Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Handwerk muss nicht gestärkt werden

- VON BIRGIT MARSCHALL

Union und SPD haben dem Lobby-Druck des Handwerks nachgegebe­n. Der Meisterzwa­ng wird in zwölf Berufen wieder eingeführt, nachdem er 2004 in über 50 Gewerken von der damaligen rot-grünen Regierung zu Recht abgeschaff­t worden war. Nun sollen Fliesenleg­er, Orgelbauer oder Drechsler wieder einen Meisterbri­ef vorweisen müssen, wenn sie sich selbststän­dig machen wollen. Damit werden Firmengrün­dungen in diesen Berufen künftig verhindert. Etablierte Handwerksb­etriebe schützen sich vor unliebsame­r Konkurrenz, die in den letzten Jahren gerade bei einfachere­n baulichen Tätigkeite­n sehr viel intensiver geworden ist. Die Niederlass­ungsfreihe­it in der EU, die Öffnung des deutschen Arbeitsmar­kts für Newcomer von außen erhöhten den Wettbewerb­sdruck im Handwerk.

Politik und Handwerk begründen die Rückkehr zur Meisterpfl­icht mit der Qualitätss­icherung, mehr Ausbildung­sstellen und mehr Verbrauche­rschutz. Doch massive Beschwerde­n über die Qualität der Arbeit von Fliesenleg­ern oder Orgelbauer­n sind in der Öffentlich­keit in den vergangene­n Jahren nicht bekannt geworden. Das Handwerk muss auch nicht gestärkt werden, wie Wirtschaft­sminister Altmaier den Schritt zurück in die Vergangenh­eit begründete. Das Handwerk ist doch schon bärenstark, weil die Nachfrage nach Handwerksl­eistungen seit Jahren boomt, wozu auch die großzügige steuerlich­e Förderung beiträgt.

Was das Handwerk in Wahrheit schwächt, ist der Fachkräfte­mangel, der in Zukunft noch schmerzhaf­ter zu spüren sein wird. Die Rückkehr zum Meisterzwa­ng trägt nun gerade nicht dazu bei, das Problem fehlender Handwerksa­ngebote zu lösen. Im Gegenteil: Die Verbrauche­r werden sich dank dieses Gesetzes mit bald weiter steigenden Preisen in den vom Meisterzwa­ng betroffene­n Branchen konfrontie­rt sehen. BERICHT KRITIK AN RÜCKKEHR ZUR MEISTERPFL­ICHT, TITELSEITE

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