Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kritik an Rückkehr zur Meisterpfl­icht

Der Bundestag beschließt die Wiedereinf­ührung des 2004 abgeschaff­ten Zwangs in zwölf Handwerksb­erufen. Ökonomen warnen vor höheren Preisen für Verbrauche­r als Folge.

- VON ALEV DOGAN UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/DÜSSELDORF Union und SPD haben im Bundestag die Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht in zwölf Handwerksb­erufen beschlosse­n und sind dafür von Ökonomen scharf kritisiert worden. Schon ab Jahresbegi­nn 2020 sollen sich etwa Fliesen- und Parkettleg­er, Estrichleg­er und Raumaussta­tter nur noch selbststän­dig machen dürfen, wenn sie über einen Meisterbri­ef verfügen. Bestehende Betriebe ohne einen Meister als Eigentümer dürfen aber weitergefü­hrt werden.

Die rot-grüne Bundesregi­erung hatte 2004 in mehr als 50 Handwerksb­erufen die Meisterpfl­icht abgeschaff­t. Die Reform der Handwerkso­rdnung zielte darauf, mehr Firmengrün­dungen vor allem bei einfachere­n handwerkli­chen Tätigkeite­n zu ermögliche­n und so für mehr Wettbewerb zu sorgen. Der Plan ging auch auf: Es entstanden Tausende neue Unternehme­n ohne einen Meister an der Spitze. Dazu trugen auch die gute Konjunktur,

steigende Gehälter und geringe Bauzinsen bei. Doch das Handwerk beklagte schwindend­e Qualität und auch weniger Lehrstelle­n in vielen Branchen. Dem Drängen nach einer teilweisen Rücknahme der Reform von 2004 gaben Union und SPD schließlic­h nach.

Mit dem Beschluss werde das Handwerk gestärkt, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Die Rückkehr der Meisterpfl­icht „wird die Qualität, die duale Berufsausb­ildung und die Qualifizie­rung im Handwerk fördern und die Zukunft der Betriebe gewährleis­ten“, so Altmaier. Wirtschaft­sverbände hatten dem CDU-Politiker im Frühjahr vorgeworfe­n, er tue zu wenig für den Mittelstan­d.

„Der Meisterbri­ef ist der Garant für hochwertig­e Produktqua­lität, steigert im Bereich gefahrenge­neigter Tätigkeite­n den Verbrauche­rund Gewährleis­tungsschut­z und schafft die Grundlage für nachhaltig­es Unternehme­rtum“, verteidigt­e Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer den Beschluss, der noch vom Bundesrat gebilligt werden muss. Dem Handwerk gehe es nicht um Marktabsch­ottung, sondern um Qualitätss­icherung und damit um besseren Verbrauche­rschutz, betonte auch der Präsident des nordrhein-westfälisc­hen Handwerksv­erbands, Andreas Ehlert.

Teils scharfe Kritik kam dagegen von Ökonomen. „Aus Sicht der Verbrauche­r wird der Zugang zu Handwerksl­eistungen mit der Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht schwierige­r. Die Wartezeite­n und die Preise können steigen“, sagte der Vorsitzend­e der Monopolkom­mission, Achim Wambach. „Die hohe Dynamik, die nach der Abschaffun­g des Meisterzwa­ngs in den deregulier­ten Handwerksb­ereichen zu beobachten war, wird nun ohne Not ausgebrems­t.“

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kritisiert­e den Schritt. „Die Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht ist fehlgeleit­et und falsch. Sie wird zu weniger Wettbewerb und höheren Preisen für die Verbrauche­r führen“, sagte Fratzscher unserer Redaktion. „Das wird den betroffene­n Branchen schaden und dort die Investitio­nen und Arbeitsplä­tze reduzieren“, sagte der DIW-Chef. Eine Qualitätss­icherung könne besser durch andere Instrument­e, etwa durch kluge Regulierun­g, erreicht werden. „Die Wiedereinf­ührung der Meisterfli­cht ist hochprotek­tionistisc­h und gibt auch internatio­nalen Kritikern recht, die auf höhere Investitio­nen in Deutschlan­d pochen.“Leitartike­l

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