feine Kerl, der ruhige, ausgeglichene Mensch. Dann ertönt der Pfiff, und der zweite Bensebaini tritt in Erscheinung. Der ist ein beinharter Linksverteidiger, einer, der weh tut, der nie aufgibt, der alles dafür gibt, um seinem Team den Ball zu erobern. Der Algerier ist defensiv einer, den Stürmer hassen. Oft gehen diese nach seinen Attacken zu Boden, immer bekommen sie von Bensebaini die Quittung in Form einer Steh-auf-Geste. Der 24-Jährige hat Spaß am Zweikampf, er will sich körperlich mit den Besten messen.
Hierbei hat er zu Beginn in Gladbach eine Unart zur Schau gestellt. Bei seinem Debüt im Derby in Köln (1:0) krümmte er sich nach einem Zweikampf lange am Boden, dann rollte der Ball in seine Richtung und er stand blitzartig auf, spielte normal weiter. Wenig später beim 0:4 in der Europa League gegen den Wolfsberger AC war es ähnlich, da mimte er auch den Verletzten und sprang ruckartig auf, weil der Schiedsrichter nicht für ihn, sondern gegen ihn auf Foul entschied.
Das kam bei den Fans und im Klub nicht gut an. Das passt nicht zu Gladbach, einem Verein, der Sympathien über den Niederrhein hinaus genießt. Aber Bensebaini ist lernfähig, hat das offenbar abgestellt. Er ist bei den Borussen nun auf dem Weg zum Liebling. Der Doppelpack beim 2:1 gegen die Bayern war der erste seiner Karriere – vor dem Elfmeter traf er bereits per Kopf. Eine Woche zuvor rettete er beim 4:2Sieg in Freiburg mit der Hacke auf der Linie, zeigte eine Kung-Fu-Rettungsaktion, gegen Bayern klärte er per Fallrückzieher. Er ist ein Spieler für den Sonderapplaus, vereint fußballerische Finesse und Kampfkraft. „Man sieht sein nordafrikanisches Temperament, seine Spielfreude und dass er ein richtig guter Fußballer ist. Ein cooler Typ, der bereit ist, richtig hart zu arbeiten. Was willst du mehr als Trainer?“, sagt Gladbach-Trainer Marco Rose über ihn. Es ist derzeit eine rhetorische Frage.